Am zweiten Verhandlungstag hätten Zeugen mehr Licht in die Hintergründe des Messerangriffs bringen können. Das scheiterte weitgehend.
Prozess nach MesserstichLeverkusener leidet bis heute unter Folgen der Tat in den Luminaden
Der letzte Zeuge an diesem Verhandlungstag sorgt am Freitagnachmittag für einen Moment der Heiterkeit im Saal 27 des Kölner Landgerichts. Denn zum Abschied sagt der Mann, dessen häufigster Satz in seiner gerade beendeten Befragung durch die 9. Große Strafkammer „Ich kann mich nicht erinnern“ gewesen ist: „Ich hoffe, ich habe das Gericht unterstützen können bei der Wahrheitsfindung.“ Das löst allgemeines Gelächter auf der Richterbank aus und der Vorsitzende Richter Thomas Stollenwerk befindet mit süffisantem Lächeln, er mache sich Gedanken: „Ob wir nicht mal bei Bayer in Leverkusen nachfragen müssen, ob da etwas ausgetreten ist, das sich auf die Gedächtnisleistung auswirkt.“
Denn nicht nur der letzte, sondern alle vier Zeugen zeichnen sich an diesem Tag durch weitgehende Erinnerungslücken aus, was die Vorgeschichte des Messerangriffs am 14. Juni 2024 in einem Seitengang der Luminaden in Wiesdorf – und die Monate danach – angeht. In der Einkaufspassage hatte Dilan M. seinen Kontrahenten Erdal B. (alle Namen geändert) vor einem guten halben Jahr im Streit um eine Frau mit einem Messer attackiert. Dieser wehrte sich zwar im Laufe des Kampfes mit Pfefferspray, doch schließlich rammte Dilan M. dem am Boden liegenden Erdal B. das Messer so tief in den linken Oberschenkel, dass er im Klinikum Leverkusen notoperiert werden musste. Zum Tatvorwurf der gefährlichen Körperverletzung kam am Freitag noch eine Schmerzensgeldforderung der Nebenklage in Höhe von 17.500 Euro gegen Dilan M. hinzu.
Angreifer soll Opfer seit längerem auf dem Kieker gehabt haben
Aus Sicht des 28-jährigen Erdal B., der nach eigenen Angaben als Folge des Messerangriffs sein linkes Bein bis heute nicht richtig anheben kann und deshalb kein Auto mehr fährt, hatte Dilan M. ihn seit längerem auf dem Kieker. Bei einer einvernehmlichen Rangelei unter jungen Männern, mit denen beide gemeinsam „abhingen“, habe Dilan M. den Kürzeren gezogen und daraufhin dem Sieger des Ringkämpfchens mit Waffengewalt gedroht, so Erdal B. Dabei sei er dann eingeschritten, weil der Bedrohte ein Freund von ihm war, und habe Dilan M. verbal in die Schranken gewiesen.
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Deutlich mehr brachte seinen Kontrahenten aber offenbar ein Techtelmechtel von Erdal B. mit einer Frau auf, mit dem Dilan M. eine On-Off-Beziehung unterhielt. So jedenfalls schildert es später einer der Zeugen, sämtlich junge Männer aus dem Freundes- und Bekanntenkreis von Täter und Opfer. Die kurze, aber wohl auch körperlich intensive Beziehung zwischen Erdal B. und der Frau aus Köln brachte Dilan M. dermaßen auf, dass dieser sein späteres Gewaltopfer nach dessen Angaben teilweise mehrmals im Monat mit Kontrollanrufen unter Druck setzte und laut Erdal B. bei einem Treffen auf einem Bolzplatz am Werner-Heisenberg-Gymnasium auch eine Todesdrohung gegen ihn aussprach.
Am Tattag saß Erdal B. beim Friseur, als ihn Dilan M. anrief. Erdal B. teilte ihm mit, wo er ist, und man verabredete sich zur Aussprache. Sogar zu Beginn des Kampfes in den Luminaden will Erdal B. noch versucht haben, an die Vernunft des Angreifers zu appellieren, als dieser bereits mit dem Messer auf ihn losging. „Ich hab’ in die Klinge gegriffen und den Arm 'runtergedrückt und ihn gefragt: Willst du, dass hier jemand stirbt?“
Der Anwalt des Angeklagten griff die Schilderungen des Opfers auf und versuchte, Widersprüche in seinen Angaben aufzudecken. „Sie laden einen Mann, der Sie töten wollte ein, mit Ihnen zu sprechen, und sagen ihm, wo Sie sind?“ Darauf Erdal B.: „Ich dachte, ich könnte die Sache deeskalieren. Vielleicht bin ich ein Idiot.“
Die Befragung der vier Zeugen aus dem Freundeskreis hätte mehr Licht in das Verhältnis der beiden Kontrahenten bringen können und in das Motiv des mutmaßlichen Täters. Doch Ermahnungen von Richter Stollenwerk, in ihren Aussagen bei der Wahrheit zu bleiben und bohrendes Nachfragen der Staatsanwältin bringen nicht viel mehr als: „Es ging um ein Mädchen.“ Dilan M. sei verletzt und gekränkt gewesen, wegen Erdal B.’s Beziehung zu der Frau. Der letzte Zeuge berichtet immerhin von einem Telefonat mit Dilan M. kurz nach der Tat: „Er stand unter Schock. Ich hab’ ihm gesagt: Stell’ dich. Er hat gesagt, dass er das tun will.“