AboAbonnieren

Leverkusener Sparkassen-Chef Grawe„Deutlicher Rückgang bei Immobilienfinanzierung“

Lesezeit 8 Minuten
LEV-Grawe

Die Sparkasse spürt die Krise noch nicht, sagt Vorstandschef Markus Grawe. Das sei aber eine Momentaufnahme.

Leverkusen – Ukraine-Krieg, Energiekrise, Inflation: Dem Chef von Leverkusens größter Bank muss mulmig zumute sein. Wir sprachen mit Markus Grawe über die Lage, Immobilienpreise und seine Erwartungen. Und über das dünnere Filialnetz der Sparkasse.

Herr Grawe, das größte Thema für die Menschen ist die Energiekrise. Sie wird viele Bürger, aber auch Unternehmen hart treffen. Erwarten Sie für die Sparkasse Leverkusen in großem Stil Kreditausfälle?

Markus Grawe: Nein, wir erwarten Stand heute keine Kreditausfälle, also erst recht nicht in größerem Stil. Man muss natürlich abwarten, wie lange die Krise jetzt anhält. Die Frage ist: Was passiert mit den Energiepreisen mittel- bis langfristig? Es gibt Bereiche, die überdurchschnittlich stark belastet sind. Das sind logischerweise die ganzen energieintensiven Branchen. Nicht jeder wird das langfristig an die Kunden weitergeben können.

Das klingt sehr viel optimistischer als erwartet. Ist diese Krise gar nicht so wild? 

Doch, die Krise ist fulminant. Energiepreise spielen ja für den Mittelstand eine Rolle. Privathaushalte sind noch ein anderes Thema. Der Mittelstand hat auch Reserven. Langfristig kann man nicht ausschließen, dass es zu Insolvenzen kommt. Stand heute sehen wir die bei unseren Kunden allerdings nicht. 

LEv-Sparkasse nachts

Noch gibt es keine Probleme, aber die Krisenzeichen mehren sich.

Ist dann eher die Familie die Risikogruppe, die in der Niedrigzinsphase ihr Darlehen aufgenommen hat und möglicherweise jetzt damit nicht mehr klarkommt? 

Ich würde die jetzt nicht als Risikogruppe sehen. Grundsätzlich ist natürlich jeder Kredit erstmal mit einem Risiko verbunden. Bei den Privathaushalten sehen wir, dass die Belastungen zunehmen, der Spielraum kleiner wird. Es sind ja nicht nur die Energiepreise, es ist die Inflation insgesamt. Aber auch da sehen wir momentan keine Kreditausfälle oder Anspannungen. Es gibt auch noch keine Anfragen nach Tilgungsaussetzungen, Tilgungsstreckung et cetera. Aber wir sind darauf vorbereitet: Wenn es für Kunden eng wird, werden wir individuelle Lösungen suchen, etwa die Tilgung aussetzen oder reduzieren, was erstmal eine Entlastung bringt.

Vor der Niedrigzinsphase hat man meist ein Prozent Tilgung vereinbart, zuletzt drei oder vier.

Ja, das bringt einen gewissen Spielraum. Wir wollen den Kunden, die jetzt unverschuldet in eine Krise reinkommen, natürlich auch helfen. Wir wollen keinen Kreditausfall produzieren, wir wollen Lösungen finden. Das ist auch in der Corona-Krise genutzt worden, von Firmen- und Privatkunden.

Wie wirkt sich der Zinsanstieg auf Ihr Geschäft aus? 

Der Zinsanstieg führt zu einem deutlichen Nachfragerückgang bei der Immobilienfinanzierung. Und das war in den letzten Jahren der Wachstumstreiber für die Sparkasse. Wir sind noch relativ stark ins Jahr gestartet. Dann kam der Ukraine-Krieg. Die Preise sind nach oben gegangen, die Lieferketten noch mehr unter Druck geraten. Das hat zu dem deutlichen Zinsanstieg geführt, der Zehnjahres-Zins für Immobilienfinanzierungen hat sich fast vervierfacht, von unter einem auf über vier Prozent in den letzten Tagen.

