Neue Bürogebäude, ein Parkhaus und ein KI-Serverraum sind in einem Industriegebiet in Leverkusen geplant. Bürger sind skeptisch.
Pläne im Seveso-ZonenrandgebietWie Leverkusen in Wiesdorf doch noch bauen will

Um dieses Grundstück im tiefsten Wiesdorfer Westen geht es: Hier soll das Businessquartier Niederfeldstraße entstehen. Hinten: Sankt Antonius.
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Die Gegend im tiefsten Wiesdorfer Westen ist auf gewisse Weise ein wildes und interessantes Stück Stadt: Zwischen Werk, Autobahn, Altlast, Neulandpark und Rhein gelegen, gibt es Brachland, Straßen, Parkplätze, Wohn- und Erholungsgebiete. Falls es einen Chemieunfall gibt, lebt man dort an der vordersten Front, dort enden mehrere Pipelines, weite Teile unterliegen dem Seveso-Schutzkonzept der Stadt. Der Werkszaun ist allgegenwärtig, Tanks stehen in Rufweite, gelegentlich hört man Strömungsgeräusche aus den Rohren und Ventilen des Chempark. Zum Gebiet gehört die Bürgerhalle, die (noch) Bayer gehört, und der Kriegsbunker Niederfeldstraße, den die Stadt Leverkusen gekauft hat.

Bei der Ideenwerkstatt zum Businessquartier Niederfeldstraße konnten sich die Nachbarn einbringen.
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Ungefähr seit 20 Jahren wird in der Gegend um Sankt Antonius über eine mögliche und auch machbare Bebauung geredet und es wurde schon einiges geplant. Verworfen wurden schon eine reine Siedlung, weil der Großteil des Grundstücks zu nah am Werk liegt, also in der „heißen“ Seveso-Zone I; verworfen wurde auch ein vor etwa sechs Jahren als „Kreativquartier“ vorgestelltes Gewerbegebiet, in das die amtlichen Leverkusener Stadtplaner viel Planungsarbeit investiert hatten und für das im Internet noch geworben wird. Investoren fanden sich nicht.

Auf dem Bayer-Parkplatz könnte ein Parkhaus gebaut werden.
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Jetzt versucht sich die Stadtteilentwicklungsgesellschaft Wiesdorf Manfort (SWM) an einem ähnlichen Konzept, zu dem am Montag die Nachbarn zu einer Ideenwerkstatt in die Bürgerhalle eingeladen wurden. Die SWM hat schon viel vorgegeben: Wie berichtet, könnte im Bunker ein KI-Serverraum entstehen. Auf der Wiese vor Sankt Antonius könnten nach den vorgestellten Plänen mehrere drei bis fünfgeschossige Büroimmobilien entstehen, für kleine Firmen und Start-ups, erläuterte der Planer Hartmut Welters. Für Büroflächen zwischen 400 und 800 Quadratmetern Größe gebe es viel Bedarf. Auf dem Bayer-Parkplatz an der Hauptstraße soll ein Parkhaus gebaut werden.
Wiesdorfer Zonenrandgebiet
Ein Stück Wiese an der Bürgerhalle soll grün bleiben. Die Radwege und die Fußwege, die heute dort verlaufen, sollen alle offen bleiben, das will der Architekt und Stadtplaner als Voraussetzung für den anstehenden Wettbewerb festlegen.

Heute kommt man mit dem Rad gut durch, das soll so bleiben.
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Das ganze Gelände gehört zum Zonenrandgebiet Wiesdorfs, weil dort die Seveso-III-Schutzzone beginnt. Nur zwischen Kreuzhof und dem Bunker seien Wohnungen möglich, die Bereiche liegen außerhalb der Zonen-Grenze. Die Grenzen scheinen etwas willkürlich gezogen zu sein. Während alle Häuser an der Niederfeldstraße nicht dem potenziell gefährlichen Bereich zugeordnet wurden, ist es das Rheinufer westlich davon schon. Der Bunker liegt außerhalb, die Bürgerhalle drinnen, sie wurde um das Jahr 2000 gebaut, heute bekäme man für sie niemals mehr eine Genehmigung, hieß es bei der Nachbarschaftsversammlung am Montag. Noch vor 25 Jahren war man angesichts der Gefahren durch die Chemie noch weniger aufgeregt als heute.

Links: das ehemals besetzte Haus N8 am Ende der Niederfeldstraße
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Was die Bürger da noch beeinflussen können, was wie gebaut werden kann, was nicht, ist unklar. In der Gegend wohnen vergleichsweise wenige Menschen und von denen kommen erfahrungsgemäß auch nur ein Bruchteil zu den Versammlungen, um sich einzubringen. Ein Bürger stänkerte: „Wir haben hier doch sowieso nichts zu melden!“, und machte sich von dannen. Andere brachten sich ein. Eine Anwohnerin klagte: „Wir werden hier zugemüllt!“, was sie meinte: Krach von der Autobahnbaustelle, der Umleitungsverkehr durch die häufigen Sperrungen, die Ängste, die die Einwohner wegen der häufigen Öffnungen der alten Kippe haben.
Leverkusener sorgen sich vor Giftmüll
Einer bemerkte: Pünktlich, sobald die zweite Autobahnbrücke fertig sei, beginne die Baustelle des Businessquartiers. Ein Mann sorgte sich gar wegen möglicher Vertreibung aus den Häusern, wie man das weiter nördlich am Haldenweg wegen der Altlast gesehen hat: Dort mussten die Menschen aus ihren Häusern raus, als den Behörden klar wurde, was da an Gift im Boden lag. Tatsächlich beginnt die alte Kippe nur etwas nördlich vom Projektgebiet. Der Mann: „Sie machen hier irgendwas auf!“, SWM-Geschäftsführer Björn Krischik räumte ein, dass man den Boden bisher nicht untersucht habe.
Der Zeitplan: Jetzt läuft eine online Bürgerbefragung auf swm-lev.de Ergebnisse des Wettbewerbs sollen im September 2025 feststehen, dann wird ein Bebauungsplan erarbeitet. Frühestens in drei Jahren könnte Baubeginn sein. Könnte – falls es beim dritten Versuch klappt.