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ArbeitsrechtAuch im Chempark Leverkusen häufen sich die Kündigungen

Lesezeit 4 Minuten
Lichter von Werksanlagen auf dem Chempark in Leverkusen spiegeln sich im Rhein.

Die Sparpakete bei Bayer, Covestro und Lanxess kosten Stellen im Chempark. Was bei einer Kündigung zu tun ist, erläutern zwei Arbeitsrechtlerinnen.

Tipp von den Expertinnen Annemarie Jakobs und Ulrike Schraad: Es muss schnell gehen.

Kündigung per Whatsapp? Das gibt es immer wieder. Und es ist unwirksam. Genauso wie ein Rausschmiss via E-Mail. Oder eine Kündigung, die gar nicht unterschrieben ist. Für die Unterschrift gilt: Sie muss vom gesetzlichen Vertreter des Unternehmens stammen, sonst wird es rechtlich schwierig. Annemarie Jakobs hat in den vielen Jahren, in denen sie sich um Arbeitsrecht kümmert, viel gesehen. Und sehr oft die gleichen Fehler. „Es lohnt sich immer, gegen die Kündigung vorzugehen“, davon ist die Anwältin überzeugt.

Derzeit sei viel zu tun, beobachten Jakobs und ihre Kollegin Ulrike Schraad. Während ihr Kanzleikollege in Opladen, Peter Orlowski, im Moment auffällig viele Männer und Frauen betreut, die bei Bayer-Ausgründungen tätig sind, haben Jakobs und Schraad Aufträge aus einer anderen Branche: Autozulieferer. Dort sorge die Tendenz, die Produktion ins Ausland zu verlagern, für Personalabbau. „Und die Stellen sind dann endgültig weg“, sagt Schraad.

Kündigen geht auch ohne Abmahnung

Ihr und ihrer Kollegin Jakobs ist es wichtig, mit ein paar vermeintlichen Gewissheiten im Arbeitsrecht aufzuräumen. Zum Beispiel der, dass man nur gekündigt werden kann, nachdem man öfter abgemahnt wurde. „Die Abmahnung ist nicht immer Pflicht“, unterstreicht Jakobs. Und auch die Regel, dass eine Abmahnung drei Disziplinargespräche voraussetze, „gibt es nicht“. Ergo: Beschäftigte sollten sich nicht zu sehr in Sicherheit wiegen.

Die Anwältinnen Annemarie Jakobs, Christine Melle und Ulrike Schraad

Annemarie Jakobs (links) und Ulrike Schraad (rechts, hier mit ihrer Kollegin Christine Melle) wissen: Bei Kündigungen muss man schnell sein.

Das gilt auch bei Krankheit: Es stimme einfach nicht, dass Krankheit grundsätzlich kein Grund für eine Kündigung sein kann.

Fallstricke für Arbeitgeber wiederum gebe es bei Langzeit-Erkrankten beim Thema Urlaub. Wenn jemand nur kurz wieder an seinem Arbeitsplatz auftaucht, erscheine es zwar seltsam, ihn dann auf Wunsch sofort wieder in den Urlaub zu schicken. Oft sei das aber wichtig, denn „Urlaub verjährt bei Langzeitkrankheit und ohne gewisse Hinweise des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer vor der Erkrankung nicht“. Auch wenn die einschlägigen Regelungen in Tarifverträgen diesen Gedanken nahelegen: Am 31. März des Folgejahres ist der Resturlaub nicht futsch, wenn es bis dahin wegen durchgehender Erkrankung keine Gelegenheit gab, ihn zu nehmen.

Das Recht auf Urlaub währt ewig

„Das Bundesurlaubsgesetz ist durch EU-Rechtsprechung überholt“, sagt Anwältin Jakobs. Das wüssten aber viele Arbeitgeber nicht. Auch nicht, dass sie ihre Angestellten zur Not anweisen müssen, den Urlaub zu nehmen. Gerade bei Leuten, die sehr lange krank sind, gerate das schnell aus dem Fokus. Und dann gibt es Probleme, die teuer werden können: Am Ende eines Arbeitsverhältnisses muss nicht genommener Urlaub ausgezahlt werden. „Da kommen schnell hohe Summen zusammen“, so Jakobs.

Ein großes Thema, wenn es um Kündigungen geht, sind die kurzen Fristen. Eine Kündigungsschutzklage muss binnen drei Wochen erhoben werden. Viele Arbeitgeber hätten das aber nicht auf dem Schirm. Mancher Arbeitnehmer allerdings auch nicht.

Die Vermutung, vor allem deutsche und deutschsprachige Arbeitnehmer werten sich gegen eine Kündigung, können Jakobs und Schraad nicht bestätigen: „Es spricht sich in den Betrieben schon herum, dass man eine Kündigung nicht einfach so hinnehmen muss.“

Arbeitszeiten sind ein heißes Thema

Aber nicht immer geht es gleich um einen Rausschmiss, wissen die beiden Fachanwältinnen. Anlass für Streit seien immer öfter die Arbeitszeiten. Seit viele Beschäftigte von daheim arbeiten oder ein Dienst-Telefon haben, sind Ruhezeiten ein Riesenthema: Elf Stunden müssen zwischen dem Arbeitsende und dem Beginn liegen. „Wenn jetzt jemand abends um 22 Uhr noch für drei Minuten eine dienstliche Mail bearbeitet, beginnt danach wiederum die Ruhezeit“, unterstreicht Annemarie Jakobs. Das sei vielen nicht klar. Und Beschäftigte, denen immer wieder kurze Jobs am Feierabend zugemutet werden, hätten eines Tages vielleicht Veranlassung, dagegen vorzugehen. Mit den allerbesten Chancen – auch das sei vielen Vorgesetzten nicht klar.

Ebenfalls ziemlich neu sei das Konfliktpotenzial Datenschutz. Vor allem das sehr umfassende Auskunftsrecht der Beschäftigten könne Anlass für Auseinandersetzungen sein. Wenn ein Arbeitgeber auf ein entsprechendes Ersuchen nicht reagiere, fällt ein Bußgeld an. „Das sind ziemlich hohe Summen“, weiß Jakobs. Auch das hätten viele nicht auf dem Schirm.