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Hebamme aus Leverkusen„Ich könnte mich klonen und es wäre noch genug zu tun“

Lesezeit 4 Minuten

Emine Bodenstein arbeitet als Hebamme in Küppersteg.

Leverkusen – Seit fast drei Jahren bringt die Corona-Pandemie den Alltag der Geburtshelferinnen ordentlich durcheinander. Emine Bodenstein arbeitet als freiberufliche Hebamme in Küppersteg und klagt darüber, wie sehr sie seitdem mit Technik beschäftigt sei – und das bei der sowieso schon knapp bemessenen Zeit.

Ihren Alltag erschwert seit Anfang Oktober beispielsweise eine neue Vorgabe des Deutschen Hebammenverbands, dem alle Hebammen angehören, die über die Krankenkassen abrechnen. „Zuvor haben wir alle Kurse über Zoom angeboten, die Handhabung ist leicht“, erzählt Bodenstein. Der Verband habe nun angewiesen, auf ein anderes Tool auszuweichen, da die US-amerikanische Firma Zoom nicht mit deutschen Datenschutzrichtlinien konform sei. Die Vorgabe kam vom Bund. „Der Verband hat lange darum gekämpft, dass wir weiterhin mit Zoom arbeiten können“, erzählt die Küpperstegerin, doch Vorgabe ist Vorgabe. Die Begründung kann Bodenstein durchaus nachvollziehen. Problem: Man müsse sich jetzt wieder umgewöhnen und wieder Zeit in neue Technik investieren.

Liste mit kompatiblen Plattformen

Der Deutsche Hebammenverband hat eine Liste mit kompatiblen Tools zur Verfügung gestellt, es werden auch Workshops dazu angeboten. Emine Bodenstein fühlt sich gut unterstützt. Und dennoch: Das sei alles Zusatzarbeit neben ihrem Vollzeitjob. Ohne ihren Mann sei sie aufgeschmissen. „Mein Mann muss mithelfen und mitarbeiten. Ich habe einfach keine Zeit dafür, mich so viel mit Technik zu beschäftigen.“ Alle Kolleginnen ächzten und stöhnten und kämpften mit den gleichen Problemen, sagt Bodenstein.

Der Zeitdruck sei sowieso „immens“: In der Kalkulation der Krankenkassen seien gerade mal 20 bis 30 Minuten für einen Wochenbettbesuch vorgesehen. Sie ist zu Beginn aber nicht selten mehr als eine Stunde da, bei einem schwierigen Fall kürzlich sogar anderthalb Stunden. „Der Zeitfaktor setzt psychisch unter Druck“, schildert Bodenstein.

Emine Bodenstein untersucht den Bauch einer Schwangeren. Viel Zeit kann sie nicht für die ersten Wochenbettbesuche abrechnen.

Mangel bleibt bestehen

Ob das alles dazu beiträgt, den Hebammenmangel in Deutschland zu lindern? Vermutlich nicht. „Es wird einfach nicht besser“, sagt Bodenstein, die seit 1997 praktiziert. Frauen meldeten sich bei ihr bereits mit dem Schwangerschaftstest in der Hand. Kürzlich habe sie einem werdenden Vater aus Leverkusen absagen müssen, der 57 Hebammen angerufen hat: aus Leverkusen, Leichlingen, Burscheid und Köln. „Ich könnte mich klonen, und es wäre noch genug zu tun“, sagt die 53-Jährige.

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Ihre nächste Patientin steht vor der Tür. Tanja Schmitz (Name von der Redaktion geändert) hatte relativ Glück, kann man sagen: Bodenstein war die zehnte Hebamme, die sie in der achten Woche angeschrieben hat. Die 33-Jährige aus Lützenkirchen findet es eigentlich „blöd“, so früh bei den Hebammen anfragen zu müssen. Sie habe auch schon mal eine Fehlgeburt gehabt und habe dann absagen müssen, erzählt sie. Bei der Geburt ihres ersten Kindes habe die damalige Hebamme durchaus versucht, sich Zeit zu nehmen, erinnert sich Schmitz. „Aber man hat an der Atmosphäre schon gemerkt, dass sie unter Druck stand.“

Klinikum bildet aus

Emine Bodenstein aus Küppersteg bildet in Kooperation mit dem Klinikum in Schlebusch Hebammenstudentinnen aus und erzählt, dass so einige Bedenken äußern würden, ob sie unter diesen Bedingungen überhaupt freiberuflich arbeiten möchten. „Wir Hebammen sind sieben Tage die Woche im Einsatz. Wir machen das mit Herzblut, da es eben nicht egal ist, wie wir geboren werden und wie die Betreuung ist. Doch die finanzielle Anerkennung fehlt“, beschwert sich Bodenstein.

Mehr Frauen wollen stillen

Eine positive Entwicklung stellt sie in den vergangenen zehn Jahren bei ihren Frauen fest: Immer mehr Mütter wollten stillen. „Stillen ist keine Frage der Mutterliebe“, betont die 53-Jährige, und immer wieder gebe es Fälle, wo es auch nicht klappt, aber: „Die Tendenz geht immer mehr zum Stillen.“

Klinikum Leverkusen als verbleibendes Geburtskrankenhaus

Auf die Welt kommen können Babys in Leverkusen mittlerweile nur noch im Klinikum, die Geburtsklinik in Opladen hat vergangenes Jahr geschlossen. Die Frauen hätten sich gut verteilt: neben dem Krankenhaus in Schlebusch, das Bodenstein als „gut aufgestellt“ sieht, auch auf Bergisch Gladbach-Bensberg und Köln-Holweide.

Doch die nächsten Probleme stehen den freiberuflichen Hebammen schon ins Haus: die gestiegenen Energiepreise. Wie der Winter wird, weiß Emine Bodenstein noch nicht. Sie hat schon mal vorsorglich acht Heizdecken für die Säuglinge für ihren Kursraum gekauft.