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AnalyseSo viele Wohnungen fehlen in Leverkusen

Lesezeit 4 Minuten
Wohnungsleerstand seit einem Jahrzehnt in der Wilhelmstraße. Foto: Ralf Krieger

Bauen ist derzeit teuer, aber: Diese Wohnungen in der Wilhelmstraße sollen seit einem Jahrzehnt leer stehen, sagt eine Nachbarin.

Die Nachfrage nach günstigem Wohnraum ist explodiert – auch bei der WGL, die nur begrenzt Abhilfe schafft.

Eine Binsenweisheit lautet: Es gibt insgesamt zu wenige Wohnungen in Leverkusen – oder zu viele Menschen, die sich den bestehenden Bestand teilen müssen. Darauf weist jetzt auch das Pestel-Institut hin, das eine Analyse des Leverkusener Wohnungsmarkts im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel erstellt hat. Beide finden, dass die Lösung des Problems allein im Wohnungsbau zu suchen ist. Dabei müsste nicht nur der akute Wohnungsbedarf gedeckt werden, auch alte, abgewohnte Wohnungen müssten zunehmend durch Neubauten ersetzt werden.

1630 Wohnungen fehlten, schreibt das Institut, Leverkusen müsste 750 Wohnungen bauen, und zwar jedes Jahr. Davon ist die Stadt weit entfernt, und auch die Stadt-Tochter WGL trug zuletzt nicht viel dazu bei. Dabei könnte sie mit ihrem Bestand von rund 7000 Wohnungen einiges ausrichten: Das sind acht Prozent des Bestandes in der Stadt.

Leverkusen Leerstand kann lange andauern

Laut aktueller Erhebung seien für Leverkusen 2110 Wohnungen registriert, die leer stehen, 2,5 Prozent vom gesamten Wohnungsbestand in der Stadt. Diese Quote liegt unter dem, was für einen funktionierenden Markt sinnvoll ist. Ein Großteil, 830 Wohnungen, stünden seit einem Jahr oder länger leer, so das Institut, das annimmt, die leeren Wohnungen seien oft nicht mehr bewohnbar, weil sie komplett, also aufwendig und damit teuer saniert werden müssten. Auch der „Leverkusener Anzeiger“ hat mehrfach darüber berichtet. Bis zu einem gewissen Grad lassen sich leerstehende Wohnungen von der Steuer absetzen.

Überprüfen lässt sich diese Behauptung der unbewohnbaren Wohnungen nicht ohne Weiteres. Zum Vergleich: Die WGL, die große Teile ihrer Investitionen in den Erhalt des Bestandes steckt, hatte 2023 eine Leerstandsquote von zwei Prozent. Das seien entweder Wohnungen, die gerade modernisiert würden, sagte WGL-Chef Gerald Hochkamer, als er am Montagabend dem Finanzausschuss die Bilanz der städtischen Tochtergesellschaft für 2023 erläuterte. Oder sie liegen in Häusern, deren Sanierung wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll sei und die deshalb durch Neubauten ersetzt würden.

Bauherren sind sehr verunsichert

Das Pestel-Institut hat beobachtet, dass sich viele Hauseigentümer mit der Sanierung zurückhielten: Die Investition sei oft ein Wagnis, Wohnungsinhaber seien verunsichert. Zum Beispiel wegen Unklarheiten bei Klimaschutz-Auflagen, die womöglich anstehen. Außerdem hapere es bei vielen auch am Geld. Welchen Einfluss die teils stark gestiegenen Mieten auf die Erträge der Vermieter haben, haben die Fachleute vom Pestel-Institut nicht ausgeführt, die Wohnungsanalysen auf ihrer Webseite für 6800 Euro anbieten.

Königsberger Platz Nr. 8, jetzt im Besitz der WGL Foto: Ralf Krieger

Das Wohnhochhaus am Königsberger Platz mit 72 Wohnungen und 5 Gewerbeeinheiten gehört inzwischen der WGL und soll kernsaniert werden. Für die Projekte in der Bodelschwingh- und der Luisenstraße in Manfort fehlen noch die Genehmigungen für die Bauanträge. (Archivfoto)

WGL-Mann Hochkamer nannte eine Zahl: Die Kaltmieten seien in Deutschland seit 2021 von zehn auf 18 Euro gestiegen. Von einem solchen Preisniveau, das sich kaum noch ein Mieter leisten könne, sei man in Leverkusen zwar noch weit entfernt: Hier liege die durchschnittliche Kaltmiete heute bei 9,87 Euro pro Quadratmeter. Aber auch das sei offenkundig für viele viel zu viel: „Die Nachfrage bei uns hat binnen 18 Monaten um 40 Prozent zugenommen“, so Hochkamer. Was ihn nicht wundert: Im Durchschnitt beträgt die Kaltmiete in einer WGL-Wohnung 6,82 Euro pro Quadratmeter.

In Leverkusen gibt es nur halb so viel Fördergeld wie gebraucht wird

Das Pestel-Institut macht als Problem die fehlenden Fördermittel für den Wohnungsneubau, besonders für den sozialen Wohnungsbau aus. Dass dafür zurzeit nicht genug Geld vom Staat zugeschossen wird, beklagt auch – unabhängig von den Erkenntnissen des Instituts – die WGL. Dort wartet man für zwei sozial geförderte Bauprojekte, in der Bodelschwingh- und der Luisenstraße in Manfort, auf die Baugenehmigungen. Der Prozess verzögert sich, weil zu wenig Fördergeld in Leverkusen ankommt. Für Leverkusen stehen zurzeit 9,6 Millionen Euro zur Verfügung, so Hochkamer. Die WGL alleine benötige für die geplanten Sozialwohnungen aber schon mehr als zehn Millionen aus dem Fördertopf.

Zusätzlich greifen viele rein private Bauherren auf die Fördermittel zu, sodass die nicht ausreichen. In Leverkusen, weiß Hochkamer, seien von privaten Bauherren neun Millionen Euro für Sozialwohnungen beantragt. Wer das sei, wisse er aber nicht.

Grundsätzlich ist der Wohnungsbau auch in der Krise, weil der Platz für Neubauten nicht mehr vorhanden ist. Ein einfaches Rechenbeispiel: Wollte man in Leverkusen eine Siedlung für weitere 16.000 Menschen bauen, müsste ungefähr eine Fläche bebaut werden, die der Größe des Bürgerbuschs entspricht. Auf den Platzmangel hat sich auch die WGL eingestellt: Sie baut neue Wohnungen, wann immer es geht, in den Bestand. „Dafür brauchen wir keine teuren, neuen Grundstücke.“

Eine weitere Erklärung für die ausbaufähig erscheinende Neubau-Quote der WGL lieferte Geschäftsführer Hochkamer den Politikern auch noch: Nur fünf Prozent des Bestands seien barrierefrei. Das schaffe angesichts des Durchschnittsalters der Mieter absehbar große Probleme. Umbau sei deshalb genauso wichtig wie Neubau.