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Unheimliche Begegnung in OpladenSportschütze fühlt sich in Leverkusen bedroht und zieht Waffen

Lesezeit 4 Minuten
Das Land- und Amtsgericht an der Luxemburger Straße in Köln

Vor dem Kölner Landgericht wollte ein Sportschütze ein milderes Urteil erwirken. Erfolglos.

Ein 88-Jähriger trifft auf der Bonner Straße auf junge Leute. Bevor die Situation eskaliert, greift die Polizei ein.

War es in Ordnung, zwei scharfe Waffen zu ziehen? Nein, auch wenn ein inzwischen 88 Jahre alter Mann sich offenbar bedroht gefühlt hat an jenem Juniabend in Opladen.

Der Mann hatte auf der Straße eine Begegnung, die nach seinem Empfinden begann, aus dem Ruder zu laufen. Der Fahrer eines BMW hatte an der Ampel auf der Bonner Straße links neben seinem Auto gestoppt. Und zwar so dicht, dass der Senior nicht mehr hätte aussteigen können. Dann habe er seinen Sicherheitsgurt gelöst, so die Schilderung des Mannes.

Der Mann greift in Opladen nach Pistole und Revolver

Seine Reaktion, die ihn schließlich vor Gericht brachte: Aus dem Koffer, der im Fußraum vor dem Beifahrersitz stand, zog er zwei von fünf Waffen, einen Revolver der Marke Smith & Wesson und eine halbautomatische Pistole von Strayer Voigt. Die habe er allerdings keineswegs auf das Auto oder gar die Beifahrerin und den Fahrer gerichtet, sagte 88-Jährige am Mittwoch vor dem Kölner Landgericht. Beide Waffen habe er am Lauf angefasst und nur so hoch gehalten, dass man sie aus dem anderen Auto sehen konnte. Das Signal an die augenscheinlich wesentlich jüngeren Kontrahenten sollte sein: Lasst mich in Ruhe, ich kann mich wehren.

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Zum Äußersten kam es dann nicht mehr. Der BMW-Fahrer stieg nicht aus, sondern rief die Polizei. Die Beamten seien dann reichlich rabiat mit ihm umgegangen, beklagte sich der überaus korrekt wirkende Angeklagte. Einer habe ihm die erhobenen Arme nach hinten gerissen und ihm Handfesseln angelegt. Dann habe er quer über der Motorhaube gelegen. Die Folgen der Polizeiaktion könne man jetzt noch sehen: Der 88-Jährige zeigte im Saal 216 des Gerichts seine Handgelenke vor: Eines ist deutlich dicker als das andere. Klavierspielen könne er seit der Begegnung mit den Polizisten nicht mehr, sagte der Mann. Eine Einschränkung, die den Musiker und Komponisten Thomas Quast ebenfalls schwer treffen würde, wie er bekannte.

Der Angeklagte bildet in Burscheid junge Schützen aus

Das ist aber nur ein Grund, warum er nicht damit einverstanden war, wie Anika Menger das Geschehen vorigen Mai bewertete. Die Amtsrichterin hatte ihn wegen Bedrohung und vorsätzlichen Führens von Schusswaffen zu einer Geldstrafe verurteilt: 60 Tagessätze à 80 Euro sollte er bezahlen. Außerdem bekommt er die Pistole und den Revolver nicht zurück. Obendrein prüfen die Behörden, ob der bisher in jeder Hinsicht unbescholtene Mann seinen Waffenschein behalten kann. Wenn nicht, dürfte ihn das besonders schmerzen: Seit Jahren unterweist er Nachwuchsschützen im Gebrauch mit Waffen. Als er in Opladen unterwegs war, kam er gerade von der Schießanlage in Burscheid.

Allerdings sieht es nach einstündiger Verhandlung vor der 3. Kleinen Strafkammer des Kölner Landgerichts nicht danach aus, dass der Sportschütze mit seiner Berufung Erfolg hat. Dabei hatte Richter Thomas Quast zunächst durchaus Milde walten lassen wollen. „Aus meiner Sicht braucht es da keine Bestrafung.“ Auch wenn das Verhalten des Seniors an jenem Abend „sicherlich nicht in Ordnung war“. Quasts Vorschlag: Der Angeklagte zahlt 3000 Euro für einen guten Zweck, verzichtet auf die beiden Waffen – und das Verfahren gegen ihn wird eingestellt.

Sie haben überreagiert
Thomas Quast, Richter

Nur: Die Staatsanwaltschaft macht da nicht mit. Die Situation an der Ampel sei „nicht bedrohlich“ gewesen für den Mann – auch wenn er das sicherlich anders wahrgenommen habe. Die Pistole und den Revolver zu zücken, das sei ein klarer Verstoß gegen das Waffengesetz. Aus seiner Sicht disqualifiziere das den 88-Jährigen auch als Ausbilder für Schützen. Auch für Richter Quast ist klar: „Sie haben überreagiert.“

Die Kontrahenten zeigen Faust und Stinkefinger

Was der Angeklagte nicht so sieht. Die Aggression sei ganz klar von den Insassen des BMWs ausgegangen. Dessen hintere Seitenscheiben waren dunkel abgeklebt, sodass er nicht habe erkennen können, ob außer der Beifahrerin noch andere, womöglich gefährliche Leute in dem Wagen saßen. Zu dem Kontakt sei es ja nur gekommen, weil aus dem Auspuff des BMW Ölrauch kam. Er habe ihn warnen wollen, dass der Wagen wohl nicht mehr lange durchhalten werde. Die Reaktion: Die Scheibe sei runter gegangen, man habe ihm den Stinkefinger und die Faust gezeigt.

Als man dann an der Ampel mit dem doppelten Linksabbiegestreifen stand, habe er sich bedroht gefühlt. Und: Sein Ausbilder habe ihm seinerzeit eingeschärft, dass man in bedrohlichen oder gefährlichen Situationen durchaus seine Waffe zeigen solle.

Unterm Strich fühlt sich der Waffen-Spezialist ungerecht behandelt. Jetzt hat er drei Wochen Zeit, um mit seinem Anwalt darüber nachzudenken, ob er die Berufung aufrechterhält. Tipp von Richter Quast: „Besser werden Sie wohl nicht wegkommen.“ Seine Leverkusener Kollegin Menger habe im Mai schon das richtige Strafmaß gefunden.