Die Leverkusener Ausländerbehörde schiebt 2024 deutlich mehr Migranten ab als 2023. Nicht immer geht das geräuschlos vor sich.
AusländeramtLeverkusen schiebt deutlich mehr Migranten ab
Dienstag, 1. Oktober, in der Kanalstraße in Opladen: Ein Mann steht am frühen Morgen im zweiten Stock des Hauses Kanalstraße 6 im geöffneten Fenster, ein Bein hat er bereits über die Unterkante des Fensterrahmens gehoben. Mit einer Hand hält er sich am Fensterrahmen fest, mit der anderen hält er sich ein Messer an den Hals. Er droht, sich umzubringen. Unter ihm auf der Straße haben Feuerwehrleute ein Sprungtuch ausgebreitet. Polizisten haben die Kanalstraße ab der Mittelstraße abgesperrt, Mitarbeiter des Ausländeramtes sind ebenfalls im Einsatz.
Der Grund für das verzweifelte Verhalten des Mannes ist offenbar seine bevorstehende Abschiebung. Nachbar Claus Knebel wird am frühen Morgen von dem Lärm auf der Straße wach, ebenso wie weitere Nachbarn. „Das zog sich stundenlang hin, von 5 bis 8 Uhr“, so Knebel. Schülerinnen und Schüler, die gegen 8 Uhr an der Grundschule Herzogstraße ankommen, bleiben nicht auf dem Schulhof, sondern werden von ihren Lehrerinnen und Lehrern direkt in die Klassen geführt. Ein Psychologe der Polizei redet mit dem Mann im Fenster. Schließlich gibt dieser auf und kommt in ärztliche Obhut. Nach Auskunft der Polizei, die das ganze Geschehen als versuchten Suizid wertet, befindet er sich in einer Klinik.
Leverkusen: Mann soll seit vier Jahren in der Stadt leben
Von Seiten der Stadt heißt es auf Nachfragen nur, dass die Ausländerbehörde in dem Fall in der Kanalstraße involviert gewesen sei. Weitere Auskünfte lehnt sie mit Hinweis auf den Datenschutz ab. Bei dem Mann soll es sich um einen jungen Iraker handeln, der seit vier Jahren in Leverkusen lebt und der zuvor in Oldenburg wohnte. Nachbarn schildern ihn als freundlichen jungen Mann.
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Selten verlaufen Abschiebungen oder versuchte Abschiebungen so dramatisch wie in diesem Fall. Zuständig ist das Ausländeramt. Für „Rückführungsmaßnahmen“, wie es im Behördendeutsch heißt, kann die Behörde Amtshilfe bei der Polizei erbeten. Sie kann auch von vornherein einen Arzt hinzuziehen oder einen Dolmetscher, falls es Sprachprobleme gibt. Wie die Mitarbeiter jeweils vorgehen, ergebe sich aus dem „vorangestellten Prozess“, teilt die Behörde auf Anfrage des „Leverkusener Anzeiger“ mit. Falls akut die Gefahr besteht, dass der Migrant, der abgeschoben werden soll, flieht, kann er in Abschiebehaft kommen, so die Behörde.
Das gilt allerdings auch in Fällen, in denen der Aufenthaltsort der abzuschiebenden Person dem Amt bekannt ist und von Fluchtgefahr keine Rede sein kann, wie der Fall des jungen Dachdeckerazubi Sekou Sidibe aus Guinea zeigt. In seinem Fall schlossen die Mitarbeiter des Ausländeramtes einfach die Tür ihres Büros im Rathaus in Wiesdorf ab, als Sidibe dort Ende August einen Termin wahrnahm und warteten auf die Polizei. Die brachte ihn dann in die „Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige“ im westfälischen Büren, wie das Abschiebehafthaus dort offiziell heißt.
Ausländerbehörde meldet Rückführung an
Die Initiative für eine Abschiebung geht jeweils von der Ausländerbehörde aus. Diese meldet eine anstehende Rückführung bei der Zentralstelle für Flugabschiebungen (ZFA) NRW an. Die ZFA übermittelt dann die Flugdaten für die Abschiebung an die Ausländerbehörde in Wiesdorf. Sobald klar ist, wann der Flug geht, suchen Mitarbeiter der Behörde die betroffene Person auf. Wenn aus Sicht der Behörde alles glatt läuft, wird diese dann in Begleitung von Bundespolizisten zum Flughafen gebracht. Dazu die Stadtverwaltung: „Den Zeitpunkt der Rückführung bestimmt grundsätzlich die ZFA, welche die Flugdaten übermittelt, was sich letztendlich dann auch auf die Tageszeit auswirkt, zu welcher die Betroffenen aufgesucht werden.“
Von Januar bis September 2024 hat die Stadt Leverkusen 27 Personen abgeschoben. Im gleichen Zeitraum reisten 20 Personen freiwillig aus. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres wurden aus Leverkusen lediglich drei Personen abgeschoben, 21 reisten nach einer Beratung freiwillig aus. Dass ein Zielland einen Migranten, der von Deutschland abgeschoben wurde, nicht aufgenommen hat, ist bisher nur einmal vorgekommen: im Fall von Sekou Sidibe.