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Kultur in LeverkusenDie freie Szene zwischen Absagen und Alternativen

Lesezeit 6 Minuten

Katharina Meierjohann und ihre Kolleginnen und Kollegen des Künstlerbunker e.V. können in den Ateliers weiterarbeiten.

Leverkusen – Auch für die Kultur hat ein neues Jahr begonnen und ist ein altes Problem geblieben: Was tun im Lockdown, wenn nichts von dem möglich ist, was einmal selbstverständlich war? Die Bayer-Kultur etwa hat – wenngleich unabhängig von der Pandemie und schon länger geplant – vom Jahres- auf ein kürzeres Festivalprogramm sowie auf die Förderung von Künstlerinnen und Künstlern auch abseits der Bühne umgeschwenkt. Zudem gibt es laut Aussage ihres Chefs Thomas Helfrich für alle Pläne 2021 auch Alternativen in der Konzern-Schublade (wir berichteten). Fabian Stiens, Organisator der Jazztage und Betreiber des „Scala“-Clubs, hofft, irgendwann wieder mit den Konzerten und Comedy-Veranstaltungen beginnen zu können – viele von ihnen als Nachholtermine aus dem vergangenen Jahr – und will die Jazztage 2021 notfalls zum zweiten Mal rein virtuell aufziehen.

Doch: Was macht die freie Szene? Was machen die Akteure abseits der großen Kulturplayer und kommerziellen Anbieter? Wir haben uns bei einigen ihrer Protagonisten – stellvertretend für alle – umgehört.

Ausstellungen verschoben

Der Kunstverein Leverkusen, beheimatet in den Remisen des Schlosses Morsbroich und somit Nachbar des Museums, hat das neue Jahr bereits durchgeplant, ist aber derzeit nach Aussage von Susanne Wedewer-Pampus bereits damit beschäftigt, die auf dem Programm stehenden Ausstellungen auf einen jeweils späteren Zeitpunkt zu verschieben. Es geht unter anderen um die an die Corona-Krise angelehnte Installation „The Pause“ der jungen Künstlerin Fari Shams, die am 25. März eigentlich den Jahresauftakt bestreiten sollte. Um die Bildhauerkunst des Stefan Steiner. Oder um die Ausstellung der Bilder Josef Wolfs.

Schwere Zeiten für das KAW: Konzerte, Partys, Theateraufführungen können nicht stattfinden, die Nebenkosten müssen trotzdem bestritten werden – das Team des Hauses sucht nach Alternativen.

Gerade die beiden letztgenannten Aktiven lägen ihr besonders am Herzen, sagt Susanne Wedewer-Pampus als Kuratorin des Kunstvereins, denn: „Ihre Kunst hat etwas Archaisches. Sie zeigt, dass in Kunst noch eine ganz andere, unmittelbarere Kraft steckt als jene, die wir heutzutage nicht zuletzt im Digitalen, in den sozialen Medien vermittelt bekommen.“ Gleichwohl sei genau dieses Feld – das der Virtualität eben – eines, dem in den kommenden Monaten wohl mehr Bedeutung bezüglich der Präsentation der Kunst beigemessen werden müsse. Auch im Kunstverein. Und auf welche Art auch immer. Das werde sich zeigen. Zudem könne das Format des „Open Space“ mit kurzen, meist nur über einen Abend oder ein Wochenende konzipierten Ausstellungen eine Alternative in Zeiten sein, in denen es schwierig ist, lange und große Schauen zu planen.

Arbeit im Atelier möglich

Aufs Internet setzen auch die Kreativen des Vereins „Künstlerbunker“ in Opladen – wenngleich in dieser Hinsicht noch nichts Konkretes anzukündigen sei, wie Katharina Meierjohann als Mitglied der Ateliergemeinschaft an der Karlstraße sagt. „Immerhin treffen wir uns seit geraumer Zeit regelmäßig im Netz – mal in der Gruppe, mal im kleineren Kreis – und tauschen uns aus.“ Das große Plus für die Künstler des Bunkers: „Unsere Ateliers können ja weiter offen bleiben. Wir können auch während des Lockdowns arbeiten.“ Schließlich habe jeder und jede im Verein einen eigenen geschlossenen Raum, um die eigene Kreativität auszuleben.

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Außerdem werde derzeit die Homepage des Vereins umgestaltet. Ein virtueller Rundgang durch den Bunker sei in Planung – wenn man ihn als Gast von außen denn schon nicht real betreten dürfe in diesen Zeiten. Und auch Live-Schaltungen und Video-Events seien denkbar, wenn es mit dem Lockdown weitergehe. Sollte irgendwann einmal wieder mehr möglich sein, dann sollen zuallererst die im vergangenen Jahr entfallenen Ausstellungen und Aktionen nachgeholt werden – darunter eine Werkschau Friedel Engstenbergs, ein „Tag der offenen Tür“, diverse Kurzausstellungsformate und eine von mehreren Gastkünstlern aus dem Rheinland bestrittene Street-Art-Schau.

