Dass die Eisenbahn Opladen wesentlich geprägt hat, ist gemeinhin bekannt. Dass von dort aus Straßenbahnen und Güterzüge nach Lützenkirchen rollten, weniger.
Lokale EisenbahngeschichteOpladen und Lützenkirchen verband einst mehr als die heutige L219
Ein halbes Jahr voll intensiver Arbeit liegt zurück. Viele Akten aus dem Duisburger Landesarchiv hat er gewälzt und dabei knapp 900 Seiten Material durchforstet. Am kommenden Montag, 21. Oktober, präsentiert Eisenbahnhistoriker Kurt Kaiß nun erstmalig das Ergebnis seiner Bemühungen: Entstanden ist ein Heft, das auf 76 Seiten detailliert die Geschichte der Kleinbahn Opladen-Lützenkirchen beschreibt. Es trägt den Titel „Zwischenhalt“.
Bisher habe es nur oberflächliche Veröffentlichung gegeben, die sich mit der Strecke, der Existenz der Kleinbahn und deren Zweck auseinandergesetzt hätten, erklärt Kaiß. Sein fünftes Heft in der Reihe zur bergischen Eisenbahngeschichte liefere nun insbesondere zeitgeschichtliche Zusammenhänge, die den Kontext der Inbetriebnahme und Unterhaltung der Kleinbahn begreiflich machen würden, so Kaiß weiter.
Leverkusener Unternehmen als entscheidender Faktor
Vor über 100 Jahren, genauer gesagt am 9. April 1914, wurde die Schienenverbindung zwischen Opladen und Lützenkirchen eröffnet. Der preußische Staat hatte sich das Ziel gesetzt, die Infrastruktur in unterentwickelten Gebieten zu fördern und im Zuge dessen schlussendlich auch die Konzession für den Betrieb der „nebenbahnähnlichen Kleinbahn“ erteilt. Nichtsdestoweniger müsse man heute konstatieren: „Ohne die damals in Neucronenberg ansässige Schraubenfabrik ‚J.J. Tillmanns‘ wäre die Eisenbahnlinie nicht gebaut worden“, ordnet Kaiß ein.
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Die Firma habe nicht zuletzt wegen der herausfordernden topografischen Lage im Bergischen Land und trotz eines zwischenzeitlich bestehenden Drahtseilbahnanschlusses an die „Balkanlinie“ stets Schwierigkeiten mit der Anlieferung und dem Abtransport von Gütern gehabt. Der damals amtierende Landrat Adolf Lucas sah in dieser Gesamtkonstellation die Chance, sowohl das „arme“ Lützenkirchen als auch die Tillmann'sche Fabrik verkehrstechnisch besser anzubinden, erläutert der Eisenbahnhistoriker.
Ab 1955: Busse statt Straßenbahnen
Mit dem Bau der Schienenverbindung sei zudem die Hoffnung verbunden gewesen, dass sich in der Gegend weiteres Industriegewerbe ansiedele, so Kaiß. Nichtsdestoweniger habe die Strecke leider „nur ein paar gute Jahre“ gehabt. Der Erste Weltkrieg, die anschließende alliierte Rheinlandbesetzung, die 1929 beginnende Weltwirtschaftskrise, der Zweite Weltkrieg und der allgemeine technische Fortschritt hätten dem Betrieb der Kleinbahn mit ihren unterschiedlichen Auswirkungen zugesetzt.
„Für die Bewohner von Lützenkirchen war die Straßenbahn sehr wichtig“, betont der seit 30 Jahren zur Eisenbahn forschende Kaiß. Sie habe die Anbindung in die damalige Kreisstadt Opladen und damit die kulturelle Teilhabe gewährleistet. Trotz dieses Umstandes und der Umstellung auf einen Viertelstundentakt in den 1950er-Jahren sei die Zahl der beförderten Personen zunehmend gesunken. Nach einem einstimmigen Beschluss des Rhein-Wupper-Kreises wurde der Betrieb 1955 eingestellt. Ab diesem Zeitpunkt verkehrten Omnibusse zwischen Opladen und Lützenkirchen.
Güterverkehr ab 1963 „verkehrsgefährdend“
Bis 1963 bestand noch der Güterverkehr für die Firma Tillmanns fort. Doch nachdem der Ausbau der Lützenkirchener Straße beschlossen worden sei, hätten die zuständigen Behörden das dort liegende Gleis als verkehrsgefährdend eingestuft, berichtet Kaiß. Heute seien von der Anschlussbahn kaum mehr Spuren zu entdecken. Lediglich eine Brücke über den Wiembach erinnere noch an ihren Verlauf.
Die intensive Recherche habe auch Dinge zu Tage gefördert, die er vorher nicht gewusst und erwartet habe, erinnert sich der Eisenbahnhistoriker. So sei er beispielsweise erstmals auf die dokumentierten Umweltschäden auf dem Gelände des Opladener Gleisdreiecks aufmerksam geworden, die durch die illegale Entsorgung von Industrieabfällen der Firma Pintsch Öl entstanden seien.
„Forschungshighlight“: Entdeckte Umweltschäden in Leverkusen
Im Jahre 1953 hätten 222 Kesselwägen auf der damaligen Müllkippe Altöl entsorgt, führt Kaiß aus. Pro Wagen seien das 15 Tonnen Öl gewesen. Bis heute sei das Gelände kontaminiert und giftige Säureharze würden dem Boden entweichen. „Da habe ich gestaunt“, gesteht der Eisenbahnfreund. Eigentlich kenne er speziell das Gelände rund um den Opladener Bahnhof durch andere Rechercheprojekte sehr gut. Deswegen sei dies eines seiner „Forschungshighlights“ gewesen.
Ungeachtet solcher eklatanten Umweltsünden, blicke er etwas wehmütig auf die damalige Entscheidung, die Kleinbahn Opladen-Lützenkirchen stillzulegen. Damals habe es keine Alternative gegeben. Den fehlenden Weitblick hinsichtlich einer ökologischen Transformation könne man den Entscheidungsträgern von einst nicht vorwerfen. Dennoch: „Sowas wie die Balkantrasse hätte unter jetzigen Gesichtspunkten niemand stillgelegt“, ist sich Kaiß sicher.
Vortrag:
Am Montag, 21. Oktober, hält Kurt Kaiß im katholischen Pfarrheim St. Maurinus in Lützenkirchen um 19.30 Uhr einen Vortrag über Geschichte der Kleinbahn Opladen-Lützenkirchen und sein Heft, das Astrid Kaiß verlegt hat. Ausgerichtet wird die Veranstaltung vom Verkehrs- und Verschönerungsverein Lützenkirchen und Quettingen. Der Eintritt ist frei. Spenden sind erbeten.