Landtagswahl in LeverkusenFür die Jugend zählen Themen abseits der großen Politik
Leverkusen – Die Frage geht eigentlich an die vier Personen auf dem Podium: „Sollte es das für den Sommer geplante Neun-Euro-Ticket dauerhaft geben?“ Doch noch während die Kandidatinnen und der Kandidat nach den farbigen Kärtchen greifen, kommt aus dem Publikum ein spontanes, aber deutliches: „Ja!“.
Podiumsdiskussion für junge Menschen
Es ist die erste deutliche Reaktion der rund 300 Jugendlichen, die am Donnerstag auf Einladung von Jusos, Junger Union, Grüne Jugend und Junge Liberale ins Forum gekommen sind, um sich die Standpunkte der zugehörigen Leverkusener Kandidaten und Kandidatinnen für die Landtagswahl anzuhören. Deutlich wird also: Die Jugend hat Lust auf öffentlichen Nahverkehr. Und so greifen auch Rüdiger Scholz (CDU), Rupy David (Grüne), Ariane Koepke (SPD) und Petra Franke (FDP) zu der grünen Karte: pro dauerhaftes Neun-Euro-Ticket.
Das könnte Sie auch interessieren:
Hier also gibt es keine Differenzen, die die Wahlentscheidung der Anwesenden noch beeinflussen könnten. Etwa ein Fünftel der jungen Menschen im Forum meldet sich auf die Frage, wer schon 18 ist und wählen gehen darf. Viele davon melden sich auch bei der Frage, wer seine Wahlentscheidung denn noch nicht getroffen hat. „Es gibt hier also noch ein paar Stimmen zu holen“, sagt Moderator Hendrik Geisler, Redaktionsleiter des „Leverkusener Anzeiger“.
Interesse an abseitigen Themen
Mehr als Autobahnausbau und Energiewende interessieren die Schülerinnen und Schüler in der Fragerunde Themen, die in der großen Politik wenig behandelt werden, ihren Alltag aber massiv beeinflussen. Wie etwa kaputte Schulfenster und fehlende Sporttrainer.
Den lautesten Jubel gibt es für die Frage eines jungen Auszubildenden: „Als ich meine Ausbildung angefangen habe, hat der Diesel 90 Cent pro Liter gekostet, da habe ich mich entschieden, den Fahrtweg von 75 Kilometer von Mechernich nach Leverkusen auf mich zu nehmen, anstatt eine Wohnung hier zu mieten. Die hätte es damals noch gegeben. Heute ist der Sprit bei über zwei Euro und die Wohnung genau so unbezahlbar. Ich kann das nicht mehr leisten.“ Rupy David spricht sich für den Ausbau des ÖPNV aus. „Der würde mich aktuell 2,5 Stunden Fahrtweg zusätzlich kosten“, erklärt der Auszubildende.
Großes Interesse an Asylpolitik
Petra Franke wird für ihre Zustimmung auf die Frage: „Sollten Menschen mit abgelehnten Asylantrag konsequent abgeschoben werden?“ kritisiert. Auf zwei Nachfragen aus dem Publikum differenziert sie: „Wir wollen nicht Ausländer abschieben. Aber Gefährder.“ „Aber die Abschiebungsflugzeuge sind nicht voll mit Gefährdern, das ist nicht gelebte Politik“, kontert David.
Die Asylpolitik ist ein wichtiger Punkt an diesem Tag. Viele der Anwesenden haben einen Migrationshintergrund. „Finden Sie, dass in Deutschland alle Flüchtlinge gleich behandelt werden?", fragt eine junge Frau. Die Kandidaten auf dem Podium sind sich einig, dass es gut sei, dass ukrainischen Flüchtlingen die Integration gerade möglichst einfach gemacht wird. „Aber wir wollen das für alle", sagt David.
Damit kommt die Grüne gut an. „Die ist voll cool", sagt eine Jugendliche mit Migrationshintergrund zu ihren Freundinnen, nachdem sie sich auf dem Forumsvorplatz noch länger mit David über die Ungleichbehandlung unterhalten hat.
Gegen das Gendern
Rüdiger Scholz macht sich unbeliebt, weil er auf die Frage nach dem Wahlrecht ab 16 als einziger die rote Karte zieht. Lautstarke Zustimmung gibt es allerdings, als er eine weitere Alleinstellung rechtfertig: Warum er als Einziger auf dem Podium gegen das Gendern sei: „Es kann jeder machen, wie er will. Aber ich bin Lehrer und ich werde das zukünftig nicht so machen.“ Und der Reaktion des Publikums zufolge bleibt er damit nicht alleine.
Ariane Koepke reißt in einem Beitrag zu bezahlbarem Wohnraum an, dass sie gerne die Vermietung an Touristen in Innenstädten über Portale wie Airbnb verbieten würde. Hier fürchtet eine Schülerin um kostengünstige Ferienunterkünfte. „Ich bin gar nicht dagegen, dass ungenutzte Zimmer oder Einliegerwohnungen kurzzeitig untervermietet werden, wie das Konzept ursprünglich mal war", stelle Koepke klar. „Aber dass private Investoren massenhaft Wohnraum in großen Städten aufkaufen und sie an Touristen vermieten, um damit mehr Profit zu machen, und die Arbeitnehmer in der Stadt keine Wohnung mehr bekommen und von weit weg reinpendeln müssen, das kann es nicht sein."
Persönliche Kritik
Und immer wieder kommt die Frage nach der Mobilität. Ob sie für Tempo 30 in den Innenstädten sei, wird David gefragt. „Da kann 30 oder 50 stehen, aber wir brauchen mehr Busspuren, dann kommt ihr mit dem Bus wahrscheinlich schneller voran kommt, als mit dem Auto.“
Ein junger Mann wirft ihr vor, dass sie ÖPNV predigt, aber selbst mit dem Auto fährt: „Das ist doch alles scheinheilig.“ David erklärt, dass sie einen Hybrid fährt, weil sie es muss: „Ich habe ein kleines Kind, eine pflegebedürftige Schwester und einen Vollzeitjob in Düsseldorf. Ich schaffe es nicht, mit ÖPNV pünktlich an vier Orten am Tag zu sein. Und das muss sich ändern. Das ist meine Lebensrealität.“ Und an den Reaktionen ist abzulesen, dass es auch jene von vielen Jugendlichen ist.