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„Alles, was Recht ist“In Leverkusen wird immer mehr Mietern gekündigt

Lesezeit 4 Minuten
Die Eisenbahnersiedlung in der Opladener Neustadt.

Auskünfte zum Thema Konflikt mit Mietern gibt es in unserer Serie „Alles, was Recht ist“. (Symbolfoto)

Anwältin Christine Melle gibt Tipps, wie Mieter und Vermieter Streit beilegen können.

Ärger mit dem Vermieter? Kann man sich kaum noch leisten, angesichts der Wohnungsnot. Die wird auch in Leverkusen immer größer. Was zu steigenden Preisen führt. Und zu mehr Konfliktpotenzial. Christine Melle sieht das im Detail. Sie ist Fachanwältin für Mietrecht. Ihr Eindruck aus der Praxis: Es gibt gute und nicht so gute Vermieter. Nicht so gut „sind die mit den ganz großen Beständen“, sagt die Opladenerin. Damit meint sie nicht die städtische Wohnungsgesellschaft Leverkusen, den Gemeinnützigen Bauverein Opladen oder den Bauverein Bergisches Heim, der rund 1600 Wohnungen bewirtschaftet. Sondern Großvermieter wie Vonovia. „Da ist es oft schwierig mit dem Kontakt“, weiß Melle. Entsprechend länger dauere es oft, Probleme zu lösen.

Christine Melle mit Peter Orlowski.

Christine Melle mit Peter Orlowski.

Die können gravierend sein – etwa eine Heizung, die nicht läuft oder ein kaputter Aufzug. Reagiert der Vermieter nicht, kann das irgendwann ein Fall für die Anwältin werden. Und später für das Gericht. Es komme durchaus vor, dass vom Amtsgericht Leverkusen gegenüber einem Vermieter die einstweilige Verfügung erlassen wird, eine Heizung zu reparieren, ist Melles Erfahrung.

Mietminderung ist ein ganz schwieriges Thema

Überaus unübersichtlich sei das Thema Mietminderung bei Mängeln, die nicht abgestellt werden. Wie viel weniger darf man zahlen, wenn die Wohnung lange kalt bleibt, die Internetleitung tot ist, der Aufzug monatelang nicht funktioniert? Zehn, 20, 30 Prozent? „Überspitzt gesagt: Nehmen Sie einen Würfel“, sagt die Anwältin. Mietminderung sei ein juristisches Minenfeld. Klar sei nur eins: Auf keinen Fall „sollte man einfach so die Miete kürzen“. Der erste Schritt müssen sein: „Den Vermieter über den Mangel benachrichtigen und eine Frist setzen, in der er behoben werden soll.“ Die müsse schon ausreichend lang sein, so Melle.

Nehmen Sie einen Würfel.
Anwältin Christine Melle über die Höhe von Mietminderungen

Bestehe das Problem fort, solle man keinesfalls einfach irgendeinen Prozentsatz der Miete einbehalten, warnt Melle: „Sobald sich der Betrag auf zwei Monatsmieten summiert hat, kann der Vermieter fristlos kündigen.“ Denn darüber, welcher Mangel welche Mietminderung rechtfertigt, wird hingebungsvoll gestritten – vor Gericht: siehe Würfel. Ist Mietminderung also ein stumpfes Schwert? Nein, sagt Melle. Die Lösung: „Unter Vorbehalt bezahlen“. Und sich mit dem Vermieter einigen. Nach dem Grundsatz: Ein heiles Mietverhältnis ist besser als ein kaputtes.

Dabei seien Mieterverein auf der einen, Haus und Grund auf der anderen Seite oft gute Vermittler. In Leverkusen wohnen sie Tür an Tür – und oft wurde von beiden Seiten der konstruktive Dialog betont. Ob das Verhältnis zwischen den Vertretern gegensätzlicher Interessen wirklich so gut ist, vermöge sie nicht zu beurteilen, sagt die Anwältin. Gute Beratung helfe aber zweifellos dabei, Konflikte beizulegen.

Es gibt mehr Kündigungen

Grundsätzlich sorge der Wohnungsmangel dafür, dass es „mehr Kündigungen gibt“, weiß Melle. Es gebe durchaus Hauseigentümer, die auf den Mietspiegel schauen und sich fragen, warum sie eigentlich so wenig bekommen. Was praktisch immer an alten Verträgen liegt. Mieten könnten schließlich nicht beliebig erhöht werden. Um in dieser Frage Maß zu halten, ist der Mietspiegel wiederum eine gute Sache. Versuche, sich irgendwie über diese Regeln hinwegzusetzen, nähmen aber zu, ist Melles Erfahrung. „Ich beobachte da auch eine gewisse Dreistigkeit“, so die Anwältin, die seit eineinhalb Jahrzehnten mit Peter Orlowski zusammenarbeitet und jetzt Teil der Kanzlei FR-P ist.

Konfliktpotenzial zwischen Vermieter und Mieter biete auch das Gebäude-Energiegesetz. Für die Umwelt und die Nebenkosten ist ein niedrigerer Energieverbrauch natürlich gut. Aber die dafür notwendigen, oft hohen Investitionen machten die Sache schwierig. Eine sparsamere Heizung, dichtere Fenster, womöglich eine Isolierung der Außenwände und Kellerdecken: Das kostet. Daraus dann die richtige Mieterhöhung zu berechnen, sei kompliziert. „Nicht alles kann der Vermieter umlegen“, betont Melle. „Da brauchen beide Seiten Hilfe.“

Das betreffe meist eher Vermieter, die ein, zwei Häuser haben. Allerdings sei es in der Regel einfacher, sich mit ihnen zu einigen. Bei den Wohnungsgesellschaften sei zwar „die Fehlerquote geringer“, ist Melles Erfahrung. Aber Regelungen ließen sich manchmal schwerer finden, weil diese Vermieter Präzedenzfälle fürchten. Das zeigt: Streit zwischen Mieter und Vermieter kommt immer wieder vor. Doch bevor er ausufert, sollte man sich einen Dritten suchen, der sich auskennt und die Wogen glätten kann.