Immobilien: Die Menschen werden vorsichtiger

Wenn man 400.000 Euro braucht, bedeutet das bei zwei Prozent Tilgung eine monatliche Belastung von 2000 Euro. Das führt natürlich dazu, dass die Menschen vorsichtig werden. Auch wir gehen davon aus, dass im nächsten Jahr eine Rezession kommt.

Drückt das auch auf die Immobilienpreise?

Wir sehen bei den Bestandsimmobilien erste Anzeichen, dass die Preise in Einzelfällen leicht fallen. Es hat sich von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt gedreht.

Wird sich das längerfristig so entwickeln oder ist das nur ein kurzer Dip?

Hier im Ballungsraum gibt es praktisch keine Leerstände. Wäre das anders, würden wir mittelfristig auch mal von einem fallenden Preisniveau ausgehen. Das ist aber nicht die Situation: Immobilien sind gesucht, Wohnraum ist gesucht. Deshalb sehen wir eher eine Seitwärtsbewegung mit leicht fallender Tendenz. Wir sehen aber keinen Immobilien-Crash. 

LEV-S

Sparkassenwerbung in der Hauptstelle an der Friedrich-Ebert-Straße in Wiesdorf

Was glauben Sie, wie lang wird die Rezession anhalten?

Das ist von ganz vielen Prämissen abhängig. Sollte der Ukraine-Krieg zeitnah beendet werden, fällt einer der großen Krisentreiber weg. Ob die Notenbanken mit ihrer Geldpolitik die Inflation eindämmen können, ist aber unsicher. Das zeigt die Entwicklung in den USA. 2023 wird jedenfalls ein herausforderndes Jahr, in jeder Hinsicht. Aber ich glaube auch, dass sich bei einzelnen Themen die Lage ein bisschen entspannen wird, dass wir aus dem Gröbsten heraus kommen.

Welche Rolle spielt dabei noch die Corona-Krise? 

Das ist in den allermeisten Bereichen erledigt. Man hat gelernt, mit Corona klarzukommen. Es gibt aber Branchen, die stark getroffen wurden und die jetzt auch wieder stark unter Druck geraten: der Einzelhandel, der Gastronomie- und Veranstaltungssektor. Auch da ist jetzt die Frage: Wie lange hält die Krise an?

Reden wir mal über die klassischen Kleinanleger. Würden Sie wieder zum Sparbuch raten?

Ich würde schon sagen, dass das wieder attraktiv ist. Der Zins ist zurück. Wir bieten im Moment Sparkassenbriefe bis zu zwei Prozent, und wir werden ab dem 15. November auch auf unseren Tagesgeldkonten wieder Zinsen einführen. Das ist im Vergleich schon nennenswert, aber man muss auch sagen, dass das bei einer Inflationsrate von aktuell zehn Prozent ein realer Vermögensverlust ist.

Die Börse ist immer einen Blick wert

Und obwohl die Situation angespannt ist, lohnt auch durchaus der Blick auf die Wertpapiermärkte, wenn die Risikobereitschaft da ist. Längerfristig werden wir von solchen Inflationsraten runterkommen. Ob wir die von der EZB gewünschten zwei Prozent wieder bekommen, das müssen wir mal sehen.

Die Sparkasse hat ihr Filialnetz drastisch verkleinert. Schadet das den Kundenbeziehungen? 

Das will ich nicht hoffen: Wir sind den Schritt gegangen, um die Kundenbeziehungen zu vertiefen. Das klingt zunächst widersprüchlich, aber auf den zweiten Blick ist es das nicht, wenn man sich das veränderte Kundenverhalten anschaut. Wir haben auch massiv in den Ausbau der digitalen Kommunikations- und Vertriebskanäle investiert. Wir beobachten, dass die Kunden sehr stark diese digitalen Angebote annehmen.

Sechs Millionen Besuche im Netz

Wir sprechen von sechs Filialen – unsere siebte im Internet hat jedes Jahr sechs Millionen Besucher. So viel hat keine physische Geschäftsstelle. Aber natürlich bin ich ein Freund der persönlichen Beratung. Ich frage mich aber, ob sie in einer Filiale sein muss oder über ein spezielles Beratungscenter.

