Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

SPD-VersammlungLeverkusens Sozialdemokraten demontieren Fraktionschefin Kreutz

Lesezeit 5 Minuten
Eine Frau steht an einem Rednerpult auf einer Bühne.

Milanie Kreutz wirft nach dem Votum gegen sie den führenden Männern in der Partei vor, nur zu verwalten statt zu gestalten.

Milanie Kreutz, Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion, ist bei der Wahl der Kandidaten für die Kommunalwahl auf spektakuläre Weise gescheitert.

Um 11.20 Uhr beginnt am Samstag im Saal Norhausen der öffentliche Aufstand gegen die amtierende Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion, Milanie Kreutz. Max Haacke vom Ortsverein Wiesdorf stellt in der Wahlkreiskonferenz der Partei für die Aufstellung der Kommunalwahlkandidatinnen und -kandidaten den Antrag, statt dem mit allen Ortsvereinen abgestimmten Personalvorschlag für die Reserveliste einen neuen anzunehmen. 

Die geänderte Reserveliste sieht genauso aus wie die Liste, die die 80 Delegierten um 10 Uhr am Eingang zum Saal in Empfang genommen haben. Bis auf eine Position. Statt Kreutz soll nun Dirk Löb, auf der ursprünglichen Liste auf Platz 2, an erster Stelle der Reserveliste stehen und alle anderen einen Platz aufrücken. Milanie Kreutz hingegen taucht auf dem Reservelistenvorschlag, den Haacke, wie er sagt, stellvertretend für fünf Ortsvereine im Unterbezirk Leverkusen, vorlegt, nirgendwo mehr auf. Nicht an zweiter oder an dritter Stelle, einfach gar nicht mehr.

Damit ist klar: Diese fünf Ortsvereine wollen Kreutz nicht mehr für die SPD im Stadtrat haben. Denn Kreutz tritt in einem Schlebuscher Wahlkreis an, der traditionell der CDU zuneigt. Ihre Absicherung auf einem der vordersten Listenplätze ist daher essenziell, damit sie es bei der Kommunalwahl im September in den Stadtrat schafft. Da nun zwei Kandidaten für den Listenplatz 1 vorgeschlagen sind, kommt es zur Kampfkandidatur zwischen Kreutz und Löb.

Ein Mann steht an einem Rednerpult, das Publikum hält grüne Karten hoch.

Parteichef Darius Ganjani appellierte zu Beginn der Versammlung an die Einigkeit der Mitglieder.

Haacke: „Wir haben es uns nicht leicht gemacht. Ausschlaggebend war die Pressemitteilung von Milanie Kreutz, in der sie sich selbst in den Himmel gelobt hat und gesagt hat, es gebe in Leverkusen keine starke Führungspersönlichkeit in der Partei. Aus unserer Sicht ist die starke Persönlichkeit Dirk Löb. Er soll Fraktionsvorsitzender werden. Als Haacke endet: „Das ist der Vorschlag von fünf Ortsvereinen. Ich bitte euch, den anzunehmen“, schallt ihm laut ein mehrfaches „Nein“ aus dem Kreis der Delegierten entgegen. 

Zwei Delegierte treten daraufhin ans Mikrofon. Sie protestieren gegen Haackes „nicht abgestimmtes Vorgehen“ und „die unsägliche Art, wie die Partei mit Menschen umgeht“. Auch Hans Klose bittet Versammlungsleiterin Tülay Durdu ums Wort. Der 82-Jährige ist das älteste Mitglied im Stadtrat und er gestaltet seit Jahrzehnten Kommunalpolitik für die SPD, aber er ist an diesem Samstag kein Delegierter. Für Durdu kein Grund, ihm nicht trotzdem das Wort zu erteilen. Klose redet den Genossinnen und Genossen ins Gewissen. Milanie Kreutz wirke sehr dominant, so Klose. Aber das sei genau das, was man neudeutsch als führungsstark bezeichne. Klose lobt auch Löb, wirbt dafür, dass beide gemeinsam für die SPD im Rat arbeiten sollen. „Milanie ist sachkundig, hat viele Verbindungen nach außen. Es wäre nicht klug, auf so jemanden zu verzichten“, befindet er.

Ein Mann und eine Frau stehen in einem Saal mit Tischreihen.

Hans Klose mit der SPD-Landtagsabgeordneten aus Rhein-Berg, Tülay Durdu, die Versammlung leitete.

In ihrer Bewerbungsrede hebt Kreutz, Finanzbeamtin bei der Oberfinanzdirektion in Köln, auf ihre Fachkenntnis in Sachen Kommunalfinanzen ab, betont, es habe einen abgesprochenen Kompromiss gegeben, wie sie weiter im Stadtrat mitwirken kann, auch wenn sie nicht mehr den Fraktionsvorsitz anstrebt, wie sie Mitte der Woche öffentlich gemacht hat. Und sie beklagt selbst das Procedere der Ortsvereine, die sich gegen sie gewandt haben: „Ich habe selbst Dirk als Fraktionsvorsitzenden vorgeschlagen“, so Kreutz.

Auffällig ist, dass Kreutz in ihrer Rede den Oberbürgermeister, der als Delegierter im Saal sitzt, keinmal erwähnt. Löb hingegen tut das in seiner Rede mehrfach und er sucht auch in der Versammlung immer wieder die Nähe zu Uwe Richrath. Er kritisiert in seiner Rede indirekt Kreutz Führungsstil und will im Übrigen am liebsten gar nicht über den Aufstand gegen die Noch-Fraktionschefin reden. Weder am Mikrofon vor den Delegierten, noch später im Gespräch.

