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Inklusion in LeverkusenTrotz Rechtsanspruch: Kein Kita-Platz für Kind mit Einschränkungen

Lesezeit 5 Minuten
Mutter und Tochter: Kind mit Behinderungen bekommt keine Platz in einer Kita

Mutter und Tochter: Kind mit Behinderungen bekommt keine Platz in einer Kita

Durch Komplikationen bei der Geburt lebt Amelie mit diversen Einschränkungen. Einen Kita-Platz bekommt sie nicht.

Amelie (Name geändert) liegt auf einer Decke am Boden, umringt von Greifspielzeug und hört Kinderlieder. Sie wirkt zufrieden. „Manchmal denke ich, sie langweilt sich, immer nur mit Mama zu Hause“, sagt Carolina S. Denn Amelie kann nicht sagen, ob ihr langweilig ist. Bei der Geburt der heute Zweieinhalbjährigen gab es Komplikationen, durch die sie heute mit diversen Einschränkungen lebt. Vier bis fünf Therapien pro Woche besucht das Mädchen, um ihre geistig und körperliche Entwicklung zu fördern.

Die Mutter sieht Erfolge durch die Therapien, denkt aber, dass es ihrer Tochter noch an etwas anderem fehlt: an sozialen Kontakte zu anderen Kindern. Vor allem deswegen hat sie Amelie frühzeitig für das Kita-Jahr 2023 im städtischen Kita-Planer eingetragen. „Ich habe vorher alle Kitas in der Umgebung angerufen und nachgefragt, ob sie ein besonderes Kind aufnehmen können“, erzählt S. Leicht sei ihr das nicht gefallen, immer wieder ihre Geschichte zu erzählen und Amelies Einschränkungen aufzulisten. Und wenn dann von der anderen Seite direkt ein „Nein“ kommt, fällt es doppelt schwer, den Hörer wieder in die Hand zu nehmen.

Teilweise wurden bauliche Gründe angegeben, teilweise fehlende Erfahrungswerte oder der Personalmangel. „Wir können das nicht leisten“, bekam die Mutter häufig zu hören. „Schließlich hatte ich fünf Kitas auf der Liste, bei denen zumindest eine Chance bestand“, erzählt S. Doch dann die Ernüchterung: Keine der Kitas hat Amelie einen Platz zugesprochen.

Jedes Kind kann in jeder Kita einen Inklusionsplatz erhalten.
Statement der Stadtverwaltung

Kitas, die auf Kinder mit Einschränkungen spezialisiert sind, gibt es in Leverkusen seit vielen Jahren nicht mehr, im Sinne der Gleichbehandlung kann grundsätzlich „jedes Kind in jeder Kita einen Inklusionsplatz erhalten“, bestätigt die Stadt auf Nachfrage. Eltern können im Kita-Planer freiwillig angeben, ob sie für ihr Kind einen Inklusionsplatz brauchen, eine bestimmte Anzahl oder Begrenzung von Inklusionsplätzen gibt es nicht.

Die Kita könne dann vorab im persönliche Gespräch gemeinsam mit den Eltern überlegen, welche Möglichkeiten und Rahmenbedingungen notwendig seien, um einen Platz zur Verfügung zu stellen. Dies könnte zum Beispiel die Beantragung eines Inklusionshelfers beim Landesjugendamt sein. Bei der Personalfindung für die Inklusionshilfe gebe es manchmal Probleme, räumt die Stadt ein.

Es fehlen einheitliche Standards

Carolina S. hätte für ihre Tochter sogar eine Inklusionshelferin an der Hand, eine junge Frau, die bereits als Babysitterin bei der Familie ist und Amelie schon kennt. Sie könnte als Inklusionshelferin beantragt werden – dafür bräuchte es aber zunächst einen Kita-Platz. „Am Personalmangel kann es also eigentlich nicht liegen, meine Tochter hätte ja eine 1:1-Betreuung“, sagt die Mutter. Viel mehr hat sie das Gefühl, dass Kitas und Stadt nicht auf Kinder mit Einschränkungen eingestellt sind und sich schnell überfordert fühlen. „Wenn ich mit dem Rollstuhl vorfahre und die Kita-Leitung direkt sagt: Oh nein, das können wir nicht, dann frage ich mich: Wo fängt Diskriminierung an?“ Sie ärgert, dass es keine einheitlichen Werte und Standards an den Kitas und in der Platzvergabe gibt.

