Oberbürgermeister Uwe Richrath schiebt die Schuld für das holprige Verfahren aber alleine Sekou Sidibe zu.
Oberbürgermeister lenkt einSekou Sidibe aus Guinea wird nun doch in Leverkusen geduldet
Sekou Sidibe lächelt, als er dieses Mal aus dem Rathaus in Wiesdorf herauskommt. Als seine rund 30 Unterstützer das sehen, brandet schon der erste Jubel auf. Und tatsächlich: „Ich habe eine Duldung für drei Monate bekommen und darf weiter arbeiten. Ich fühle mich sehr, sehr gut und bin sehr glücklich“, sagt der Dachdeckerazubi kurz darauf freudestrahlend zu der begeisterten kleinen Menschenmenge, die sich wie an den drei vergangenen Montagen auf dem Friedrich-Ebert-Platz versammelt hatte, um dem von Abschiebung bedrohten jungen Mann aus Guinea den Rücken zu stärken.
Auch Sidibes Lehrherr, Dachdeckermeister Abbas Süren aus Langenfeld, ist die Freude über die vom Ausländeramt der Stadt ausgesprochene Duldung anzusehen: „Ich bin sehr froh, dass er jetzt seine Ausbildung fortsetzen kann.“ Und Bruno und Sabine Hentschel, die Sekou Sidibe seit sechs Jahren begleiten und ihn in ihr Herz geschlossen haben, strahlen übers ganze Gesicht. „Ich bin unglaublich glücklich“, sagt Bruno Hentschel und seine Frau Sabine fügt hinzu: „Mir fällt ein Riesenstein vom Herzen.“
Das Ausländeramt hat dem 24-jährigen Mann aus Guinea ein Dokument ausgehändigt, in dem seine Duldung für drei Monate festgehalten ist. Darin steht zusätzlich, dass die Berufsausbildung als Dachdecker bei Abbas Süren bis zum 31. Juli 2025 erlaubt ist. Was zum Sinneswandel im Rathaus geführt hat, das Sidibe seit Monaten zunächst zwei Wochen und zuletzt eine Woche gültige Aufenthaltsbescheinigungen „ohne Anknüpfungspunkt“ (Stadt Leverkusen) an das einschlägige Gesetz ausgestellt hatte, geht aus einer Mitteilung der Stadt von Montagnachmittag hervor.
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Darin heißt es, die Härtefallkommission beim Land NRW empfehle die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung, „unter der Bedingung, dass Herr Sidibe gültige Papiere beibringt“. Dieser Empfehlung folge Oberbürgermeister Uwe Richrath.
Allerdings nicht ohne Sekou Sidibe die gewissermaßen alleinige Verantwortung dafür zuzuschieben, dass das bisherige Verfahren zu seinem Bleiben in Deutschland gescheitert sei. Die Ausführungen des Oberbürgermeisters gipfeln in dem Vorwurf, er habe „den erforderlichen Integrationswillen bislang nicht erkennen lassen“. Der junge Mann habe sich vielmehr „durch Unterlassung Zeit verschafft, um auf diesem Wege vollendete Tatsachen zu schaffen. Ein Vorgehen, das in keiner Weise ein Beispiel für gelungene Integration sein kann“.
Tatsächlich hat Sidibe 2021, im Jahr nach der Ablehnung seines Asylantrags, bereits einen Reisepass bei der Botschaft in Guinea beantragt, diesen aber nicht erhalten. Diesen Antrag will er nun erneut so schnell wie möglich stellen, erklärte er nach dem Termin im Ausländeramt.
Guina nimmt keine Abgeschobenen mehr auf
Aus Guinea ist unterdessen zu hören, dass das westafrikanische Land einstweilen keine abgeschobenen Staatsbürger mehr aufnimmt. Deshalb hat Deutschland seit dem 17. September Rückführungsmaßnahmen nach Guinea ausgesetzt. Wie lange das gilt, ist offen.
Die Leverkusener SPD hatte am Montagmorgen noch das Vorgehen der Stadt Leverkusen verteidigt, Sidibe nur eine Aufenthaltsbescheinigung für die Dauer von jeweils einer Woche auszustellen.
„Seit Jahren gibt es die bewährte Praxis der vorübergehenden Aufenthaltsbescheinigungen, hinter der unsere Partei schon lange steht“, schreibt der SPD-Vorsitzende Darius Ganjani. „Es ist wichtig klarzustellen: Diese Aufenthaltsbescheinigungen sind keine neue Erfindung, sondern haben sich über Jahre als notwendiges Instrument bewährt. Wir als SPD befürworten ausdrücklich diese gängige Praxis, die Menschen in schwierigen Lebenslagen hilft, ohne dabei rechtliche Grundlagen zu verletzen.“
Die FDP hatte dagegen einen „endlosen Abschiebekrimi“ befürchtet und den Oberbürgermeister aufgefordert, den Fall zur Chefsache zu machen. „Statt den jungen Mann Woche für Woche mit einer ‚Bescheinigung über den vorübergehenden Aufenthalt‘ hinzuhalten, könnte der Oberbürgermeister hier eine Entscheidung zugunsten Sidibes fällen“, schrieb die FDP in einer Stellungnahme. „Sekou Sidibe ist doch eigentlich genau der Migrant, den die Migrationskritiker in unserem Land sich wünschen. Fleißig, ordentlich, lernbegierig und offensichtlich auch gut vernetzt, eine angehende Fachkraft, die auf dem Arbeitsmarkt fehlt“, so der Fraktionsvorsitzende der FDP im Stadtrat, Jörg Berghöfer.
Die Leverkusener Grünen hatten die „Bescheinigung über den vorübergehenden Aufenthalt ohne amtliche Aufenthaltsdokument“, wie der Titel des Dokuments lautet, als „Fantasiebescheinigung“ bezeichnet. Die Fraktionschefin der Grünen, Claudia Wiese, und der OB-Kandidat Sven Weiss waren am Montag ebenfalls auf den Vorplatz vor dem Rathaus gekommen, um Sekou Sidibe zu unterstützen und freuten sich mit ihm über die Duldung. „Wenn Sekou Sidibe jetzt hierbleiben kann, ist das eine Entscheidung, die gut für ihn ist, aber auch für alle, die mal einen Dachdecker brauchen“, so Wiese.
Das sah am Ende wohl auch Richrath so. „Meine heutige Entscheidung ist ein Votum für den Zuzug von dringend benötigten Fachkräften und eine Forderung, dass das Verfahren des Asyl- und Bleiberechts einer Anpassung bedarf, welche die Kommunen aus der Haftung nimmt“, schließt er seine Stellungnahme. Sekou Sidibe hat seinen nächsten Termin im Ausländeramt für die Verlängerung der Duldung nun erst kurz vor Weihnachten. Bis dahin kann er das tun, worauf er seit Wochen hoffte: seine Ausbildung zum Dachdecker fortsetzen. (mit stes)