Lena aus Leverkusen bei „Princess Charming“„Mit Sexismus lernt man als Frau zu leben“
Leverkusen – Am Dienstag, 14. Juni, ist klar, was im Hause Hitsch in Leverkusen los sein wird: die Hölle. Im positiven Sinne. Die ganze Familie wird vor dem Fernseher sitzen und gespannter sein, als es der größte Serien-Fan vor dem Staffelstart der eigenen Lieblingsserie je sein könnte. Auf dem Tisch bei den Hitschs: Sekt, Nachos, Tacos, Popcorn „und etwas Saures“. Auf dem Bildschirm: „Princess Charming“. Und im Mittelpunkt: Lena Hitsch. Die hat bei der Reality-Show des Anbieters RTL+ und des TV-Senders Vox nämlich mitgemacht.
Was bedeutet, dass Lena Hitsch an einer kleinen Revolution mitwirkt. „Princess Charming“ ist schließlich die erste Dating-Show für lesbische respektive queere Menschen. Die erste Staffel 2021 wurde dafür mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet und für den renommierten Grimme-Preis nominiert. Jetzt folgt Runde zwei. Und Lena Hitsch ist dabei. Tatsächlich einfach so im Sinne von auf dem einfachsten Wege: Sie sah zu, sie bewarb sich – und sie siegte. Also: zumindest bewerbungstechnisch.
Vielleicht liebt Lena bald Hanna Sökeland
„Ich habe mich relativ früh, schon ziemlich schnell nach Ende der ersten Staffel, beworben“, erinnert sich die 20-Jährige. Sie hatte damals den „Bachelor“ geschaut – eine Dating-Show, in der mehrere Frauen um die Gunst eines Mannes werben. „Ich wünschte mir sofort, dass es dieses Sendeformat auch für queere Menschen gibt. Und als „Princess Charming“ dann herauskam, war ich begeistert und dachte: ‚Toll, das ist genau etwas für mich!’ Es ist ein tolles Konzept.“
Denn Lena ist queer. Sie liebt Frauen. Und vielleicht liebt sie bald auch Hanna Sökeland. Denn die ist die neue „Princess Charming“, deren Gunst und Herz ab sofort 19 andere Frauen erwerben möchten. Neun Folgen lang. Jeden Dienstag. Bis zum Showdown am 9. August.
Natürlich geht es bei all dem auch um Entertainment. Um Einschaltquote. Um knallharte wirtschaftliche Interessen inmitten einer heftig umkämpften und von Streaming-Diensten umgekrempelten TV-Landschaft. Aber es geht darüber hinaus noch um wesentlich mehr. Oder wie Lena Hitsch sagt: „Ich habe mich auch mit der Motivation beworben, mich zu verlieben. Natürlich. Aber ich nehme bewusst auch die Aufgabe an, aufzuklären und Sichtbarkeit zu schaffen.“ Für Diversität. Für Homosexualität, für Queerness, für Lebensentwürfe abseits der alten Klischees, die ohnehin längst hinfällig sind.
Und bei Lena Hitsch kommt ja noch so einiges Weiteres hinzu: Sie ist eine schwarze Deutsche – wie ihre sieben Jahre ältere Schwester Gina, mit der sie seit geraumer Zeit unter anderem in Reihen des Vereins „Be Your Future“ gegen Diskriminierung kämpft und deren stetes Engagement gegen Rassismus Lena als Inspiration sieht. Weil sie Rassismus am eigenen Leib erfahren hat und immer noch erfährt. Und weil sie weiß: Der tut weh. „Mit Sexismus lernt man als Frau zu leben“, sagt sie. „Aber wenn ich rassistisch beleidigt werde, trifft mich das ganz, ganz hart. Denn dann betrifft es ja auch viele andere. Das ist eine andere Stufe von Menschenverachtung.“
Lena hat ein dreijähriges Kind
Und: Lena hat ein dreijähriges Kind. Was für sie erfahrungsgemäß zweierlei bedeutet. Erstens: „Dating ist dadurch nochmal eine Sache für sich. Denn wenn ich im privaten Leben jemanden date, habe ich immer nur begrenzt Zeit und muss immer alles umstrukturieren.“ Im Rahmen von „Princess Charming“ hingegen – gedreht in Griechenland – konnte sie sich nun einmal „völlig losgelöst von allem darauf einlassen“.
