Lars Dietrich ist seit März am NaturGut Ophoven und will den Besuchern vermitteln, dass Umweltschutz keine Belastung ist, sondern das Leben besser macht.
Interview mit Lars Dietrich„Bei Leverkusen denkt man erst einmal nicht an Naturschutz“
Herr Dietrich, welche Vorstellung hatten Sie von Leverkusen, bevor Sie im März ihre Stelle am NaturGut Ophoven angetreten haben?
Lars Dietrich: Ich war als Jugendlicher einmal hier im Stadion, mehr kannte ich nicht. Aber man hat natürlich von Bayer gehört. Meine Vorstellung war schon davon geprägt: Ok, das ist eine riesige Industriestadt und dann kennt man noch den Fußballverein.
Eine Stadt, in der Naturschutz nicht an erster Stelle steht.
Nein, an Naturschutz denkt man da erst einmal gar nicht.
Wie kam es, dass sie dennoch hier gelandet sind?
Ich habe ein paar Umwege genommen. Ich bin Wissenschaftler, und habe mich als Ökologe und Botaniker mit Wald beschäftigt. Nach der Promotion habe ich mich für den Einstieg als Lehrer für Biologie und Chemie entschieden. Dann habe ich aber schnell gemerkt, dass das Lehramt nichts ist, worin ich dauerhaft arbeiten möchte.
Warum nicht?
Ich halte das Schulsystem für ineffizient. Meiner Meinung nach ist das ganze System nicht an die Schüler angepasst, sondern eher an die Leute, die es verwalten. Also habe ich mich nach anderen Stellen umgeschaut und die am NaturGut passte perfekt. Hier wurde jemand mit ökologischem Hintergrund aus der Wissenschaft gesucht, aber auch mit Erfahrung in der Bildung.
Wie hat sich ihr Bild von Leverkusen seitdem gewandelt?
Ich merke schon, dass in Leverkusen auch viel an die Umwelt gedacht wird. Die Stadt unterstützt das NaturGut finanziell ja stark und Politiker betonen immer die Bedeutung dieses Ortes. Die Hochwassersanierung ist für uns auch die Chance, uns moderner aufzustellen. Aktuell sind wir aber in der Situation, dass wir durch die Schäden und Baustellen in unserer Arbeit behindert sind. Gleichzeitig wird das Thema Klimawandel und Umweltbildung immer wichtiger. Wir stecken in der Zwickmühle, dass wir immer mehr machen wollen oder uns in der Verpflichtung sehen, auch immer mehr zu machen, es aber nicht leisten können, weil wir da zu wenig personelle Ressourcen haben.
In Leverkusen wird in letzter Zeit immer an Einzelbeispielen viel diskutiert, wie etwa der Milleniums-Eiche, die nur wenige hundert Meter von hier entfernt steht und für den Umbau eines Kreisverkehrs fallen soll. Sind solche Diskussionen dem Umweltschutz dienlich oder sollte es mehr um das große Ganze gehen?
Erst einmal zeigt die Diskussion, dass den Menschen diese Themen immer wichtiger werden und dass sie sich sehr dafür einsetzen. Natürlich hängt man sich an solchen Themen gerne ein bisschen auf und dann werden sie in gewisser Hinsicht auch irrational. Aber für mich drückt das sehr schön aus, dass die Leute einfach nicht mehr bereit sind, hinzunehmen, dass die Natur immer weiter eingeschränkt und zerstört wird. Das finde ich grundpositiv in der Situation, in der wir sind. Und das wird dadurch auch der Politik immer klarer.
Was heißt das für die Eiche?
Also wenn der Umbau einen verkehrstechnischen Erfolg bringt, und das nicht für die Autos, die dann besser durchkommen, sondern es für Radfahrer und Fußgänger sicherer wird, dann halte ich es für vertretbar, dass der Baum weggemacht wird. Ein Umpflanzen wäre ein wahnsinniger Akt, der unverhältnismäßig viel Geld kostet. Das halte ich nicht für sinnvoll, davon kann man besser anderswo ein Stück Wald aufforsten oder das Geld in andere Umweltprojekte stecken.
Wo muss sich Leverkusen in Sachen Umweltschutz dringend verbessern?
Seit ich hier bin, wird viel über die Gründe des Hochwassers diskutiert. Die Stadt muss dringend für den Klimawandel fest gemacht werden. Das bedeutet: Es müssen Flächen geschaffen werden, die nicht bebaut, sondern einfach in Ruhe gelassen werden. Es braucht Flächen für Wasser, wo es in trockenen Zeiten gespeichert und in Hochwasser-Situation aufgefangen werden kann. Es müssen Flächen entsiegelt werden, damit das Wasser versickern kann. Und auch bei Hitze: wo Sonne auf Asphalt scheint, erhitzt sie noch einmal locker um acht bis zehn Grad stärker.
Was ist das Wichtigste, was sie Besuchern im NaturGut vermitteln wollen?
Die größte Bedrohung für die Menschheit ist neben dem Klimawandel meiner Meinung nach das Artensterben. Darüber müssen wir sprechen, mir ist aber vor allem auch wichtig, dass wir den Kindern, Jugendlichen auch den Erwachsenen, die zu uns kommen, eine Perspektive vermitteln und Hoffnung machen, dass das Schlimmste auf jeden Fall noch zu vermeiden ist. Umweltschutz wird häufig als Einschränkung und Belastung wahrgenommen, tatsächlich aber birgt ein Umbau der Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit ein riesiges Potenzial, das Leben der Menschen einfach so viel besser zu machen. Dieses positive Gefühl wollen wir vermitteln.
Hans-Martin Kochanek wird als Leiter des NaturGuts bald in Rente gehen. Sie als sein Stellvertreter wären ein logischer Nachfolger.
Natürlich reizt mich das. Mein aktueller Stand ist, dass die Stadt die Stelle offiziell ausgeschrieben hat und ich denke, ich werde auch eine Bewerbung abgeben.
Zur Person: Lars Dietrich, 34, ist in Meschede im Sauerland aufgewachsen. Er hat seinen Bachelor in Biologie und Chemie an er Universität Münster, den Master in Ökologie und Dr. phil der Botanik an der Universität Basel gemacht. Außerdem ist er staatlich geprüfter Gymnasiallehrer für Biologie und Chemie und zertifizierter Betriebswirt. Dietrich ist nicht verheiratet und hat keine Kinder.