Leverkusener SchauspielerDarum hört Jan-Gregor Kremp als „Der Alte“ auf

Jan-Gregor Kremp war über zehn Jahre lang „Der Alte“ - jetzt steigt er aus der beliebten ZDF-Serie aus.
Copyright: Ralf Krieger
- Jan-Gregor Kremp ist Schlebuscher - und spielte jahrelang den TV-Kommissar Richard Voss in der ZDF-Serie „Der Alte“.
- Jetzt steigt er aus und wird von Thomas Heinze beerbt.
- Im ersten Interview nach dem öffentlichen Abtritt blickt Kremp zurück - und schaut mit Vorfreude auf sein „normales Leben“.
Leverkusen – Herr Kremp, mit Ihnen war ein Schlebuscher über zehn Jahre lang „Der Alte“ und somit eines der wichtigsten Gesichter deutscher TV-Krimikultur. Jetzt ist das Kapitel offenbar beendet.
Ja. Ich drehe bis Ostern noch zwei Folgen – und dann war es das. Ich habe im vergangenen September gekündigt. Nach zehneinhalb Jahren. Manchmal kann ich es selbst nicht glauben, dass das so lange ging.
Dann blicken Sie doch für uns noch einmal kurz zurück auf damals, als das mit „Der Alte“ anfing. Wie war das?
Das war eine Super-Sache damals. Da war ich Ende 40 und in einer Branche, in der ja niemals irgendetwas sicher ist. Damals etwa hatte ich zwei Riesenfilme in der Tasche – und die waren gerade beide geplatzt. Alles andere hatte ich abgesagt. Also stand ich da – bis das Angebot für „Der Alte“ kam. Zum dritten Mal übrigens. Und vor diesem Hintergrund dachte ich: Das ist ein Wink! Wissen Sie: Normalerweise spielst du ja hier mal den Mörder, wirst da mal erschossen – und das war‘s. Aber das Angebot mit „Der Alte“ war anders. Ich entschied: Gut, jetzt will ich einfach mal so eine feste Sache haben.
Es war quasi: Schicksal.
Ja. Auch wenn einige gesagt haben: „Du bist doch viel zu jung für den Alten.“ Die wussten eben nicht, dass mit „Der Alte“ ganz einfach „Der Chef“ gemeint war. Wie auch immer: Ich bin dann dahin, war der vierte Kommissar dieser Serie – und habe zum ersten Mal gelernt, wie es ist, in so einen Serienbetrieb hineinzukommen.
Nämlich?
Es wird alles genau geplant. Es gibt ein Budget, das nicht überzogen werden darf. Und das war eine Umstellung. Aber: „Der Alte“ hatte ein tolles Standing. Und im Nachhinein betrachtet, ist es viel mehr Arbeit, so ein altes Produkt am Laufen zu halten als ein neues einzuführen. Das ist wie mit dem Unterschied zwischen einem Alt- und einem Neuwagen: An so einem alten Ding musst du immer Teile erneuern, weil sie sonst verschleißen. Sprich: Wir mussten unbedingt verhindern, dass Genügsamkeit einreißt. Und das war letztlich mein größter Kampf: Dass wir immer an der Zeit bleiben. Frech bleiben. Etwas Neues machen. Was schwierig genug war. Das waren mitunter große Kämpfe. Aber die habe ich mit Leidenschaft ausgefochten – zumal mir dieses Team wirklich ans Herz gewachsen ist.
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Sie sprechen von „Kämpfen“. Ist die Schauspielerei nicht eher Glanz und Glamour?
Ich weiß… Viele denken: Du kommst in ein teures Hotel. Wirst jeden Morgen abgeholt. Und abends geht es auf den roten Teppich und du säufst Champagner. Aber das ist natürlich überhaupt nicht so. Du sitzt da bei minus 20 Grad am Set und frierst dir den Hintern ab. Oh ja: Ich habe viel gefroren! Und natürlich arbeitest du nach Stunden. Und die Stundenzahl ist hoch! Aber das Team hat alles wett gemacht.
Und somit werden beim Abschied demnächst Tränen fließen?
Das befürchte ich. Sie wissen ja: Der Rheinländer ist nah am Wasser gebaut. Und ich habe nunmal viel Lebenszeit mit diesen Menschen verbracht. Das war wie Familie. Ich habe ja wochenlang niemanden sonst gesehen.
Dennoch: Sie kündigen in einer Zeit, in der aufgrund der Pandemie nach wie vor berufliche Unsicherheit herrscht – gerade in Ihrem Metier.
Ja, aber diese Rechnungen funktionieren nicht. Natürlich wäre es für die berufliche Sicherheit besser, wenn ich gesagt hätte: „Okay, mache ich eben weiter.“ Aber in den vergangenen Jahren war ich gerade wegen Corona ja einfach auch viel weg von daheim. Früher konnte ich an Wochenenden meist nach Hause. Jetzt aber war ich acht Mal im Jahr sechs Wochen am Stück weggewesen, weil alles abgeschottet stattfinden musste. Das wollte ich nicht mehr. Zudem überlege ich: Dieses Jahr werde ich 60. Was kommt denn jetzt da noch? Ich habe einfach Lust auf andere Dinge.
Zum Beispiel?
