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Vor 80 JahrenAls in der Leverkusener Waldsiedlung Bomben fielen

Lesezeit 4 Minuten
Die Trümmer des Hauses von Peter Knopfs Familie nach dem Bombenangriff am 14.Oktober 1944 in der Carl-Maria-von-Weber-Straße, früher Skagerakstraße.

Die Trümmer des Hauses von Peter Knopfs Familie nach dem Bombenangriff am 14.Oktober 1944 in der Carl-Maria-von-Weber-Straße, früher Skagerakstraße.

Das Ehepaar Knopf aus Leverkusen überlebte am 14. Oktober 1944 als Kinder einen Bombenangriff in der Waldsiedlung.

Wer mit diesem Humor gesegnet ist, den kann eigentlich nichts umhauen. Als die Mutter von Peter Knopf unmittelbar nach einem Bombeneinschlag aus dem Keller des Waldsiedlungshauses ihrer Familie gestiegen war, soll sie als erstes Wilhelm Busch zitiert haben: „Hier sieht man noch die Trümmer rauchen, der Rest ist nicht mehr zu gebrauchen.“

Für das Ehepaar Knopf aus Leverkusen-Wiesdorf jährt sich 2024 so etwas wie ein zweiter runder Geburtstag, denn beide haben, damals als Nachbarskinder, am 14. Oktober 1944 in Kellern ihrer Eltern in der Waldsiedlung Bombentreffer überlebt – Peter Knopf sogar einen Volltreffer.

Eigene Erinnerungen an den Samstagmittag hat nur Frau Knopf, denn die war schon fast fünf Jahre alt, aber beide kannten sich gut. Peter Knopf, eineinhalb Jahre jünger, wohnte in der Carl-Maria-von-Weber-Straße 41, damals Skagerakstraße. Die Familie seiner heutigen Frau Ursula in der Gluckstraße 15. Ursula Cauer und Peter Knopf kennen sich, solange sie denken können, erst sehr viel später wurde aus ihnen ein Paar. Damals war sie mit der Schwester des kleinen Peter befreundet. „Mit so kleinen Jungs habe ich damals doch nicht gespielt“, sagt sie.

„Ich spielte draußen, als kurz vor Mittag die Sirene ging: Fliegeralarm“, weiß Ursula Knopf noch. Normalerweise war die Waldsiedlung wohl eher kein bevorzugtes Ziel der Engländer, aber an diesem Samstagmittag im letzten Kriegsjahr sollte es anders sein. Peter Knopf hat später recherchiert, dass die Engländer, wohl aufgrund von Werksspionage, davon ausgegangen seien, dass sich im Dünnwalder Wald ein Trupp Fallschirmjäger aufgehalten haben soll. Die waren am Tag des Bombardements nicht mehr da, sagt Knopf. Das aber wussten die Engländer nicht, sie ließen die Bomber starten.

Ursula und Peter Knopf mit einem Splitter einer alten Truhe aus „Siam“ (Thailand), die beim Bombeneinschlag 1944 ins  Elternhaus Peter Knopfs in der Carl-Maria-von-Weber-Straße (damals Skagerakstraße) zerstört wurde.

Ursula und Peter Knopf mit einem Splitter einer alten Truhe aus Siam (heuteThailand), die beim Bombeneinschlag 1944 ins Elternhaus Peter Knopfs in der Carl-Maria-von-Weber-Straße (damals Skagerakstraße) zerstört wurde.

Ursula, die durch den Alarm beim Spielen gestört wurde, habe zu ihrer Freundin in den Keller ins Haus gegenüber gewollt, vielleicht, weil sie weiterspielen wollten. „Meine Mutter hat aber darauf bestanden, dass ich mit ihr in unseren Keller steigen musste.“

Alle Keller waren präpariert und auch auf Treffer vorbereitet, man hatte eine Notration zu essen und eine bombensichere Kiste mit den wichtigsten Dingen. Die Kellerdecken aus Beton seien mit Holzkeilen und Holzstämmen abgestützt gewesen, sagt Knopf, damit die nicht sofort zusammenbrechen, falls es einen Treffer gab.

