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JahresrückblickGewalt gegen Frauen in Leverkusen beschäftigte die Gerichte

Lesezeit 7 Minuten
Im Kölner Landgericht laufen die größeren Prozesse.

Im Kölner Landgericht laufen die größeren Prozesse.

Wir blicken zurück auf das Leverkusener Jahr vor Gericht und im Blaulicht.

Gewalt gegen Frauen ist ein häufiges Delikt, mit dem sich Gerichte beschäftigen müssen. Auch 2023. In der Frauenberatungsstelle gehen die Beraterinnen von einer hohen Dunkelziffer von Gewalttaten aus; in das Leverkusener Büro in Opladen an der Birkenbergstraße kommen jährlich 900 Frauen, die Rat suchen.

Nicht jede wird vielleicht eine solch unsägliche Gewalt erleben, wie die Leverkusenerin, die in diesem Jahr ihrem gewalttätigen Exfreund im Kölner Landgericht gegenüber gesessen und gegen ihn ausgesagt hat. Sie hatte Jahre gebraucht, um sich bewusst zu werden, was das war, was sie mit dem Exfreund erlebt hatte: Demütigungen, gefährliche Körperverletzungen und Vergewaltigungen. Neun Jahre nach den Taten kam es 2023 zum Prozess.

Die lange Zeitspanne, die zwischen der gewaltvollen Beziehung und der Gerichtsverhandlung lag, bot den Anwälten des 34-jährigen Leverkuseners eigentlich gute Möglichkeiten, ihren Mandanten gegen die Vorwürfe zu verteidigen: Wirkliche Beweise gab es kaum, Atteste lagen nur zu einem durch Schläge entstellten Ohr und zu zwei angebrochenen Vorderzähnen vor. Diese Taten gab der Täter auch zu. Nicht aber die angeklagten Vergewaltigungen.

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Leverkusener wollte sich wohl Urteil entziehen

Gegen ihn sprach, dass die Frau nicht sein erstes Opfer war, mehrfach war er wegen ähnlicher Taten auffällig geworden. „Gewalt fängt nicht erst mit Schlägen oder Misshandlungen an, es geht auch um Stalking und Psychoterror. Wir wollen die Betroffenen ermutigen, Taten anzuzeigen. Nur so können mehr Täter strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser 2023 in einer Pressekonferenz, als sie die Steigerung der Fälle häuslicher Gewalt um 8,5 Prozent bekanntgab.

Die Leverkusenerin wagte diesen Schritt und sagte gegen den Leverkusener aus. Mit Erfolg, denn er wurde am Schluss der sechsmonatigen Verhandlung zu drei Jahren Haft verurteilt. Eine gute Fügung war, dass die Geschädigte an eine Strafkammer geraten war, die sich weder durch schwache Beweise noch durch Tricks des Angeklagten davon abhalten ließ, die Sache zu Ende zu führen: In den letzten Wochen vor dem Urteil versuchte der sportliche Mann, sich der Verhandlung zu entziehen. Er saß bei seiner Familie in Marokko, schickte von dort Atteste wegen eines angeblichen Bandscheibenvorfalls. Den Prozess platzen zu lassen, das schien sein Ziel gewesen zu sein.

Letztlich aber war die mit vier Frauen besetzte 20. Strafkammer nicht bereit, den Leverkusener davonkommen zu lassen. Mit Geduld, juristischem Geschick und konzentrierter Arbeit gelang es ihnen, neun Jahre nach der Tatzeit, den Mann in Abwesenheit immerhin zu drei Jahren Haft zu verurteilen. Klar, dass es eine Revision geben wird. Unklar ist, ob der Mann sich der deutschen Justiz entziehen wird und in Marokko, seinem Heimatland, bleiben wird. Wenn das geschieht, dann sind Frauen auch künftig vielleicht nicht vor ihm sicher, egal aus welchem Land sie stammen.

Es braucht Mut und Vertrauen

Es braucht Vertrauen in die Justiz und in die Ermittlungsbehörden, es braucht Mut und Durchhaltewillen, klar ist auch, dass die erlebte Bedrohung den Frauen auch nach Jahren noch in den Knochen steckt. Den Prozessbeobachter lässt es nachdenklich und ratlos zurück, wenn ähnliche Verfahren sprichwörtlich im Sande verlaufen, wie der Fall einer 21-jährigen, offenbar psychisch extrem niedergeschlagen wirkenden Frau, die ihrem Exfreund, dem einschlägig wegen häuslicher Gewalt vorbelasteten 30-jährigen Burscheider Samir Ö. (Name geändert), Vergewaltigung vorgeworfen hatte.

Wenn, wie es übrigens oft passiert, geladene Zeugen nicht erscheinen, schließlich die Verhandlung mehr als 30 Tage ruht, kann ein Prozess platzen. Hatten Belastungszeugen Kontakt zum potenziell gewalttätigen Angeklagten? Fürchten Familienmitglieder der Geschädigten, dass Schande über die Familie kommen könnte? Bei Weitem nicht alles, was hinter der Kulissen vorgeht, bekommen die unabhängigen Prozessbeobachter mit, aber manchmal ist der sprichwörtliche Braten zu riechen. Wo endet eine Gewaltgeschichte? Niemand kann sagen, wo einer, wie der Leverkusener mit dem Rückenleiden, oder Samir Ö. enden, wenn ihnen nicht irgendwann eine Denkpause im Gefängnis und am besten auch ein Anti-Gewalt-Training verordnet wird.

