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Olaf Scholz im KinopolisHunderte Leverkusener Selfies mit dem Kanzler

Lesezeit 4 Minuten
Uwe Richrath begrüßt Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem Kinopolis.

Uwe Richrath begrüßt Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem Kinopolis.

Am Geburtstag von Karl Lauterbach macht der Sozialdemokrat Wahlkampf in Wiesdorf.

Ob Karl Lauterbach je mehr als 700 Geburtstagsgäste hatte? Wohl nicht. Aber der unerwartete Wahlkampf bringt es mit sich, dass auf so etwas wie einen Geburtstag keine Rücksicht genommen werden kann. Aber: Es gab nicht nur ein spontanes Ständchen am Freitag im Kinopolis. Sondern auch Blumen, und zwar vom Bundeskanzler. Sobald Olaf Scholz den schwer bewachten Saal in Wiesdorf mit den offenbar nicht nur sozialdemokratischen Gästen betreten hatte, trat der nunmehr 62 Jahre alte Gesundheitsminister in den Hintergrund. Zur Einführung streifte der Abgeordnete kurz die Leverkusener Problemthemen Autobahn, Industrie und Schulden. Dann übernahm Scholz.

Der Bundeskanzler nahm sich nur wenige Minuten für Grundsätzliches. Etwa: „Wir werden die Ukraine nicht allein lassen.“ Die jüngsten Gespräche zwischen Putin und Trump stellten Europa und Deutschland vor „neue Aufgaben im Verhältnis zu unseren transatlantischen Freunden“. Da klang fast Ironie durch. Schließlich die von Friedrich Merz in Kauf genommene Zustimmung der AfD zu Verschärfungen in der Migrationspolitik. Scholz geißelte das als „Wortbruch“ und „Tabubruch“, der noch dazu keine echte gesetzgeberische Wirkung hätte entfachen können. „Wozu dann?“

Bundeskanzler Olaf Scholz und Karl Lauterbach im Kinopolis

Seine Deutschland-Tour führte Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitag nach Leverkusen.

Sodann stellte sich der Kanzler eine Dreiviertelstunde lang Fragen aus dem Publikum – bevor er sich ungefähr genau so lange Zeit ließ für Selfies auf der Bühne. Der Dialog gab dem Sozialdemokraten Gelegenheit, die wichtigsten politischen Themen abzuarbeiten. Und immer wieder zu betonen, dass die Bundestagswahl noch nicht entschieden ist und man sich deshalb keine Gedanken über mögliche Koalitionen machen muss: „Ich bewerbe mich als Bundeskanzler und für kein anderes Amt.“ Musste vielleicht noch mal gesagt werden.

Alles zum Thema Olaf Scholz

Ein offenbar noch nicht entschiedener Jungwähler setzte direkt zu Beginn der Fragerunde den Fokus auf ein offenkundiges Herzensthema: Sowohl aus volkswirtschaftlicher als auch aus ökologischer Perspektive sei es verantwortungslos, weiter fossil betriebene Fahrzeuge zu produzieren. „Versprechen Sie, dass Sie keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem nichts mehr vom Verbrenner-Aus steht?“, sprach er den Noch-Bundeskanzler forsch an.

Scholz wich aus, betonte mit dem Verweis auf seinen kürzlichen Besuch bei Ford, wie wichtig die Transformation zur Elektromobilität für die Autoindustrie sei. Die Formulierung „Ich verspreche es“ kam ihm, auch nach mehrfachem beharrlichem Nachhaken, allerdings nicht über Lippen. In Sachen Energiewende legte sich der Kanzler aber fest: „Wir werden das nicht rückgängig machen.“

Ein SPD-Wähler in Leverkusen mehr

Der junge Mann schien dennoch zufrieden. Zumindest berichtete sein Sitznachbar später, dass er ihm verraten habe, die SPD wählen zu wollen, bevor er Scholz nach möglichen Koalitionspartnern fragte. Eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der AfD sei jedenfalls ausgeschlossen, antwortete der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten.

Ebenfalls ausschließen könne er, dass er Marschflugkörper in die Ukraine liefern lasse, wenn er Kanzler bleibe. „Wir dürfen nicht in diesen Krieg hineingezogen werden“, betonte Scholz. Die Frage nach dem richtigen Umgang mit dem Krieg Putins schien viele der Anwesenden zu beschäftigen. Mehrfach hakten die Bürgerinnen und Bürger nach. Ob es nicht besser sei, in Verhandlungen zu treten, fragte eine junge Frau.

Selfies am Fließband mit Bundeskanzler Olaf Scholz

Selfies am Fließband: Der Bundeskanzler nahm sich dafür ungefähr genau so viel Zeit wie für die Fragen aus dem Publikum.

„Wenn wir die Ukraine nicht unterstützt hätten, wäre sie jetzt bereits erobert“, entgegnete der Bundeskanzler. Insbesondere der europäische Beistand habe überhaupt dafür gesorgt, dass die Ukraine noch in einer Verhandlungsposition sei. Gerade auch im Hinblick auf die Entwicklungen in den USA sei es allgemein wichtig, eine einheitliche europäische Strategie zu verfolgen. „Meine größte Sorge ist, dass immer mehr Staats- und Regierungschefs anfangen, in Geschichtsbüchern herumzublättern“, sagte Scholz.

Zur Frage, ob der Solidaritätszuschlag auch für die verbliebenen zehn Prozent Spitzenverdiener abgeschafft werden soll, gab der Kanzler ebenfalls eine kurze Antwort: „Das mach’ ich nicht. Und das wäre auch nicht gerecht.“ Ebenso halte er generelle steuerliche Entlastungen für Unternehmen für nicht zielführend. Vielmehr solle ein „Made in Germany“-Bonus gezielt Anreize dafür setzen, in Deutschland zu investieren, führte Scholz aus.

Bevor der Bundeskanzler über mehr als eine Dreiviertelstunde geduldig für Fotos mit den Gästen posierte, ging er noch auf „eines der drängendsten Probleme“ ein: Mehr bezahlbaren Wohnraum könne beispielsweise auch dadurch erreicht werden, dass von der Privatwirtschaft etablierte Bürokratie abgebaut werde. „DIN-Normen macht nicht der Staat“, rief er den Zuhörerinnen und Zuhörern ins Gedächtnis.