Die Väter mussten damals den halben Samstag noch arbeiten, die meisten im Bayer-Werk; Mütter und Kinder waren alleine zu Hause. An den Bombenhagel um Punkt 12.03 Uhr und die Erschütterungen kann sich Ursula Knopf noch erinnern. „Wir mussten schwer husten, wegen des Staubs.“ Danach schafften sie es nicht alleine, aus dem Keller zu kommen, weil die Treppe voller Schutt lag. Das halbe Haus sei weg gewesen.

Nicht viel war übrig: Die Trümmer des Hauses von Peter Knopfs Familie, vorne im Bild Peter Knopfs Schwester Ursel und der Nachbarsjunge Georg Bächle.

Nicht viel war übrig: Die Trümmer des Hauses von Peter Knopfs Familie, vorne im Bild Peter Knopfs Schwester Ursel und der Nachbarsjunge Georg Bächle.

Nach dem Alarm kam für die Nachbarschaft eine traurige Nachricht: Ursula Knopfs Freundin Ingrid Denke im Keller gegenüber hatte zwar überlebt, aber die Mutter der Freundin und ein Baby waren im selben Keller ums Leben gekommen. Die Decke hatte dem Volltreffer nicht standgehalten. Man mag sich nicht vorstellen, wie sich bei der Mutter Trauer und die Erleichterung gemischt haben, die Tochter in den eigenen Keller mitzunehmen.

Ein Bild, das eine Straße der früheren Waldsiedlung zeigt.

Ein Bild, das eine Straße der früheren Waldsiedlung zeigt.

Dem Vater der kleinen Ursula wurde auf dem Heimweg von der Arbeit mitgeteilt: Zur Gluckstraße müsse er gar nicht hingehen, da seien alle tot. An die Ankunft des Vaters zu Hause kann sich Frau Knopf nicht mehr erinnern. Drei Häuser sollen insgesamt stark beschädigt oder komplett zerstört worden sein. Das Haus, in dem der etwas jüngere Peter Knopf wohnte, etwa 150 Meter Luftlinie entfernt, sei komplett platt gewesen, sagt Knopf. Weil Samstag war, habe die Mutter einen Apfelkuchen gebacken, der war aus der Küche herausgeflogen und hing im Baum. „Ist doch interessant, an was man sich noch erinnert und woran nicht“, sagt Knopf.

Knopfs Waldsiedlungs-Haus nach dem Wiederaufbau.

Knopfs Waldsiedlungs-Haus nach dem Wiederaufbau.

Kinder kommen in dem Alter oft noch besser mit diesen Erlebnissen zurecht. Ursula Knopf sagt: „Ich habe das alles seltsamerweise nicht als so schlimm empfunden.“ Erst hinterher habe sie gemerkt, dass sie in der Waldsiedlung doch traumatisiert worden sein musste: „Ich musste noch lange immer heulen, wenn Feuerwehr oder Rettungswagen mit Tatütata zu hören waren. Heute aber nicht mehr.“

Peter Knopf war vielleicht zu klein für ein Trauma. Er hat einen Splitter aufgehoben von einer Truhe seines Vaters, die durch die Bombe zerstört wurde. „Aus Kampfer-Holz, mein Vater hatte die Truhe aus Siam mitgebracht, aus dem heutigen Thailand“, sagt er. Bis 1949 lag das Elternhaus in Trümmern, dann baute es die Familie wieder auf. Die Trümmer, weiß er, liegen im Garten, in einem der Bombentrichter. Das Haus wurde später verkauft.

Die Geschichte von Peter Knopfs Mutter, die Wilhelm Busch zitierte, als sie aus dem Keller stieg und sich den Staub aus den Kleidern klopfte, soll in der Straße noch über Jahre mit Bewunderung erzählt worden sein.