Im schlimmsten Fall so wie der 34-jährige Mann, der am Abend des 27. Oktober seine schwangere Freundin oder Ex-Freundin mitten auf der Ilmstraße in Rheindorf-Nord mit mehreren Messerstichen und Schnitten umgebracht haben soll: mutmaßlich war das einer von bundesweit fast 200 Femiziden 2023. Hatte auch der mutmaßliche Täter eine Vorgeschichte mit häuslicher Gewalt? Warten wir auf die Anklage und die Verhandlung.


Das Gerichts- und Blaublicht-Jahr in Monaten

Januar

In der Nacht auf den 5. Januar brennt die Sporthalle der Gesamtschule Schlebusch. 6000 Euro Belohnung wirken: Vier Männer zwischen 18 und 19 Jahren aus Leverkusen gelten als tatverdächtig. 2025 soll die Halle wieder nutzbar sein. Ende des Monats gibt es eine organisierte Manipulation auch im Bahn-Stellwerk in Küppersteg.

Februar

Anfang Februar müssen 750 Opladener ihre Häuser wegen einer Bombe räumen. Prozesse: Ein Brandstifter, der seinen Wohncontainer angezündet hatte, wird vom Gericht in die Psychiatrie eingewiesen. Eine Bande Drogenhändler steht vor Gericht: Die Polizei hatte die Handys abgehört. Zusammen kommen sie auf 22 Jahre Haft.

März

Am 24. März wird in Opladen ein junger Mann nachts auf der A 3 überfahren. Er ist süchtig, steht unter Drogen, erfährt der „Leverkusener Anzeiger“später von der Mutter. Ein Wohnwagen brennt in Niederblecher. Der Prozess gegen den Brandstifter beginnt, der eine Explosion in der Augustastraße verursacht hatte.

April

Kurz vor Ostern brennt in Hitdorf die eichene Kirchentür, das Kirchenschiff ist verqualmt, die Ostergottesdienste müssen verlegt werden: Brandstiftung. Zehn Verletzte fordert ein Unfall zu Ostern in Rheindorf: Ein SUV fährt ungebremst in die Kreuzung Löhstraße. Acht Tage später fahren auf der A 1 vier Lkw ineinander.

Mai

Der Brandstifter, der eine Wohnung in der Augustastraße angezündet hatte, wird zu fünf Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Er hatte Goldschmuck an sich genommen und dann Benzin in der Wohnung verteilt, dadurch kam es beim Zünden zur Explosion. Ende des Monats brennt in einem Haus Steinbüchel eine Hanf-Plantage ab.

Juni

Endgültig den Prozess verloren: Ein Nachbar im Leimbacher Berg führte einen Kampf gegen einen Lebensbaum. In den Schulen wohnen keine Hausmeister: Die Stadt muss sich etwas wegen zu vieler Diebstähle ausdenken. Der Fußballer Jonathan Tah muss als Zeuge und Geschädigter vor Gericht gegen einen Berater aussagen.

Juli

Der Hochsommer war ruhig: Am 14. des Monats klebt sich ein Aktivist am Kreisel an der Wöhlerstraße auf der Straße fest, aber das ist keine große Sache. Schlimmer ist der Raubüberfall an der Dhünn auf einen Radfahrer. Eine Scheune in Ropenstall brennt am 16. Juli ab. Die Polizei rollt den 32 Jahre alten Fall einer Taxifahrerin neu auf.

August

Millionenschaden am Sonntag, dem 13.: Erst nach sieben Stunden kontrolliert die Feuerwehr den Brand bei Artar-Brot in der Fixheide. Das Brot fehlt in den Geschäften, die Großbäckerei liefert ihr Brot bis in die Benelux-Staaten. 4000 Euro Strafe muss ein 20-jähriger LKW-Fahrer zahlen, unter dessen Rädern ein Radfahrer gestorben war.

September

Dieser Prozess ist endlos wie ein Zahnschmerz: Eine Zahnarzthelferin soll unbemerkt 200 000 Euro veruntreut haben, sagt der Opladener Zahnarzt. Wie so etwas gehen soll, fragt die Verteidigung: Der Arzt wolle nur von einer schweren Steuerhinterziehung ablenken, indem er seine Helferin ans Messer liefere. Wird fortgesetzt.

Oktober

Ein Rheindorfer soll in der Ilmstraße eine schwangere 35-jährige Frau mit mehreren Messerstichen umgebracht haben: offenbar ein Femizid. Der Angriff geschieht mit einem Küchenmesser. Unklar ist, in welcher Beziehung sie zueinander standen, das wird das Gerichtsverfahren ergeben. Der Täter sitzt in Untersuchungshaft.

November

Ein von einem 18-Jährigen gesteuerter BMW rast auf der Edith-Weyde-Straße in einen Kleinlaster. Der Messerstecher aus dem Kiosk an der Lützenkirchener Straße wird zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Nach 20 Monaten ist die Anklage gegen den Opladener Arzt fertig, der gegen 20 Euro Impfunfähigkeitsatteste ausgestellt hatte.

Dezember

Durch die Ermittlung ausländischer Dienste wird bekannt, dass ein 15-jähriger Schüler aus Burscheid einen Anschlag auf den Opladener Weihnachtsmarkt geplant haben soll: Haftbefehl. Am 5. gerät die Hitdorfer Fähre auf dem Rhein in Not. Mit Fahrgästen treibt sie manövrierunfähig bis auf die Höhe des Hafens ab.