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Ford-BesuchKanzler Scholz hat in Köln vor allem Wahlkampf im Gepäck

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dpatopbilder - 10.12.2024, Nordrhein-Westfalen, Köln: Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos, l-r), Marcus Wassenberg, Geschäftsführer Ford Werke, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Benjamin Gruschka, Betriebsratschef Ford Deutschland, stehen auf dem Werksgelände von Ford. Bei der Betriebsversammlung will Scholz zu den Beschäftigten sprechen, von denen viele um ihre Jobs bangen. Foto: Christoph Reichwein/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos), Marcus Wassenberg, Geschäftsführer Ford-Werke, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Benjamin Gruschka, Betriebsratschef Ford Deutschland, stehen auf dem Werksgelände von Ford.

Die Ford-Beschäftigten erwarteten den Bundeskanzler mit Hoffnungen, Plakaten und Fahnen. Scholz verteilte zwar warme Worte - Kurzfristig Konkretes gab es aber leider nicht.

Die Hoffnung der rund 8000 Mitarbeiter von Ford war groß, als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstagmorgen um 10 Uhr die Betriebsversammlung des Kölner Autobauers Ford eröffnete. Auf Einladung des Betriebsrates war Scholz nach Köln gekommen und wurde von Betriebsratschef Benjamin Gruschka sowie Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Ford-Arbeitsdirektor Marcus Wassenberg in Empfang genommen. Mit Plakaten, Fahnen und Trillerpfeifen war die Belegschaft zuvor in die Halle W an der Emdenerstraße in Köln-Niehl gezogen, um ihrem Unmut über die schwierige Lage des Autobauers Luft zu machen. Aufgrund des großen Andrangs musste eine zweite Halle geöffnet werden.

Scholz hat vor allem Wahlkampf im Gepäck

Die Erwartungen waren hoch, doch die große Überraschung blieb aus. Eine neue bundesweite Förderprämie für Elektroautos wird es nicht geben. Kanzler Scholz betonte zwar, dass es bei der E-Mobilität keine Rolle rückwärts geben dürfte. Nicht nur Ford haben zwei Milliarden Euro in die Umrüstung des Standorts Köln investiert, sondern auch die gesamte Industrie leiste bei der Transformation eine enorme Kraftanstrengung. Man müsse den Weg weiter gehen, denn es sei der richtige Weg, sagte er im Anschluss vor der Presse.

Scholz versprach, sich für günstigere Energiepreise einzusetzen und so auch die Industrie etwa bei der Batterieproduktion in Deutschland zu unterstützen. Mit Blick auf eine neue staatliche Förderung verwies Scholz zuerst auf die bereits beschlossenen Steuervergünstigungen von Dienstwagen. Darüber hinaus brauche es eine europaweite Verkaufsoffensive für E-Mobilität – entweder über eine Prämie für die Kunden oder indem die Produktion direkt gefördert werde. Das wäre der beste Weg, „weil er dann auch begleitet wird, zum Beispiel von einem Ausbau der Ladeinfrastruktur überall in Europa“. Konkreter wurde der Kanzler nicht.

Es bräuchte eine Entscheidung der EU

Im Klartext könnte das bedeuten: Entweder bekommen Käufer in ganz Europa beim Kauf eines E-Autos eine einheitliche Prämie aus einem Topf der EU. Oder jeder in Deutschland ansässige Autobauer erhält eine staatliche Förderung und kann so die Preise für reine Stromer zugunsten der Kunden senken. Beim bisherigen „Umweltbonus“, der Ende 2023 auslief, gab es für jedes neu gekaufte E-Auto eine Prämie - egal woher der Wagen stammte. Davon profitierten also auch chinesische Hersteller, deren Modelle bereits in der Heimat subventioniert wurden. Damit förderte man bislang also zwar grundsätzlich den Verkauf von umweltfreundlichen Autos, aber stützte nicht die heimische Industrie, die derzeit in Schwierigkeiten ist. Für beide Subventionsmodelle braucht es allerdings eine Entscheidung auf EU-Ebene.