Das könnte Sie auch interessieren:

Nähe ist nicht nur eine Frage des Filialstandorts, sondern auch eine des Kommunikationsweges. Und wenn Kunden nicht zu uns zu kommen, weil sie nicht so mobil sind oder weil andere Themen eine Einschränkung bedeuten, dann kommen wir zu den Kunden. Das ist eine ganz klare Zusage. Außerdem bleiben an allen Standorten die Selbstbedienungsgeräte: Geldautomaten, Kontoauszugsdrucker, SB-Terminals. Also alles, wo es ums Bargeld geht. Trotzdem verstehe ich auch, dass wir bei den Kunden keine Begeisterung auslösen.

Kein Abbau-Plan für Geschäftsstellen

Bleibt es denn bei den sechs Filialen?

Wir haben keinen Abbau-Plan. Aber ich kann nicht in die Zukunft schauen, auch das werden die Kunden mit ihrem Verhalten zeigen. Ich denke, dass es über die nächsten Jahre bei diesen sechs definitiv bleiben wird. 

Mit Hitdorf haben Sie eine Niederlassung in einem Boom-Stadtteil geschlossen, in der Sie außerdem Konkurrenz von einer Genossenschaftsbank haben.

Natürlich spielt es immer eine Rolle, ob Mitbewerber vor Ort sind oder nicht. Wir glauben aber, dass wir die Kundinnen und Kunden auch in Rheindorf oder hier aus der Zentrale kompetent und engagiert beraten können. Wir sehen auch im Moment keine Konto-Auflösungen, keine Abwanderung zu anderen Banken.

Was sagen Sie Leuten, die kein Online-Banking machen wollen?

Zunächst mal: Das Online-Banking wird sehr, sehr intensiv genutzt, aber es ist auch erklärungsbedürftig. Meist laufen die Fragen bei uns im Kundenservice-Center auf. Aber natürlich werden die Fragen auch in den Filialen gestellt. Ich betone: Wir haben immer noch über 500 Mitarbeiter, und der weit überwiegende Teil arbeitet mit Kunden. Aber wenn jemand das Online-Banking gar nicht nutzen will, kann er bei uns alles auch telefonisch machen, wenn Sicherheitsbedenken bestehen. Ich selber finde nicht, dass man Bedenken haben muss. Ich nutze das seit 30 Jahren. Und es ist nie was passiert.

Wie ist das mit Ladenbesitzern, die abends ihre Einnahmen auf die Bank bringen?

Die benutzen vielfach die Einzahlungsautomaten, die gibt es ja weiterhin überall. Das ganze Bargeld-Handling ist in Deutschland einfach noch ein Thema. Es wird viel noch mit Bargeld bezahlt und Bargeld muss versorgt werden. Aber wir merken, das ist rückläufig.

Bargeld ist teuer

Es wird seit Corona deutlich mehr mit der Karte bezahlt und das ist durchaus im Sinne der Händler. Die mögen das Thema Bargeld auch nicht. Bargeld ist teuer und wenn man es abends zur Sparkasse bringen muss, ist das auch ein Sicherheitsrisiko.

Kommen wir mal zum Thema Ausschüttung. Früher hat die Sparkasse ordentlich an die Stadt überwiesen. Wird das wieder?

Kurzfristig muss man sicherlich schauen, wie der Geschäftsverlauf jetzt tatsächlich ist. Im Kreditgeschäft sehen wir momentan keine Belastung. Aber das muss nicht so bleiben, je nachdem, wie tief und lang andauernd die Rezession ist. Gleichzeitig ist es so, dass die Eigenkapital-Anforderungen an Banken insgesamt deutlich gestiegen sind, aus den Erfahrungen der Finanzmarktkrise. Wir können die Gewinne thesaurieren oder anders verwenden. Aber wir wollen als Sparkasse auch über die nächsten Jahre weiter wachsen. Und: Über die Ausschüttungen entscheidet der Träger.

… also die Stadt, aber auf Vorschlag des Vorstands.

Wir sind mit dem Träger immer im Austausch.