Nach vier Jahren der Vorplanung starteten am Montag die Bauarbeiten am Tierheim Leverkusen.
Tierarztpraxis und WohnraumHier entsteht der Anbau für das Tierheim Leverkusen
Eine Wand kommt von hoch oben aus dem blauen Himmel angeschwebt. „Das ist der Hundezwinger!“, ruft Gerd Kortschlag, die Aufregung in der Stimme ist deutlich herauszuhören. Woran erkennt der Leiter des Leverkusener Tierheims das? „An den Türen“, erklärt Kortschlag. Und tatsächlich: Während das Wandteil am Kranhaken langsam in Richtung Bodenplatte gleitet, sieht auch der Laie, dass die Aussparungen für Menschen viel zu klein sind.
Vier Jahre lang hat Kortschlag diesem Tag entgegengefiebert: Lange Vorplanungen, viele Unsicherheiten, Finanzierung, Bürokratie. Am Montag ist es so weit: Um sieben Uhr morgens werden die ersten, fertig angelieferten Holzwände von Lastwagen auf die Bodenplatte gehoben. Noch am selben Tag sollen alle Außenwände stehen. Zum Glück ist das Wetter ebenso gut wie die Laune der Arbeiter, Kortschlag ist begeistert von der Geschwindigkeit, in der der Bau wächst.
Auf rund 300 Quadratmetern Fläche entsteht direkt angrenzend an das bestehende Haus an der Reuschenberger Straße eine neue Tierarztpraxis. Kortschlag zeigt die Räume auf dem Bauplan: Praxis, OP, Röntgenraum, Ultraschall und mehrere Einzelräume für frisch behandelte oder zu isolierende Tiere.
Bislang gibt es Räume für den Tierarzt, mit dem das Tierheim kooperiert, im Hauptgebäude. Diese sind aber so beengt, dass die Arbeitsbedingungen sehr schwierig sind. Für die neue Praxis sucht das Tierheim bereits per Anzeige nach einem eigenen Tierarzt in Teilzeit. Bis Dezember sollen die Räume bezugsfertig sein.
Auszubildende muss abreisen
Auf einem halben Geschoss über der Tierpraxis entstehen zwei kleine Wohnungen mit 48 Quadratmetern. Auch diese Entscheidung hat eine Vorgeschichte. „Vor vier oder fünf Jahren hatten wir eine Auszubildende aus Goslar“, erzählt Kortschlag. Sie musste ihre Ausbildung nach vier Monaten abbrechen und in die Heimat zurückkehren, weil sie mit ihrem Hund keinen bezahlbaren Wohnraum in Leverkusen finden konnte. „Das soll uns nicht mehr passieren.“ Deswegen sind die Wohnungen auch alleine Mitarbeitenden vorbehalten. „Das hat auch den Vorteil, dass die Bewohner eventuell auch am Abend nochmal nach einem frisch operierten Tier schauen können“, sagt der Tierheimleiter.
In der Praxis behandelt werden nur Tierheimtiere. Bei jedem Tier wird eine Eingangsuntersuchung gemacht und sie werden während ihres Aufenthalts medizinisch überwacht und gegebenenfalls behandelt. Zwei Ausnahmen gibt es: Werden Tiere vermittelt und es tritt innerhalb der ersten 14 Tage ein gesundheitliches Problem auf, etwa eine zuvor unerkannte Krankheit, können die neuen Besitzer noch einmal zur Tierheimpraxis kommen. „Außerdem behandeln wir Tiere von Flüchtlingen, wenn sie hier ankommen“, sagt Kortschlag. Hier geht es vor allem um Erstuntersuchungen und fehlende Impfungen.
Ist die Tierarztpraxis erst einmal in den Neubau eingezogen, werden im Bestandsgebäude dringend benötigte Kapazitäten frei. Aktuell ist das Tierheim sehr gut ausgelastet, vor allem mit sehr vielen Kleintieren. „Vor einiger Zeit mussten wir 20 Ratten aus einer Wohnung retten“, erzählt Kortschlag. „Ein paar Tage später waren es dann 68.“ Auch Kaninchen werden aktuell viele beim Tierheim abgegeben oder ausgesetzt. Kortschlag denkt, dass das eine Corona-Folge ist.
„Als keine Schule war, haben die Kinder ein Kaninchen bekommen und jetzt werden sie lästig.“ Eigentlich hört man das ja eher von den Lockdown-Hunden, das kann Kortschlag für Leverkusen aber nicht bestätigen. Nur provisorisch ausgerüstet ist das Tierheim aktuell für die Aufnahme von Vögeln und Reptilien. Für sie sollen die frei werdenden Räume besser ausgestattet werden.
Bleibt die Frage der Finanzierung des nachhaltigen Baus mit Photovoltaik, Wärmepumpe und begrüntem Dach. 80.000 Euro kommen vom Land, 35.000 Euro vom deutschen Tierschutz, 7500 Euro vom Landestierschutz. Den größten Teil mit rund 700.000 Euro aber muss der Verein Tierschutz Leverkusen aus eigenen Mitteln stemmen.
Das geht nur, weil der Verein vor drei Jahren eine Immobilie in der Schlebuscher Fußgängerzone verkauft hat. Und das zu einem für ihn sehr glücklichen Zeitpunkt – ein Jahr später stand das Haus mitten im verheerenden Hochwasser. „Wenn wir das Haus da noch gehabt hätten, hätten wir Insolvenz anmelden müssen, das hätten wir nicht stemmen können“, sagt Kortschlag. Auch das Haus an der Reuschenberger Straße war damals vom Wasser bedroht. „Wir hatten schon alle Tiere, die wir holen konnten, in die oben liegenden Büros gebracht“, erinnert sich Kortschlag. Dann hat die Wupper aber doch einige Meter vor dem Grundstück haltgemacht.