Gesamtbetriebsratschef Benjamin Gruschka dankte Scholz für seinen Besuch und betonte, dass Steigerung der Nachfrage über Kaufanreize das zentrale Thema für Ford sei. „Wir müssen etwas tun, wir müssen die Transformation packen und wir brauchen eine wichtige starke Rahmung der Politik“, sagte Gruschka. Auch ein gesamteuropäischer Ansatz könne Teil der Lösung sei. Der Betriebsrat nannte es „inakzeptabel“, dass Politiker „immer wieder“ das von der EU beschlossene Aus für Verbrennungsmotoren ab 2035 infrage stellen.

Ford-Geschäftsführer Marcus Wassenberg, erst seit dem Sommer im Amt, dankte Scholz ebenfalls. Während der schwierigen Transformation weg vom Verbrenner hin zum Batterieantrieb müssten alle einen Beitrag leisten: Politik, Unternehmen und Sozialpartner. Das sei heute mit dem Besuch ein guter Beleg dafür gewesen.

Diese Stellen fallen weg

Jüngst hatte das Management angekündigt, bis Ende 2027 4000 Jobs in ganz Europa zu streichen. Am härtesten betroffen ist der Standort Köln, wo 2900 Stellen wegfallen sollen. Das ist etwa jede vierte Stelle. Derzeit hat Ford in Köln noch rund 11.500 Arbeitsplätze.

Insgesamt 1000 Jobs sollen in der Administration wegfallen. Dazu gehören etwa Einkauf, Marketing, Verkauf, Personalabteilung oder die IT. Darüber hinaus wird es auch die Produktentwicklung hart treffen. Die Geschäftsführung will hier nochmal 600 Stellen abbauen. In diesem Kernbereich in Merkenich, wo über Jahrzehnte die Ford-Modelle der Zukunft entwickelt wurden, hat Ford bereits in der Vergangenheit harte Einschnitte vollzogen. So wurden bereits von ursprünglich 4000 Beschäftigten schon 1700 wegrationalisiert – und dieser Abbau ist noch nicht einmal vollständig vollzogen. Jetzt sollen eben jene weitere 600 dazukommen.

Mitarbeiter der Ford Werke in Köln demonstrieren in der Werkshalle vor der Betriebsversammlung mit Schildern wie «VW, Thyssen, Ford... gemeinsam streikbereit!».

Mit Plakaten, Fahnen und Trillerpfeifen war die Belegschaft am Morgen in die Halle W an der Emdenerstraße in Köln-Niehl gezogen, um ihrem Unmut Luft zu machen. Aufgrund des großen Andrangs musste eine zweite Halle geöffnet werden.

Ford baut in Köln die Elektroautos Explorer und Capri. Beide Modelle verkaufen sich schleppender als erwartet. Wie die gesamte Branche hat auch Ford unter der Flaute beim E-Auto-Absatz zu leiden. Und so hat das Unternehmen seinen Beschäftigten auch noch Kurzarbeit verordnet, die noch bis ins Frühjahr weitergehen könnte.

Applaus am Ende

Dementsprechend aufgeheizt war die Stimmung in der Versammlung, zu der die Presse nicht zugelassen war, laut Teilnehmern. „Olaf, ohne Wahl wär'n wir Dir egal“, riefen einige Beschäftigte mit Bezug auf die anstehende Bundestagswahl, in der die SPD auch um die Stimmen der Industrie-Arbeiterschaft wirbt. „Kein Labern mehr“ und „Streikbereit“ stand auf Plakaten. Der Frust der Belegschaft richtete sich gegen das Management, aber eben auch gegen die Politik. Trotzdem wurde Scholz am Ende seines Besuchs mit Applaus verabschiedet.