Und zweitens: „Sobald ich im privaten Leben äußere, dass ich ein Kind habe, bin ich die junge Mama mit dem dreijährigen Kind. Sprich: Die Gesellschaft packt mich in die Kiste, macht die Kiste zu – und stellt mich weg. Aufgrund der Tatsache, dass ich ein Kind habe, wird gar nicht erst in Erwägung gezogen, dass ich queer sein könnte. Es wird davon ausgegangen, dass ich auf Männer stehe.“ Kurzum: Stereotype, wohin Lena Hitsch auch blickt.
Und genau deshalb ist sie nun bei „Princess Charming“ angetreten. Um diese Stereotype aufzubrechen. Und sie weiß ihre Familie hinter sich: „Alle haben sich riesig gefreut, dass ich angenommen wurde – weil sie alle wissen, wie viel mir diese Sache bedeutet.“ Und sie wissen das auch, weil Lenas Sexualität in diesem engen Kreis exakt so angesehen wird, wie sie überall und jederzeit angesehen werden sollte: als vollkommen normal, menschlich, nichts Besonderes. Als: Ist so, na und?
„Bei mir kam die Tatsache, dass ich auf Frauen stehe, zwar plötzlich“, sagt Lena rückblickend. „Aber: Wenn ich alles Revue passieren lasse, was ich über die Jahre erlebt habe, sehe ich, dass es da schon Anzeichen gab.“ Sie dachte immer: Frauen machen anderen Frauen eben auch mal Komplimente oder schauen anderen Frauen nach. „Und wenn man sich mal Freundschaften zwischen Frauen und Freundschaften zwischen Männern anschauen, dann sieht man: Freundschaften zwischen Frauen sind viel herzlicher. Zwei Freundinnen geben sich auch mal einen Schmatzer.“
Das Outing war ein Selbstgeständnis
Ihr Outing beschreibt sie als Selbstgeständnis. „Das war wichtig, weil es sich sehr befreiend angefühlt hat, es auch mir selbst einzugestehen.“ Natürlich stellten die Eltern erst einmal Fragen. „Aber das war total in Ordnung. Wenn ich mich in sie hineinversetze, hätte ich diese Fragen ja auch gestellt. Und sie haben mir ganz schnell das Gefühl gegeben, in Ordnung zu sein. Dafür bin ich sehr dankbar. Denn meine Familie bedeutet mir alles und ich weiß, dass es Menschen gibt, die es sehr viel schwerer haben.“
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Somit ist das Einzige, was Lena Hitsch – der Leverkusenerin, die am Geschwister-Scholl-Berufskolleg ihr Fachabitur im Bereich Gesundheit und Soziales baute, die demnächst ein duales Studium beginnt und die auszog, um „Princess Charming“ zu erobern und ein Statement zu setzen – derzeit eher schwerfällt, die vom Sender abgenommene Verpflichtung, nicht einen Ton darüber zu sagen, wie es denn nun ausgegangen ist in Griechenland.
Denn alle Folgen, die in den kommenden Wochen ausgestrahlt werden, sind ja bereits abgedreht. „Aber ich darf nix verraten“, sagt sie. Und verrät nix. Und lächelt – weil sie sich einfach diebisch darüber freut, ihr Ding durchgezogen zu haben. Und es weiter durchzuziehen. Für sich. Und vor allem: Für viele andere Menschen.
Die erste Folge der zweiten Staffel von „Princess Charming“ ist ab Dienstag, 14. Juni, beim Streamingdienst RTL+ abrufbar. Für dessen Nutzung muss ein Abo abgeschlossen werden. Beim TV-Sender Vox (Free-TV) beginnt die zweite Staffel eine Woche später, am Dienstag, 21. Juni, um 20.15 Uhr. Weitere Episoden folgen dann – auf beiden Portalen – jeweils dienstags. Die Staffel umfasst neun Folgen sowie eine besondere zehnte „Wiedersehens-Folge“.