Die Messerstecherei in Schlebusch war offenbar der Gipfel jahrelanger Streitereien um Geld und Ehre.
ProzessTödliche Familienfehde in Leverkusen – auch der zweite Angeklagte beteuert seine Unschuld
Wo die 18 Messerstiche herkommen, durch die ein 30 Jahre alter Syrer am 18. Februar in Schlebusch zu Tode kam, bleibt auch am dritten Tag des Totschlagsprozesses gegen zwei Landsleute ungewiss. Der ältere der beiden Beschuldigten lässt von seiner Verteidigerin eine Aussage verlesen, die sich ziemlich genau mit der deckt, die sein Bruder zum Auftakt des Verfahrens vor der 11. Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts gemacht hatte. Lediglich zum Zeitablauf gibt es etwas präzisere Angaben. Danach habe das spätere Opfer ab 18.30 Uhr bei ihm angerufen, so der 54-Jährige am Dienstag. Er habe sehr aufgeregt gewirkt. Ein Grund, seinen jüngeren Bruder zu dem Treffen mitzubringen.
Womöglich ein Auftragsmord in Syrien
Schließlich liegt seit Jahren vieles im Argen zwischen den beiden Familien, die durch eine Ehe miteinander verbunden sind. Es geht um Gold, viel Geld, mehrere Häuser, die überschrieben werden sollten. Auch das kristallisiert sich am Dienstag immer deutlicher heraus. Und einen möglichen Auftragsmord in Syrien.
Zurück an die Mülheimer Straße: Es habe mehrere Anläufe gebraucht, bis man sich schließlich gegen 19 Uhr an der Endhaltestelle der Linie 4 in Schlebusch getroffen habe. Dort sei er „überrascht gewesen von der Aggressivität“ des Schwagers, lässt der Angeklagte mitteilen. Die beiden Brüder hätten geglaubt, dass ihr Kontrahent an der Bushaltestelle gegenüber der „Stadtgrenz-Schänke“ etwas versteckt. Womöglich eine Waffe. Eine Bierflasche hätten sie zweifelsfrei erkannt. Das war die, mit der dem jüngeren Bruder später die Kopfverletzung zugefügt wurde. Angesichts der mutmaßlichen Bewaffnung ihres Gesprächspartners hätten auch sie sich gewappnet, so der Ältere: Sein jüngerer Bruder habe „ohne Mühe“ Latten aus dem Jägerzaun eines Hauses an der Mülheimer Straße gebrochen.
Alles zum Thema Amts- und Landgericht Köln
- Prozess nach Messerstich Junger Leverkusener soll Kontrahent mit dem Tod gedroht haben
- Kölner Wegerechtsstreit Straßeneigentümer wehrt sich gegen Umwidmung – Posse geht weiter
- Rheinischer Drogenkrieg 21-Jähriger soll beim Marihuana-Diebstahl beteiligt gewesen sein
- „Keinen Zweifel an Tötungsabsicht“ Richterin begründet geringe Haftstrafe für Rheindorfer Messerstecher
- „Skrupellos“ So begründet der Richter das Mordurteil im Fall Dara K. – wieder Tumult im Gerichtssaal
- Landgericht Köln Frechener soll Kindern für Sex Geld gegeben haben
- A3-Tragödie Kölner Justiz geht offenbar Weg des geringsten Widerstandes
Ein ehrabschneidendes Video
Der Streit sei dann schnell eskaliert. Sein jüngerer Bruder habe versucht, dem Schwager das Handy abzunehmen. Der wollte filmen, wie er die Brüder ehrabschneidend beleidigt. Er, so der Ältere, habe versucht, die kämpfenden Kontrahenten auseinander zu bringen. Ohne Erfolg.
Von den tödlichen Verletzungen in der Ecke eines Parkplatzes neben der Kneipe habe er nichts bemerkt, so der Angeklagte. Dabei war mindestens 18 Mal auf das Opfer eingestochen worden, und es hatte fünf Liter Blut verloren. Auch für den älteren der angeklagten Brüder sei das unerklärlich: „Zu keinem Zeitpunkt“ sei bei der Auseinandersetzung ein Messer im Spiel gewesen. Er sei „vollkommen geschockt“ vom Tod des Schwagers.
Gewalt und immer wieder Streit in der Ehe
Wie aber konnte ein Streit zwischen zwei Familien blutig enden? Dazu geben die Vernehmungen von Angehörigen einige Hinweise. Es ging – neben Geld – um Gewalt in der Ehe, eine mögliche Scheidung und deren finanzielle Folgen für die Ehefrau. Auch die Einreise vieler Familienmitglieder nach Deutschland vor knapp einem Jahrzehnt spielt eine Rolle: Ein Mitglied der Familie der Angeklagten soll Wege geebnet und dadurch Abhängigkeiten geschaffen haben.
Das weiß ein Ehepaar nicht, das am Sonntagabend, 18. Februar, gegen 19.15 Uhr in Schlebusch aus der Straßenbahn stieg und drei, vielleicht auch vier Männer beobachtete, die sich offenkundig ernsthaft stritten. „Das war schon straßenkampfmäßig“, erinnert sich der Zeuge. Die Schlägerei habe sich in Richtung der Kneipe verlagert – er selbst habe sich die beiden Autos zweier Männer gemerkt, die nahebei geparkt waren.
Weil er ahnte, dass die Sache sehr ernst ausgehen könnte, habe er sich ein Kennzeichen gemerkt und der Polizei durchgegeben. Die war von mehreren Augenzeugen alarmiert worden.