Der Angeklagte bestreitet alles. Aber wie kommt seine DNA auf Kleidung, die beim Überfall getragen wurde?
Mann von Auto mitgeschleiftProzess um Raubüberfall auf Leverkusener Kiosk
Augenzeugen waren geschockt. Und haben die Szenerie am Tag nach Weihnachten 2019 auf der Dönhoffstraße noch vor Augen, obwohl das Ganze jetzt schon gut viereinhalb Jahre her ist: Am 27. Dezember gegen 11 Uhr hörte man plötzlich laute Stimmen, dann raste ein silbergrauer Opel Kombi über die Straße. An der Fahrerseite klammerte sich ein Mann fest, nach 60, 70 Metern konnte er sich an dem immer weiter beschleunigenden Wagen nicht mehr halten, fiel auf die Fahrbahn und verletzte sich schwer. So schildert es Dieter Streifeneder.
Der Leichlinger hat von seinem Büro freie Sicht auf die Dönhoffstraße. Nachdem der Mann „praktisch von dem Auto abgefallen“ war, sei er rausgelaufen. „Ich dachte erst, dass der tot ist.“ Zuvor war der Mann noch gegen einen geparkten Smart geprallt. In dem Auto saßen zwei Männer, die Minuten zuvor den Kiosk in der Dönhoffstraße 7 überfallen hatten. Und der Mann, den sie dann ohne Rücksicht auf Verluste abschüttelten, war ein Angestellter des Kiosks 3 H Com.
Die Beute lag um 20.000 Euro
Den Mann hatten die laut Anklage mit Pfefferspray attackiert, in die Ecke gedrängt, sodann den Stahlschrank ausgeräumt. In dem lagen große Summen, weil in dem Kiosk Geldtransfers für Ria und Money-Gram abgewickelt werden. Die Beute beziffert die Staatsanwaltschaft auf 19.000 bis 21.700 Euro. Das Fluchtauto mit den kurz zuvor gestohlenen Kennzeichen rammte kurz vor der Ecke Moskauer Straße noch einen Pfosten, verschwand dann aber zunächst spurlos.
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Am Mittwoch begann die 17. Große Strafkammer am Kölner Landgericht mit der Aufarbeitung des Geschehens. Nur einer der mutmaßlichen Täter sitzt auf der Anklagebank: Dejan C. (Name geändert), ein gerade 25 Jahre alter Kölner mit Wurzeln in Montenegro. Zur Tatzeit war er 20. Der junge Mann im weißen Hemd gibt sich unbefangen vor den Richtern. Denn: „Er ist komplett unschuldig und war auch nicht dabei“, gibt sein Verteidiger Claus Eßer zu Protokoll.
Der Angeklagte will das Auto Tage vor dem Überfall verkauft haben
Er habe den Opel Kombi kurz vor Weihnachten 2019 von einem Bekannten für 2000 Euro gekauft und schon einen Tag später weiterverkauft. An einen gewissen Marco, an den Nachnamen kann er sich nicht erinnern – einen schriftlichen Kaufvertrag gebe es auch nicht. Nur eine Handynummer. Ein paar hundert Euro Plus habe er bei dem Deal mit jenem Marco aus Serbien gemacht: ein willkommener Zuverdienst, so kurz vor Weihnachten, sagt der Angeklagte.
Zwischen Kauf und Verkauf habe er das Auto innen ein bisschen saubergemacht, geht Dejan C. ins Detail – und dabei einen Pullover angezogen, der dem Vorbesitzer gehört habe. Der habe das Ding nicht mehr gebraucht; er habe ihn übergestreift, um sich nicht schmutzig zu machen beim Hantieren in dem Opel. Klar, dass es DNA-Spuren von ihm gibt an dem Pulli, der sich später als schwarzer Hoodie der Größe XL entpuppt.
Hoodie und Sturmhaube mit DNA des Beschuldigten
Während sich der Angeklagte zu dem Hoodie – er wurde nach dem Raubüberfall gefunden – ausführlich äußert, kommt zu einem weiteren Kleidungsstück aus dem Auto nichts: An einer Sturmhaube, die in der Mittelkonsole lag, wurde ebenfalls DNA von Dejan C. gefunden. „Was können Sie uns dazu sagen“, fragt Harald Helmes, der Vorsitzende Richter. Keine Antwort.
Ein von der Polizei abgehörtes Gespräch mit einer Bekannten, in der die sich darüber beschwerte, nicht die versprochenen Schuhe von Gucci zu bekommen, spielt der Angeklagte herunter: Das seien Schuhe aus dem Outlet gewesen, „nichts, das 1000 Euro kostet“. Keine Reaktion gibt es auf seine Bemerkung am Telefon, er könne jetzt nicht so teure Sachen kaufen. Dann würde auffallen, dass er plötzlich zu viel Geld gekommen ist. Zur Zeit des Raubüberfalls arbeitete Dejan C. in einem Laden der Bekleidungskette Bershka, 25 Stunden pro Woche. Da wird man nicht reich.
Als er ein paar Wochen nach dem Raubüberfall von der Polizei angerufen und beschuldigt wird, in Wiesdorf einen Kiosk überfallen und einen Mann schwer verletzt zu haben, sei er „schockiert“ gewesen, sagt Dejan C am Mittwoch. Zur Tatzeit sei er daheim gewesen. Sein Arbeitgeber hat Urlaub vermerkt, der Angeklagte meint, krank gewesen zu sein.
Die Polizei ist indes sicher, bei Dejan C. an der richtigen Adresse zu sein. Seine Wohnung wird durchsucht, am 16. Januar wird er ausführlich zu dem Raubüberfall vernommen. Auch der Staatsanwalt glaubt dem Angeklagten nicht: „Ich kann nur nachdrücklich empfehlen, die Einlassung noch einmal zu überdenken.“ Es gebe ja noch weitere Zeugen und Beweismittel.
Was allerdings fehlt, ist das Video von dem Überfall. Es sei bei der Polizei nicht mehr aufzufinden, heißt es. Und der Angestellte des Kiosks, der so schwer verletzt wurde an jenem 27. Dezember 2019 ist irgendwo in Indien. Und ebenfalls nicht auffindbar.