Zwei Männer stehen in einem Saal an einem Stehtisch.

Oberbürgermeister Uwe Richrath und Dirk Löb, designierter Fraktionschef der SPD

Kreutz' angeblich wenig kommunikativer Führungsstil war auch schon vor zweieinhalb Jahren einer der Gründe dafür, warum Löb, damals einer von zwei stellvertretenden Fraktionschefs, im Streit mit der ersten Frau der Fraktion von seinem Amt zurücktrat. Und mit ihm Sven Tahiri, der bald darauf zur CDU wechselte.

Nun also die Retourkutsche: Bei der Kampfabstimmung zeigt sich, dass das Löb-Lager deutlich überlegen ist. 50 Delegierte stimmen für die Reserveliste mit Löb auf Platz 1, 26 für die Variante mit Kreutz in der Spitzenposition, ein Delegierter enthält sich, einer stimmt gar nicht ab. Milanie Kreutz bewahrt die Haltung, als sie daraufhin erneut ans Mikrofon tritt. „Ich erlebe in diesen Tagen eine Partei, in der die führenden Männer eher verwalten, eher abwarten als führen“, sagt sie. Was gerade passiert sei, sei ein „Ausdruck von Angst vor Veränderung und vor starken Frauen, Angst vor einer zukünftigen starken Kandidatin“. Kreutz deutet damit an, dass sie sich durchaus einmal vorstellen könnte, für ihre Partei als Oberbürgermeisterin-Kandidatin ins Rennen zu gehen. Oder konnte. Dem neuen Stadtrat wird sie nicht mehr angehören, denn auf der gerade abgestimmten Reserveliste steht sie ja nicht mehr und ihre Kandidatur im Wahlkreis Schlebusch-Nordost zieht sie zurück.

Und Löb? Der neue, designierte Fraktionschef der künftigen SPD-Stadtratsfraktion sagt erstmal gar nichts. Stattdessen überlässt er das Feld mehreren Parteigängern von Milanie Kreutz. Julian Frohloff, Anja Koppen und Jens Fraustadt erklären nacheiander, dass sie ihre Kandidatur für die Liste zurückziehen. Desgleichen Regina Sidiropulos, die sich beklagt, von ihrem Ortsverein Rheindorf-Hitdorf übergangen worden zu sein. „Die treffen sich und ich bekomme nicht mal einen Anruf. Das brauche ich nicht mehr“, so Sidiropulos. Erst dann bedankt sich Löb für die „breite Unterstützung“ bei den Delegierten und spricht von einem „demokratischen Prozess“.

Uwe Richrath rafft sich erst nach Kritik aus dem Kreis der Delegierten dazu auf, ans Mikrofon zu treten, appelliert dann eher geschäftsmäßig an die Einheit der Partei, für die es gelte zu kämpfen. „Das ist heute kein Glanztag für die Partei“, sagt er.

Dieser wenig glanzvolle Tag für die SPD wird sich von da ab noch Stunden hinziehen, unter anderem weil nach dem Rückzug der Wahlkreiskandidaten nun erneut auch darüber abgestimmt werden muss. 


Die Wahlkreiskandidatinnen und -kandidaten der SPD

Die SPD hat am Samstag ihre Kandidatinnen und Kandidaten für alle 26 Kommunalwahlkreise in Leverkusen bestimmt. Gewählt wurden: 

  1. Wahlkreis 11 Wiesdorf-Nordwest, Aleksandra Nowak,
  2. Wahlkreis 12, Wiesdorf-Nordost, Max Haacke,
  3. Wahlkreis 13, Wiesdorf-Süd, Darius Ganjani
  4. Wahlkreis 14, Manfort, Jonas Berghaus
  5. Wahlkreis 15, Rheindorf-Süd, Heike Bunde
  6. Wahlkreis 16, Rheindorf-Mitte, Ali Asrout
  7. Wahlkreis 17, Rheindorf-Nord/Hitdorf-Ost, Abdulhamid Rizvani
  8. Wahlkreis 18, Hitdorf-Mitte/-West, Anne Richrath
  9. Wahlkreis 21, Opladen-Nord, Dustin Huber
  10. Wahlkreis 22, Opladen-Mitte, Dirk Löb
  11. Wahlkreis 23, Opladen-Südost, Mevludin Dzeladini
  12. Wahlkreis 24, Küppersteg-Nordwest/Opladen-Südwest, Mohammed Rifi
  13. Wahlkreis 25, Küppersteg-Südost, Paul-Leander Schmidt
  14. Wahlkreis 26, Bürrig, Joelina Peters,
  15. Wahlkreis 27, Quettingen-Ost, Nils Kampschulte
  16. Wahlkreis 28, Queettingen-West, Ommar Assadullah
  17. Wahlkreis 29, Bergisch Neukirchen, Sophie Spiegler
  18. Wahlkreis 31, Waldsiedlung/Schlebusch-Südost, Katja Weierstall
  19. Wahlkreis 32, Schlebusch-Südwest, Luca Schneider
  20. Wahlkreis 33, Schlebusch-Nordost, Sebastian Kocks
  21. Wahlkreis 34, Schlebusch-Mitte und -Ost, Martin Krampf
  22. Wahlkreis 35, Steinbüchel Südwest und -Mitte, Tim Jürss
  23. Wahlkreis 36, Steinbüchel-Nord und -Südost, Julia Lange
  24. Wahlkreis 37, Lützenkirchen-Ost, Thomas Konrad
  25. Wahlkreis 38, Lützenkirchen-West, Yilmaz Bulut
  26. Wahlkreis 39, Alkenrath/Schlebusch-West, Lena Marie Angermann