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Zwei Männer vor GerichtOpfer der Messerattacke in Leverkusen hatte keine Chance

Lesezeit 3 Minuten
Bushaltestelle gegenüber der Stadtgrenz-Schänke an der Mülheimer Straße in Schlebusch

Ihren Ausgang nahm die Messerstecherei an der Bushaltestelle an der Mülheimer Straße.

Die Rechtsmedizinerin redet Klartext: Die Verletzungen des Opfers in Schlebusch waren tödlich.

Der Mann war erst 30 Jahre alt, gesund und kräftig. Aber er hatte keine Chance: 18-mal hatte ihn der Täter mit dem Messer allein in Kopf, Rücken und Brust gestochen, dabei die Schulter durchtrennt, die Lunge getroffen und ihm weitere große Wunden zugefügt. Als er am Abend des 18. Februar im Klinikum ankam, mussten die Ärzte ihn sofort reanimieren und eine „Massentransfusion“ machen, sagt am Mittwoch Sibylle Banaschak, die Leiterin der Rechtsmedizin an der Kölner Uniklinik. Sie hat den Mann obduziert. Im Klinikum waren dem Mann nach der Messerattacke fünf Liter Blut verabreicht worden: „Das ist das, was man normalerweise im Körper hat“, erläutert die Professorin im Kölner Landgericht. Gleichzeitig nähten die Ärzte die größten Wunden zu.

Es war aber klar, dass diese Mühen vergeblich sein würden. Das Gehirn des Mannes war schon stark geschädigt – bis zu seinem Tod am 1. März ist er nicht mehr aufgewacht. Dass er überhaupt noch so lange lebte, sei nur seiner guten Konstitution zu verdanken, sagt Banaschak.

Im Prozess wegen gemeinschaftlichen Totschlags gegen zwei Cousins aus Syrien hatte sich zunächst nur der Jüngere geäußert. Feras R. (Name geändert) hatte erklärt, dass er an jenem verregneten Sonntagabend mit einem Verwandten aneinandergeraten sei.

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Der Ältere will nur Begleiter gewesen sein

Sein 54 Jahre alter Cousin Rafik L. (Name geändert) will den Jüngeren nur nach Schlebusch begleitet haben. Als der Streit eskalierte, habe er versucht, die beiden „auseinander zu bringen“. Später habe er Feras R. in Köln aufgegabelt: Wegen seiner Kopfverletzung habe es der Jüngere nicht mehr selbst ins Krankenhaus geschafft. So die Darstellung gegenüber der Polizei. Auch Feras R. landete im Klinikum Leverkusen, wie das Opfer.

An der „Stadtgrenz-Schänke“ in Schlebusch war der Familienstreit eskaliert. Zunächst hätten zwei Männer einen Dritten gegenüber an der Bushaltestelle bedrängt. Danach sei er in der „Raucher-Lounge“ der Kneipe gegen eine Plexiglas-Scheibe gedrückt worden. Schließlich habe sich der Kampf nach rechts um die Ecke verlagert, berichtet eine Leverkusenerin, die an jenem Sonntagabend in der Kneipe am Tisch saß. Dort ist ein Parkplatz, dort ist nach den Spuren auf das Opfer eingestochen worden.

Scherben eine Früh-Kölsch-Flasche – aber kein Messer

Eine abgebrochene Flasche hat die Frau gesehen, von einer Zaunlatte wurde ihr nur berichtet. Tatsächlich hatten der Angeklagte und sein Cousin 50 Meter weiter Teile aus einem Jägerzaun. Sie hätten sich bedroht gefühlt, heißt es. Als sonstige Waffe ist in der Aussage des jüngeren Angeklagten lediglich von jener Bierflasche die Rede. Tatsächlich fand die Polizei am Tatort nur die abgebrochene Zaunlatten und Scherben einer 0,33-Liter-Flasche Früh-Kölsch. Aber kein Messer.

Das muss aber eingesetzt worden sein. Anders sind die letztlich tödlichen Verletzungen des Opfers nicht zu erklären. Da ist sich die überaus erfahrene Rechtsmedizinerin Banaschak vollkommen sicher. Mit einer Glasscherbe bekomme man so etwas nicht hin.

Schon am Dienstag hatte Sabine Kretzschmar Feras R. darauf hingewiesen, dass sich seine Darstellung, sich mit einer Bierflasche zur Wehe gesetzt zu haben, nicht zu den medizinischen Befunden passen. Am Mittwoch spricht die Vorsitzende Richterin der 11. Großen Strafkammer diesen entscheidenden Punkt nochmals an: „Das ist mit Ihrer Einlassung nicht in Einklang zu bringen“, wendet sie sich an den jüngeren Angeklagten. Eine Reaktion gibt es nicht.