Knapp 70 Menschen, vorrangig aus der Gesundheitsbranche, diskutierten mit dem Minister – teilweise sehr emotional.
Diskussion im Leverkusener ForumViel Kritik an Karl Lauterbachs Gesundheitsreformen
Werbung für all die Gesundheitsreformen, die seine Ampelkoalition in Berlin angestoßen hatte, wollte Karl Lauterbach am Montagabend im Forum machen. Gekommen waren knapp 70 Menschen: darunter einige Genossen und Leute von anderen Parteien in Leverkusen, vor allem aber waren Vertreter der Krankenhäuser aus der Umgebung da. Das Klinikum und Remigius-Krankenhaus hatten ebenso Zuhörer im Agamsaal sitzen wie das Vinzenz-Pallotti-Hospital in Bensberg oder das Eduardus-Krankenhaus in Köln-Deutz.
Mehrere Apothekerinnen aus Leverkusen, darunter von der Pinguinapotheke, wollten ebenfalls erfahren, was der Minister zum „Gesundheitssystem der Zukunft“, wie der Vortrag betitelt war, zu sagen hatte. Und das war Einiges: Im Schnelldurchlauf zählte der Sozialdemokrat, der von Parteikollegin Nezahat Baradari, Mitglied im Gesundheitsausschuss, begleitet wurde, alle Vorhaben auf, die zurzeit im parlamentarischen Durchlauf stecken.
Leverkusen: Karl Lauterbach über alle die Gesundheitsreformen der Ampelkoalition
Die Krankenhausreform war nur eins davon. Lauterbach zeigte auf, wie das System mittels des 50-Milliarden-schweren Tranformationsfonds umstrukturiert werden soll. Zur Erinnerung: Werden zurzeit Fallpauschalen bezahlt, sollen sich die Krankenhäuser künftig nur noch zu 40 Prozent darüber finanzieren. 60 Prozent sollen über eine Vorhaltepauschale kommen: Das Krankenhaus bekommt also Geld dafür, dass es bestimmte Angebote vorhält. Das soll den Druck senken, möglichst viele Fälle zu behandeln – soweit der Plan. Ferner sollen sich die Kliniken stärker spezialisieren, es soll nicht mehr jedes Haus alle Leistungen anbieten. Acht Milliarden Euro gebe es darüber hinaus an Zuzahlungen, zum Beispiel für die Geburtshilfe. „Wir müssen raus aus dem Hamsterrad der Ökonomisierung“, betonte Lauterbach.
Damit war das Thema abgehakt, der Bundestagsabgeordnete für Leverkusen und Köln-Mülheim berichtete von seinem Plan, die Notfallversorgung zu reformieren, indem man Praxen in die Ambulanzen integriert. Die seien zurzeit überfüllt, knapp 30 Prozent gehörten gar nicht in eine Akutambulanz, erklärte er. Bei den Hausärzten soll eine „Entbudgetierung“ dafür sorgen, dass sie alle Leistungen honoriert bekommen.
Karl Lauterbach wies ferner auf die Einführung der E-Akte hin, die 2025 kommen soll. Weniger als fünf Prozent aller Versicherten würden derzeit das „Opt-Out“-Verfahren wählen, die E-Akte also ablehnen, sagte er. „Kein Land wird im Gesundheitssektor gerade so schnell digitalisiert wie Deutschland. Wir sind spät eingestiegen, jetzt aber schnell unterwegs“, betonte der Minister.
Er riss noch das „Gesunde-Herz-Gesetz“ an, mit dem Risikoerkrankungen früher sichtbar werden sollen; unter anderem soll es für Kinder ein neues Screening für Fettstoffwechselstörung geben. Dann soll die Lebendorganspende vereinfacht, ein neues Bundesinstitut für Prävention ins Leben gerufen werden und ein neues Pflegekompetenzgesetz den Pflegekräften – je nach ihrer Qualifikation – mehr Befugnisse geben.
Um die Krankenhausreform ging es bei der anschließenden Debatte nur noch am Rande. Dafür kritisierten mehrere Apothekerinnen Lauterbachs Pläne für ihre Branche. Schon jetzt fänden Apotheker keine Nachfolger, man wolle ja die vorgesehenen pharmazeutischen Dienstleistungen anbieten, es fehle nur an Personal. Ein anderer kritisierte Lauterbachs Vorhaben, mehr Telemedizin zu ermöglichen. Der hielt dagegen: „Was ist an der Beratung in der Apotheke so spezifisch, dass das nicht geht?“ Telemedizin reiche weit und sei komplex. Er glaubt, es sei nur die Angst, dass nachher keine Apotheker mehr vor Ort wären, sondern nur Assistenten.
Geburtshilfe: Branche kritisiert hohe Kaiserschnittzahlen in Deutschland
Wie Lauterbach denn die Zahl der Kaiserschnitte, die mit knapp 30 Prozent in Deutschland recht hoch sei, wieder senken wolle, wollte eine Mitarbeiter vom Vinzenz-Pallotti-Hospital wissen. Eine Vertreterin vom Förderverein des Geburtshauses Köln monierte, dass es doch gerade die SPD gewesen sei, die vor knapp 20 Jahren die Fallpauschalen eingeführt habe. Damals sei das als das Beste angepriesen worden: Was werde man in 20 Jahren über die aktuelle Reform von Lauterbach sagen?
Nicht alle Interessierten schafften es, ihre Fragen an den Gesundheitsminister zu platzieren, pünktlich um 20 Uhr war Schluss. Es sei enttäuschend wenig um die Krankenhausreform gegangen, befand Thomas Karls, Geschäftsführer des Remigius-Krankenhauses in Opladen. Seine größte Sorge: dass die Folgenabschätzung fehlt und Deutschland eine unkontrollierte Schließung in der Krankenhauslandschaft bevorsteht. „Wir wissen letztendlich nicht, was auf uns zukommt.“