Kein Theater auf Abstand

Gleich nebenan an der Karlstraße liegt das Haus des Jungen Theaters Leverkusen (JTL). Praktisch seit März 2020 kann das Ensemble nicht mehr spielen. Im Sommer habe es zwar einige Solostücke gegeben, sagt Petra Clemens, die als Regisseurin, Ausbilderin und Ur-Mitglied zum JTL gehört. „Aber das war letztlich nicht wirklich lohnend.“ Theater sei nun einmal eine Kunst, die nicht mit Abstand funktioniere. Sie drückt es maximal passend so aus: „Wir leben von Impulsen. Vom Schlagen. Vom Küssen.“

Susanne Wedewer-Papmus vom Leverkusener Kunstverein.

Sprich: Alles andere sei kein Theater. „Natürlich kann man auch Stücke aufzeichnen und online übertragen. Aber das ist nicht das gleiche.“ Das sei dann: Film. Kein Theater. Finanziell gehe es der Opladener Truppe denn auch nicht wirklich gut. Keine Vorstellungen – kein Geld. Diese Rechnung ist simpel. Und Alternativen gebe es eben nicht wirklich.

Ausbildung als Alternative

Und doch befänden sich befreundete Institutionen wie das Hitdorfer Matchboxtheater oder die ein Haus weiter im bereits erwähnten Künstlerbunker gelegene Studiobühne in einer wesentlich schlimmeren Lage. Denn: Das Junge Theater, sagt Petra Clemens, sei eben seit jeher nicht nur ein reines Spiel- sondern auch ein explizites Ausbildungstheater, das seine Ensemblemitglieder gezielt auf Anstellungen an professionellen Häusern im ganzen Land, in ganz Europa vorbereite. Mit entsprechenden Kursen und Workshops und Seminaren. Und genau das sei in Lockdown-Zeiten denn auch die Handlungsalternative für die Aktiven: Sie proben interaktiv und führen den Nachwuchs an Bewerbungen in Theatern heran. Weiterhin.

Petra Clemens ist Mitglied des Jungen Theaters und aktiv im Team des Opladener Kulturausbesserungswerkes (KAW).

Ein wichtiges Wort, wenn nichts sicher zu sein scheint. Oder wie Petra Clemens es ausdrückt: „Es ist die perfekte Zeit für Monologe.“ Die könne man daheim üben. Unter Anleitung im Internet. Und die würden eben auch von den großen Theatern in virtuellen Aufnahmerunden gefordert. „Ganz ehrlich: Dadurch, dass wir zuletzt kein Stück konzipieren mussten und nicht auftreten konnten und können, haben wir für diese Dinge nun mehr Zeit als je zuvor.“ Eine kleine glückliche Fügung im großen Unglück. Immerhin.

Probleme im KAW

Schlimmer sehe es hingegen im Kulturausbesserungswerk aus, sagt Petra Clemens – und muss es wissen, schließlich gehört sie auch zum Team dieses autonomen Kulturzentrums an der Kolberger Straße, das normalerweise mit zahllosen Veranstaltungen im Jahr – Konzerte, Kabarett, Theater, Karneval, Parties, Aktionsgruppentreffen, Ausstellungen – aufwartet. „2019 gab es im KAW 45 Konzerte und gut 100 weitere Veranstaltungen.“ Der Laden war also sprichwörtlich fast immer gebucht und voll – was zeige, wie viel derzeit fehle. „Und das reißt uns wirklich tief rein in die Misere.“ Denn die nicht unerheblichen Nebenkosten für die Halle mit angeschlossenen Räumen müssten ja weiter gezahlt werden.

Doch auch im KAW sind sie – so wie man es von diesem Team gewohnt ist – umtriebig. Versuchen, die Zeit irgendwie anderweitig zu nutzen. So gab es zuletzt beispielsweise schon Konzerte im Stream, denen weitere folgen sollen. Viele Treffen von Aktionsgemeinschaften finden nun im Netz statt. Es werden virtuelle Stadtteilspaziergänge angeboten. Und seit einiger Zeit wird online ein eigener Podcast aufgelegt, „Kultur AusWeiten“, der über die Facebookseite des KAW und den Anbieter „Soundcloud“ zu hören ist. Und auch dies zeigt einmal mehr: Die Kultur – sie findet irgendwie immer einen Weg. Weil ihre Protagonisten die Kreativität als Leidenschaft haben.