Das Landgericht Köln müht sich, den genauen Hergang des Messerangriffs in den Luminaden aufzuklären.
Prozess nach MesserangriffInnerhalb von Sekunden kommt es zur Bluttat in Wiesdorf
Die dramatische Entwicklung des seit längerem gährenden Streits zwischen Dilan M. und Erdal B. (beide Namen geändert) dauerte kaum mehr als zwei, drei Minuten. „Ich habe zwei junge Männer gesehen, die sich gestritten und geschlagen haben. Die haben Türkisch geredet und geschrien.“
So erinnert sich ein aus Syrien stammender Schneider an jene Minuten am Nachmittag des 14. Juni 2024 in den Luminaden. Der Schneider hatte vor seinem Laden gesessen, als die beiden Kampfhähne an ihm vorbeigingen, wie er im Saal 27 des Kölner Landgerichts berichtet. Mitten in der Wiesdorfer Fußgängerzone eskalierte der Streit gewalttätig. Er sieht, wie Dilan M. ein Messer in der Hand hält und riecht Pfefferspray. Erdal B. hatte das Reizgas kurz zuvor in Richtung von Dilan M. gesprüht.
Ein weiterer Zeuge, der Inhaber eines Tattoo-Studios, versucht die beiden jungen Männer zu trennen. „Ich hab' gesehen, wie die gekämpft haben, bin da hin und hab' denjenigen, der den einen im Schwitzkasten hatte, von dem anderen am Arm weggezogen. Erst da hab' ich gesehen, dass der ein Messer in der Hand hielt“, berichtet er vor Gericht. Richter Thomas Stollenwerk lobt den Zeugen für sein Einschreiten: „Das war sehr mutig.“
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Den Moment, da er von seinem Kontrahenten befreit ist, nutzt aber Erdal B., zieht seine Reizgas-Dose und sprüht im Vorbeirennen in Richtung von Dilan M. Auch der Tattoo-Studio-Inhaber bekommt etwas ab. Der Schneider sieht schließlich, wie Dilan M. seinem Gegner ins Bein sticht.
Aussage von nicht-anwesendem Zeugen wird nicht berücksichtigt
Die Verteidigung von Dilan M. lässt eine Aussage eines Zeugen verlesen, der vor einem Friseursalon auf einem Stuhl gesessen und die Auseinandersetzung ebenfalls gesehen haben soll. Diesem Zeugen zufolge ging die Aggression zunächst eher von Erdal B. aus, der Dilan M. wüst beschimpfte und ihm schließlich sogar einen Faustschlag verpasste. Das Problem: Der Zeuge ist nicht anwesend und kann deshalb nicht befragt werden, der Vorsitzende Richter führt das Protokoll nicht in die Beweisaufnahme ein.
Und wie man es auch dreht und wendet: Am Ende bleibt der absichtliche Messerstich von Dilan M. ins Bein von Erdal B. Die Verteidiger des Angeklagten interpretieren die Tat als Notwehrhandlung. Das lehnt Stollenwerk ab: „Selbst wenn ich provoziert worden wäre, geht es nicht, dass ich in einem Kampfgeschehen ein Messer zücke, und, vielleicht aus Rache, nochmal zusteche.“ Der Vorsitzende Richter der 9. Großen Strafkammer weist mehrfach darauf hin, dass der Angeklagte selbst bisher zum Tatgeschehen und zur Vorgeschichte der Tat beharrlich geschwiegen hat: „Es wäre nicht schlecht, mal eine Version von ihm zu bekommen.“ Ein Geständnis könnte dem nicht vorbestraften jungen Mann möglicherweise den Weg zu einer Haftstrafe öffnen, die zur Bewährung ausgesetzt wird.
Dafür erwartet Erdal B., der bei der Sparkasse Köln/Bonn arbeitet, allerdings auch ein Schmerzensgeld von seinem Gegner. Er leidet als Folge der Tat bis heute unter einer posttraumatischen Belastungsstörung.