Für die Bescheinigung, die die Leverkusener Verwaltung an Sekou Sidibe und viele andere Migranten ausgestellt hat, fehlt die Rechtsgrundlage.
Drohende AbschiebungLeverkusen stellt Dachdeckerazubi selbst erfundene Bescheinigung aus
Das Papier, das Sekou Sidibe, der von Abschiebung bedrohte Dachdeckerazubi aus Guinea, Woche für Woche von der Ausländerbehörde der Stadt erhält, hat sich das Amt gewissermaßen selbst ausgedacht. Die „Bescheinigung über den vorübergehenden Aufenthalt ohne amtliche Aufenthaltsdokument“, wie der Titel des Dokuments lautet, hat „keinen Anknüpfungspunkt im Aufenthaltsgesetz“, gibt die Behörde etwas verklausuliert nun selbst in einer Antwort auf eine Anfrage der Ratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen bekannt. Soll heißen: Das Aufenthaltsrecht kennt ein solches Papier nicht oder, in den Worten der Grünen: Es handelt sich um „Fantasiebescheinigungen“.
Nicht nur der 24-jährige Sekou Sidibe, dessen Abschiebung Ende August, Anfang September am Flughafen von Conakry, der Hauptstadt von Guinea spektakulär scheiterte, hat eine solche Bescheinigung erhalten. Laut Auskunft der Verwaltung an die Grünen hat sie in den vergangenen anderthalb Jahren ein solches Papier an insgesamt 52 Personen ausgegeben. „Damit liegt die Anzahl leider noch höher als wir vermutet haben“, sagt dazu Ratsherr David Dettinger, integrationspolitischer Sprecher der Partei.
Die Stadt sieht die Erteilung des Papiers mit dem langen Titel durch die Bezirksregierung Köln und Gerichtsurteile gedeckt. Allerdings, so die Grünen, „wird sie laut eigener Aussage nur darin bestätigt, dass 'keine Duldungsgründe (mehr) vorliegen', nicht jedoch, dass ihre Fantasiebescheinigungen aufenthaltsrechtlich korrekt sind“. Auch jemand mit Duldung könne abgeschoben werden, betonen die Grünen. Darauf hatte auch Sekou Sidibes Anwalt Jonas Weßling hingewiesen. Eine Duldung würde den jungen Mann darüber hinaus in die Lage versetzen, endlich seine Ausbildung zum Dachdecker fortzusetzen und womöglich im Frühjahr 2025 mit der Gesellenprüfung zu beenden.
Der Oberbürgermeisterkandidat der Grünen, Sven Weiss, sieht dringenden Handlungsbedarf, „denn manche Fälle und Erteilungspraxen in der Leverkusener Stadtverwaltung müssen zur Chefsache gemacht werden“. Fraktionschefin Claudia Wiese fordert rechtliche Klarheit „im positiven Sinne für die Betroffenen. Es kann nicht sein — und das versteht auch kein Bürger — dass hier in Leverkusen Bescheinigungen ausgestellt werden, die es laut Gesetz gar nicht gibt.“