Vor drei Wochen erreichte die GGS Im Kirchfeld die Nachricht: Der siebenjährige Schüler Josef hat Blutkrebs. Nun hat die Schule eine Registrierungsaktion organisiert.
Typisierungsaktion für Leverkusener Schüler„Bewegend, wie viele sich auf den Weg gemacht haben“
Höchstens zehn Minuten dauert es, sich bereit zu erklären, ein Leben retten zu wollen. 189 Menschen aus Leverkusen und Umgebung haben das am vergangenen Freitag in der GGS Kirchfeld getan: Sie haben sich für eine Stammzellspende registrieren lassen.
Vor drei Wochen erreichte die Grundschule die Nachricht, dass der siebenjährige Josef Blutkrebs habe, sagt Schulleiterin Judith Husmann. „Es war ein Tag wie jeder andere und dann kam die Info. Uns war sofort klar: Wenn die Eltern einverstanden sind, werden wir alles tun, was in unserer Macht steht, um zu helfen.“
Drei Stäbchen müssen bei der Aktion für jeweils eine Minute an die Wangeninnenseite gerieben werden, ein paar weitere Minuten kann es dauern, sich per QR-Code registrieren zu lassen. Die GGS Im Kirchfeld stellte dazu auch Schultablets zur Verfügung, um einen niederschwelligen Zugang zu ermöglichen.
Die Mitschülerinnen und Mitschüler von Josef berühre die aktuelle Situation, berichtet Josefs Klassenlehrerin Rilana Blick. „Wir machen seit drei Wochen Gesprächsrunden, es werden auf einmal Sachen angesprochen, die sonst nie thematisiert würden. Die Kinder berichten von ihren Erfahrungen, sie sollen merken, dass sie nicht allein sind“, so Blick. Sie beschreibt Josef als aufgeweckten, interessierten und sozialen Schüler. Nun wolle die ganze Klasse für ihn zusammenstehen. Und nicht nur die Klasse: Immerhin hat Josefs Schule gemeinsam mit der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) die Typisierung am Freitag organisiert.
Melanie Dymke begleitet Registrierungsaktionen ehrenamtlich, sie ist überrascht von den vielen Engagierten. „Das hat meine Erwartungen übertroffen – ich dachte, wenn wir die 100-Marke knacken, ist das schon genial“, sagt sie. Die 100-Marke ist allerdings schon eine Viertelstunde vor Halbzeit der Registrierungsaktion erreicht. Kollegin Danielle Costet fügt hinzu: „Ein Vergleich ist aber nicht nötig, wir sind um jeden dankbar, der kommt. Jeder stellt eine Chance dar, einen Patienten zu heilen, deswegen ist jede Aktion erfolgreich.“ Rilana Blick berührt diese Unterstützung für ihren Schüler. „Das ist bewegend, wie viele sich auf den Weg gemacht haben“, sagt sie.
Es ist vor allem die Geschichte des siebenjährigen Josefs, die die Menschen bewegt. „Als wir davon gehört haben, haben wir sofort an unseren Sohn gedacht – die Hobbys sind so ähnlich. Wir haben daran gedacht, wie es wäre, wenn wir in dieser Situation stecken würden, wie hilflos man sich als Eltern fühlen muss“, sagen Denise und Marcus Kübrich.
Tatsächlich sei Blutkrebs die häufigste Krebserkrankung bei Kindern, erklärt Melanie Dymke. Laut DKMS erhält alle zwölf Minuten ein Mensch in Deutschland die Diagnose. Dabei ist Blutkrebs, so die DKMS, der Oberbegriff für bösartige Erkrankungen des blutbildenden Systems, bei denen sich entartete Blutzellen unkontrolliert vermehren. „Wegen der Krebszellen kann das Blut lebensnotwendige Aufgaben nicht mehr erledigen, wie zum Beispiel, Infektionen zu bekämpfen, Sauerstoff zu transportieren oder Blutungen zu stoppen“, erklärt Ehrenamtlerin Danielle Costet.
Costet und Dymke haben selbst vor ein paar Jahren Stammzellen gespendet. „Mein Patient ist jetzt krebsfrei“, sagt Danielle Costet, „es ist ganz surreal – ich hatte nie das Gefühl, ich mache viel und am Ende kann man mit der Spende ein Leben retten.“ Bei Costet und Dymke entnahmen die Ärzte die Stammzellen peripher: So ist es laut DKMS in 90 Prozent der Fälle. Die Stammzellspende funktioniert hier ähnlich wie eine Blutspende, die Stammzellen werden durch ein spezielles Verfahren aus dem Blut entnommen, dafür wird ein Zugang in die Armvene gelegt.
In nur zehn Prozent der Fälle, so die DKMS, müssen Stammzellen aus dem Knochenmark entnommen werden. Die Horrorvorstellung, danach querschnittsgelähmt zu sein, existiere noch in den Köpfen einiger Menschen, Melanie Dymke kann aber Entwarnung geben: „Viele denken: ‚Knochenmark – Wirbelsäule – ich bin gelähmt danach‘, das ist aber ein Irrtum.“ Das Risikoreichste an dieser Art der Spende sei die Narkose, wie bei jeder anderen Operation auch. Dymke selbst konnte einer Frau aus Kanada mit ihrer Stammzellspende das Leben retten. Die Frau sei Lehrerin gewesen, habe drei Kinder gehabt – sie habe „mitten im Leben gestanden“. „In so einer Situation merkt man, dass nicht nur der Patient dahinter steckt, sondern eine ganze Familie“, so Dymke.
Nach 100 Tagen herauszufinden, dass die Stammzellen angenommen wurden, sei unbeschreiblich gewesen. „Das war einer der schönsten Momente meines Lebens“, sagt sie und weiter: „Es ist ein kleiner Aufwand, mit dem man ein Leben retten kann.“ Die DKMS habe sie gut betreut: „Ich habe dabei Netflix geguckt“, lacht sie.
Leverkusen: Registrierung ist auch noch in dieser Woche möglich
Der erste Schritt, den am Freitag viele gewagt haben, ist aber, sich registrieren zu lassen. „Das ist einfacher, als wir uns das vorgestellt haben“, sagen Denise und Marcus Kübrich. Mit ihnen haben 189 Menschen ein Zeichen für den siebenjährigen Josef gesetzt. 189 Mal eine Chance auf ein neues Leben.
Wer sich ebenfalls an der Registrierungsaktion beteiligen möchte, kann noch in dieser letzten Woche vor den Herbstferien zum Sekretariat der GGS Im Kirchfeld kommen und sich registrieren. Alternativ kann man sich auch online registrieren und sich ein Typisierungsset nach Hause bestellen. Im Alter von 17 bis 55 Jahren kann man sich typisieren lassen.