Schwangere Frauen haben in Leverkusen Not, eine Hebamme zu finden. Und die freien Hebammen haben weniger Zeit als früher für die Frauen.
„Ich brauche eine Hebamme!“Schwanger sein in Leverkusen – Schon geht die Suche los
Emine Bodenstein lacht herzhaft: „Nach der 12. Woche?!? Das ist viel zu spät.“ Häufig warten Frauen die ersten drei Monate einer Schwangerschaft ab, bevor sie die freudige Botschaft an Freunde oder Verwandte verkündeten, schließlich kann gerade in den ersten Wochen noch viel schiefgehen. Aber erst mal zurücklehnen und abwarten, das kann man sich heute nicht mehr leisten, weiß die Hebamme. „Ich finde es schrecklich, dass ich das sagen muss: Aber es bleibt Frauen heute nichts anderes mehr übrig, als sich direkt nach dem positiven Test um eine Hebamme zu kümmern.“
So ging es auch Denise H. „Ich wusste durch eine Kinderwunschbehandlung sehr früh, dass ich schwanger bin. Und mein erster Gedanke war nicht: Lebt das Kind? Ist alles in Ordnung? Sondern: Ich brauche eine Hebamme!“
Wertvollen Platz früh ergattert
Schon in der fünften Schwangerschaftswoche meldete sie sich bei Bodenstein – und bekam gerade so noch einen Platz. Wie wertvoll dieser für sie werden würde, merkt sie erst später im vollen Ausmaß.
„Für Geld kann man diesen Beruf nicht machen“, sagt Bodenstein. Als selbstständige Hebamme arbeitet sich nach eigenen Schätzungen rund 60 Stunden die Woche. Und trotzdem kann sie nicht annähernd so viel Zeit bei den werdenden Müttern und jungen Familien verbringen, wie sie gerne würde. „Früher war ich auch mal eineinhalb Stunden bei einem Hausbesuch und habe die Gebärmutter massiert. Heute kann ich noch maximal zeigen, wie die Frauen das selbst machen können.“
Vorgaben der Kassen engen Hebammenarbeit ein
20 bis 30 Minuten Zeit habe sie für einen Besuch im Wochenbett. „Wenn alles perfekt ist, kann das passen. Aber sobald es Probleme gibt, fällt etwas hinten runter. Da kann man sich meist nur entweder um das Baby oder die Mutter kümmern“, sagt Bodenstein. Der Grund sind die Vorgaben der Krankenkassen, die sie ohnehin kaum einhalten kann, klagt Bodenstein. „Eigentlich müsste ich die Frauen von unterwegs anrufen und sagen: Ich bin in fünf Minuten da, zieh das Kind schon mal aus!“
Neben den Hausbesuchen vor und nach der Geburt bietet Bodenstein Kurse in ihren Manforter Räumen an: Geburtsvorbereitung, Akupunktur, Fit durch die Schwangerschaft, Pekip oder Beikostberatung. Acht junge Mütter sitzen an diesem Morgen im Gruppenraum. Vor ihnen liegen ihre vier bis fünf Monate alten Babys. Babymassage ist an diesem Morgen angesagt. Die sanften Berührungen tun den Babys gut, die Mütter lernen, welche Griffe beruhigend wirken oder bei Bauchschmerzen helfen. Mit nach Hause nehmen sie aber viel mehr: Das Wissen, dass sie nicht alleine sind mit ihren Fragen, Problemen und Ängsten.
Hebammen sind wichtige Netzwerkerinnen
Vernetzen, das ist eines der wichtigsten Anliegen der Hebamme. Früher wurde Wissen und Unterstützung in der Großfamilie weitergegeben, heute leben viele junge Familien räumlich getrennt von den eigenen Eltern, häufig fehlt ein Netzwerk. Die Hebamme ist für viele junge Mütter zur vertrauensvollen Ansprechpartnerin geworden. Deswegen ist sie so wichtig. Und so schwer zu bekommen. Die Nachfrage ist riesig, das Angebot schrumpft stetig.
Doch es gibt Hoffnung. Lena Meeske zum Beispiel. Die 22-Jährige ist im dritten Semester ihres Hebammenstudiums und absolviert aktuell eine Praxis-Einheit bei Bodenstein. „Ich wollte immer schon einen medizinischen Beruf machen“, sagt Meeske. Ärztin wäre dann doch nicht das Richtige gewesen, aber nach einem Praktikum im Kreißsaal wusste sie: „Kinder auf die Welt zu bringen, das ist wunderschön.“ Das will sie machen.
Nach dem Studium will sie wahrscheinlich erst einmal in einem Krankenhaus anfangen. Trotz Schichtdienst gibt es dort zumindest geregelte Arbeitszeiten. Eine freiberufliche Hebamme wie Bodenstein hat eigentlich nie Feierabend. „Irgendwelche Telefonate oder Abrechnungen gibt es eigentlich immer zu machen.“ Und dennoch liebt sie ihren Job. „Es ist einfach superschön, die Frauen kennenzulernen, ihre Bedürfnisse zu kennen und sie zu begleiten“, sagt Bodenstein. Es ist eine intensivere Beziehung als im Krankenhaus, wo man die jungen Familien meist nur wenige Tage oder gar nur Stunden begleitet.
Frauen finden Platz auch für Tabuthemen
Dass das Studium eingeführt wurde, war für Meeske nicht der Grund, Hebamme zu werden: „Ich hätte auch die Ausbildung gemacht.“ Bodenstein findet das Studium allerdings einen längst überfälligen Schritt, um der Bedeutung des Berufes gerecht zu werden. „Da waren wir international ganz weit hintendran.“
Im Babymassage-Kurs werden die jungen Mütter gefragt, was sie beschäftigt. Und da geht es auffällig oft nicht direkt um die Babys. „Über Probleme bei der Geburt zum Beispiel kann man sonst kaum sprechen“, sagt eine Teilnehmerin. Das werde oft als Tabu-Thema wahrgenommen. Schließlich habe man sich ja ein Kind gewünscht.
Die Geburt ist das natürlichste der Welt, heißt es immer. Und: Hauptsache gesund. Aber: Oft ist es für die Mütter doch nicht so einfach. Denise H. etwa litt unter postnatalen Depressionen. „Damit hätte ich nie gerechnet, das ist mein absolutes Wunschkind“, sagt sie. Dass sie eine „traumatisierende Geburt“ hatte, wurde ihr auch erst bewusst, als eine Hebamme im Klinikum sie darauf ansprach.
Hilflos und überfordert sei sie gewesen. „Man will dem Kind alle Liebe geben, aber dafür muss es auch der Mutter gut gehen“, das weiß sie heute. Jetzt geht es ihr besser, auch weil um sie herum sieben Mütter sitzen, die verstehen, was sie meint. „Aber ohne meine Hebamme wäre ich aufgeschmissen gewesen.“