Dass Kitas, die regelmäßig viel mehr Anfragen als Plätze haben, sich eher gesunde Kinder aussuchen, kann die Mutter durchaus nachvollziehen. Schon auf dem Spielplatz merkt sie, dass Erwachsene Berührungsängste haben, sich von ihr und ihrer Tochter lieber fern halten und nicht wissen, wie sie reagieren oder was sie sagen sollen. „Kinder sind da ganz anders, die kommen auf sie zu und sagen so Sachen wie: Ach, du hast aber schöne Schuhe.“ Natürlich würden Kinder auch fragen, warum sie noch nicht läuft oder spricht, das sei vollkommen normal und richtig. Sie beschäftigen sich mit ihrer Tochter.

„Ich glaube, dass das ganz wichtig für sie wäre, von anderen Kindern umgeben zu sein.“ Sie besuchen auch Spielgruppen mit anderen besonderen Kindern, aber das ist nicht der Alltag. Den erlebt Amelie vor allem mit ihren Eltern zu Hause und in Therapien.

Als Mutter von einem besonderen Kind wird man schräg angeschaut, wenn man sagt, dass man wieder arbeiten möchte.
Carolina S.

Um das zu ändern, hat die Familie nach den Absagen im April 2023 einen Rechtsanspruch eingelegt. Seit 2013 besteht für Kinder nach ihrem ersten Geburtstag ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Wer auf dem normalen Weg keinen Platz erhält, kann das Formular bei der Stadt einreichen. Diese hat dann sechs Monate Zeit, um einen Platz zu organisieren, gelingt das nicht, hat die Familie das Recht, gegenüber der Kommune Anspruch auf Verdienstausfall und gegebenenfalls weiteren Schadenersatz geltend zu machen. Denn natürlich würde auch Carolina S. gerne wieder ihrem Beruf nachgehen.

„Auch wenn man als Mutter von einem besonderen Kind schräg angeschaut wird, wenn man diesen Wunsch äußert.“ Mehrere hundert Rechtsansprüche laufen jedes Jahr bei der Stadt auf, regelmäßig wird kommuniziert, dass diese innerhalb der sechs Monate abgearbeitet werden, zu einer Klage sei es bislang nicht gekommen.

Suche im Leverkusener Umland

Familie S. allerdings hat im Oktober – nach Ablauf der sechs Monate – eine telefonische Absage bekommen. Das Gespräch war zwar nett, aber ergebnislos: Es konnte kein Platz für Amelie gefunden werden. „Im Rechtsanspruch gibt es keine Unterschiede in der Versorgung mit einem Kindergartenplatz, hier gilt das Gleichheitsprinzip“, sagt die Stadtverwaltung auf Nachfrage. Grundsätzlich müssten die Eltern in dem Verfahren auch keine Diagnostik oder weitere Informationen benennen.

Familie S. ist aber daran gelegen, dass ihre Tochter in einer Kita willkommen ist, ihre gesundheitliche Situation zu verschweigen, um möglicherweise bessere Chancen auf einen Platz zu haben, scheint da nicht zielführend. Mittlerweile schauen sie sich auch in den umliegenden Kommunen nach einer geeigneten Kita um, der Fahrtweg wäre in dem Fall zweitrangig.

Dennoch will Carolina S. auch in Leverkusen weiter für einen Kita-Platz für ihre Tochter kämpfen. Und vor allem auch dafür, dass Eltern von besonderen Kindern, die ohnehin schon viele Sorgen haben, das nicht auch noch tun müssen.