Ich will mehr Zeit mit meiner Frau verbringen. Ich konnte mich hier in Leverkusen nie einem Verein anschließen oder in einem Verein Sport machen. Ich habe so viele Dinge verpasst: Geburtstage, Fußballspiele von Bayer 04, Hundespaziergänge – weil ich eben die ganze Zeit in München war. Und das ist schwer. Das ist nicht zuletzt auch ein soziales Problem, denn: Wenn du dreimal eine Feier absagst, dann wirst du beim nächsten Mal eben gar nicht mehr eingeladen. Vor allem aber war mein Plan damals ja gewesen: Ich mache jetzt „Der Alt“ – und meine eigenen Texte, meine Musik, meine Bühnenauftritte nebenbei weiter. Das hat sich aber als verdammt schwierig erwiesen. Denn ich konnte einfach nicht im Voraus planen. Die Drehabläufe und Drehpläne verschieben sich. Und man kann nicht 12, 13 Stunden drehen und sich dann noch hinsetzen und etwas schreiben. Unmöglich. Und das hat in mir gegärt. Seit ein paar Jahren schon. Hinzu kamen andere Anfragen, die ich absagen musste. Aber: Ich bin ja Schauspieler von Beruf, nicht Kommissar. Und nach dem Ende bei „Der Alte“ kann ich mich wieder anderen Dingen widmen. Mir diese selbst aussuchen. Ich habe jetzt keinen Vertrag mehr, acht Folgen im Jahr drehen zu müssen. Das ist eine Freiheit, die ich mir einfach nehmen möchte. Das muss ich auch für mich machen. Ich habe Bock darauf, nochmal ein paar neue Dinge zu machen. Da freue ich mich drauf.
Sie verlassen dennoch so ein bisschen Ihre Komfortzone oder?
Ja. Aber wie es im Fußball heißt: Der sichere Pass nach hinten ist nicht immer der beste. Nehmen Sie Bayer 04: Jonathan Tah spielt meist auf Nummer sicher. Das ist wichtig und richtig. Aber jetzt haben wir mit Robert Andrich noch eine perfekte Ergänzung zu ihm hinzubekommen, denn der holt sich die Bälle und schlägt sie nach vorne. Ich bin wahrlich kein Experte auf diesem Gebiet. Das ist eher mein Sohn, mit dem ich gemeinsam in die BayArena gehe. Aber: Ich habe eine kindliche Freude an guten Spielzügen. Und an Ritualen. Womit wir wieder beim Thema sind: Wir schauen bei Auswärtsspielen hier samstags die Vorberichte zu den Spielen – Frau, Sohn, ich. Legen die Bayer-Schals zurecht. Essen Hühnchen. Und wenn der Bayer dann auch noch gewinnt… Das macht Spaß! Da stehe ich total drauf! Man könnte auch sagen: Ich mag mein normales Leben schon durchaus! So toll kann kein roter Teppich sein!
Wie ist es denn dann so auf dem roten Teppich?
Ich habe mich da immer fremd gefühlt. Habe mich im Smoking immer verkleidet gefühlt. Bei solchen Gelegenheiten, Filmpreisen etwa, kommen alle zusammen. Und alle sagen sich gegenseitig: „Ich wünsche Dir viel Glück!“ Aber sind wir doch mal ehrlich: Wem wünscht man denn da Glück außer sich selbst? Und die meisten halten, wenn sie mit einem reden, schon gleich Ausschau nach dem nächsten Gesprächspartner oder der nächsten Gesprächspartnerin. Umgekehrt – und da sind wir wieder beim Beispiel Fußball – bin ich neulich zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder ins Stadion gegangen, gegen den VfB Stuttgart. Und da ging es mit den bekannten Sitznachbarn gleich so los: „Hey! Schön, dass du hier bist! Wie geht es dir denn? Alles klar?“ Und das ist toll! Überhaupt: Besondere Ereignisse, Spiele eben, die man mit den Leuten um sich herum gemeinsam erlebt, schweißen zusammen. Genau das sind die Dinge, an die man sich erinnert. Siege gegen Bayern. Pokalspiele. Europacup-Spiele. Da weiß man noch, wer mit einem dabei war. Das ist Gemeinschaft. Das ist etwas Anderes als jeder Fernsehpreis.
Ist die Schauspielerei also doch nicht der Traumberuf, für den viele sie halten?
Sagen wir so: Das ist nicht immer so. Da ist viel Zufall dabei. Es gibt Leute, die ein schönes Gesicht und Erfolg haben, aber nicht wirklich schauspielern können. Und es gibt nur wenige wirkliche Freundschaften, die ich aus dieser Zeit mitnehme. Beim Theater habe ich mehr Freunde. Da habe ich ja angefangen. Das ist nochmal etwas vollkommen anderes. Eine andere Art des Schauspielens. Da zeigt sich, wer wirklich etwas draufhat. Es kann eben nicht jeder einfach so mal einen Kleist-Text zitieren. Das gehört aber für mich dazu. Gedichte sind ohnehin eine Labsal für mich. Seit jeher. Die lese ich sehr häufig. Und fürs Lesen habe ich jetzt auch wieder Zeit. Das ist so wichtig.
Angesichts dieses Plädoyers fürs Theater: Sehen wir Sie denn in Zukunft vielleicht auch nochmal auf einer Theaterbühne?
Ja, das kann ich mir vorstellen – zumindest wenn es auf einzelne Stücke bezogen ist. Ansonsten gilt: Nichts Festes mehr.