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Erstes Mal auf einem WagenHohe Kamelledichte und tolle Mottos auf Schlebuscher Zug

Lesezeit 4 Minuten
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Stefanie Schmidt fährt das erste Mal auf einem Karnevalswagen mit.

Leverkusen – Am Freitagabend bricht dann doch noch leichte Hektik aus. Die ganze Woche habe ich mir eingeredet, der Wetterbericht werde sich schon noch ändern. Es darf nicht regnen zum 33. Schlebuscher Schull- und Veedelszoch (jeckes Jubiläum!). Das wäre zu schade für die rekordverdächtigen 1500 Teilnehmer, die sich seit Wochen und Monaten auf diesen Samstag vorbereiten. Und für die Tausenden Zuschauer. Und (darf ich sagen: vor allem?) für mich, die noch nie bei einem Karnevalszug mitgefahren ist. Doch das Regenbildchen im Handy verschwindet nicht, die Gelassenheit schon. Also noch schnell einen Regenponcho kaufen, passend zum restlichen Kostüm mit Heißkleber eine Hai-Finne auf den Kopf und Zähne an die Kapuze kleben.

Am Samstagmorgen dann: Blauer Himmel über Schlebusch. Ich überlege noch, ob ich den Poncho überhaupt mitschleppe, aber man weiß ja, dass es eher nicht regnet, wenn man vorbereitet ist. Auf der Zugleiter-Lok angekommen ist der Himmel wieder zugezogen und es heißt erst einmal: Tüten aufreißen und die Fächer mit Wurfmaterial füllen.

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Noch während die Lok an den anderen Wagen und Fußgruppen vorbei zum eigentlichen Start fährt, beschäftigt die Zug-Neulinge die Frage: Rausfeuern oder Haushalten?

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Unsere Autorin übt sich im Kamellewerfen.

Wie groß darf die Kamelledichte pro Meter Zugweg sein? Ist ganz egal, wenn süße Kinder in Plüschkostümen aus vollem Hals „Kamelle“ rufen und die Augen dabei vor Begeisterung leuchten. Dann fliegen die Gummibärchen.

Vom Winde verweht

Erste Erkenntnisse auf der Mülheimer Straße: kleine Süßigkeiten fliegen nicht sehr weit und wenn man nicht fest genug wirft und sie vom Wind erfasst werden, klatschen sie gegen den armen Sicherheitsmann unter mir. Und der muss nicht nur mit der Befeuerung leben, sondern entfesselten Kindern auch noch beibringen, dass sie sich für die Tütchen nicht unten den Wagen stürzen dürfen. Auf diesem Weg noch mal: Entschuldigung, lieber Wagenengel, ich übe noch!

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Tausende Zuschauer am Wegesrand

Kurz vor dem Lindenplatz stockt der Zug, die Aufregung steigt. Als Schlebuscherin weiß ich natürlich, dass es jetzt in die Fußgängerzone geht, wo die meisten Zuschauer stehen. Sind noch genug Kamelle da? Sicher braucht man dort besonders viele. Nächste Erkenntnis: Stimmt nicht. Hier stehen vor allem Jugendliche, von denen viele nicht mehr besonders nüchtern aussehen und die meisten kein großes Interesse an Kamelle haben. Erste Versuche zeigen: Sie bücken sich nicht mal. Sie verlangen nach Strüssjer, bekommen einige auch. Aber motiviert es mich, wenn ich von einem SEK-Mann durchs Megaphone angebrüllt werde? Nein.

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Bützje auf dem Zug in Schlebusch

Ich übe mich also mehr im Gummibärchen-Weitwurf in die Fenster im ersten Stock, die sind ungefähr auf Augenhöhe. Ist nicht einfach, aber geht. Und wird mit Begeisterung honoriert. Am Ende der Fußgängerzone dann wieder mehr süße Kinder, auch ein paar mir bekannte. Das Ergebnis: An der Kreuzung Gezelinallee / Oulustraße sind die Fächer leer. Ausverkauft. Aber es sind immer noch gut 400 Meter Zugweg übrig. Schreiende Kinder.

Wir räumen den Wagen auf, finden noch ein paar Tütchen, die dann wohldosiert überreicht werden. Hier am Wegende sind sie trotzdem gut drauf, es wird viel getanzt. Ich kann nur noch winken – und die Leute winken fröhlich zurück. Am Ende der Morsbroicherstraße hält die Lok. Abladestation, die Fahrgäste werfen erst die leeren Kisten ab, steigen dann selbst aus. Begeistert von dem Erlebnis, tausende fröhliche, bunte Menschen von oben zu sehen, und sie mit dem Wurfmaterial noch ein bisschen fröhlicher zu machen. Zwei grandiose Stunden lang.

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Als ich gerade denke, das war es jetzt, wird mir klar: Nein, war es nicht. Das ist das Beste, wenn man auf dem ersten Wagen mitfährt. Der Zug kommt noch. So kann ich sie alle noch sehen: Die 44 Gruppen, von denen sich fast alle in wahnsinnig aufwendigen und farbenfrohen Kostümen an das Motto: „Mir Schliebijer treiben`s bunt, jeck bis zum Meeresgrund“ angepasst haben. Überall Fisch, Quallen, Netze, Muscheln in allen Farben, ein fantastisches Bild. Meine Favoriten: Die 99 Teilnehmer starke Gruppe der GGS Morsbroicher Straße mit ihren blauen Korkenzieher-Kopfbedeckungen und die GGS Waldschule als orangenfarbene Oktopusse.

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Nicht nur wegen der fantastischen Kostüme, sondern auch der tollen Gedanken: „Meer Bildung für alle“ titelt die Waldschule. „Uns Schull, die es so bunt, wie die Fisch am Meeresgrund. Dröm schützt die Meere vun uns Ääd, söns es et irgendwann zu späd“, die Morsbroicher Schule. „Der Kindergarten bleibt ganz Jeck – doch nehmt uns nicht die Meere weg“ ist das Motto des Kindergarten St. Franziskus. Karneval bildet. Auch wenn am Verpackungsmüll noch gearbeitet werden muss.

Zuletzt bleibt nur noch eine Frage: Braucht jemand einen unbenutzten Regenponcho mit Finne und Zähnen auf der Kapuze?