Zu Beginn des Schuljahres wurde der Schülerspezialverkehr nach Bergisch Neukirchen eingestellt. Der Weg mit dem Linienbus ist für die Kinder alleine nicht sicher, finden die Eltern.
Sicherer SchulwegOhne den Pattscheider Schulbus geht es nur noch mit Elternbegleitung
Kurz vor acht Uhr an der Grundschule Bergisch Neukirchen: Dagmar Klapper streift ihre gelbe Warnweste ab. „Mein Dienst ist beendet“. Klapper ist die Großmutter einer Schülerin und ein Teil des großen Netzwerks, das Familien in Pattscheid, Romberg und Linde aufgebaut haben. Der Grund: Ihre Kinder können nicht mehr, wie jahrzehntelang, mit einem eigenen Schulbus zur Grundschule fahren. Der „Schülerspezialverkehr“ wurde vom Stadtrat mit zwei Stimmen Mehrheit knapp abgeschafft: aus finanziellen Gründen, und, weil mittlerweile auch der Schnellbus 24 die fast identische Strecke die Burscheider Straße entlang fährt. Die Kinder könnten diese nehmen, so die Begründung des Stadtrates.
Rückfahrt fällt regelmäßig aus
Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. „Ich finde das schlimm, was mit den Kindern gemacht wird“, sagt Klapper. Morgens gehe es noch, da komme der Bus einigermaßen zuverlässig. Aber am Nachmittag sieht es ganz anders aus, zeigt auch ein Protokoll, dass die Eltern führen. Ein Beispiel: Am Montag, 21. August, kam der 7:32-Uhr-Bus sechs Minuten zu spät, der um 7:45 Uhr zehn Minuten, da wird es schon eng mit dem Schulstart um 8:15 Uhr. Am Nachmittag ist die Liste dann tief rot: 13:48 - entfallen. 14:08 - voll. 14.28 - voll. 14:48 - entfallen. 15:08 - entfallen. 15:28 - voll.
Die Eltern lassen die Kinder deswegen noch nicht alleine Bus fahren. „Wer weiß, was die Kleinen an der Bushaltestelle machen, wenn sie 20 oder 30 Minuten waren müssen“, sagt Christin Lülsdorff. Ungeduldige, zappelige Kinder und eine viel und schnell befahrene Hauptstraße, das ist keine gute Kombination. Außerdem kamen durch die vielen Ausfälle schon Busse an, die so voll waren, dass die Kinder nicht von alleine eingestiegen wären.
„Da war ein Vater dabei, der die Fahrgäste gebeten hat, für die Kinder zusammenzurücken. Aber das hätten sie sich alleine nicht getraut“, sagt Lülsdorff. Und dann ständen die Kinder noch länger an der Straße. Lülsdorff organisiert die Eltern- und Großelternbegleitung. Es gibt Listen und Chatgruppen, in denen abgestimmt wird, wer wann begleitet und in dem Kinder abgemeldet werden, die zum Beispiel krankheitsbedingt nicht kommen.
„Ich stehe morgens immer mit dem Handy an der Bushaltestelle und gucke, wer kommt und ob alle da sind, das ist schon stressig“, sagt Klapper. Auf dem Hinweg ist nicht die Busfahrt ihre größte Sorge, sondern der Fußweg von der Haltestelle. Die Kinder könnten bis zur Wuppertalstraße fahren.
Eltern begleiten die Kinder auf dem Weg zum Bus
Dann müssten sie aber die große Kreuzung überqueren und den Parkplatz vor dem Hallenbad, der am Morgen rege von Elterntaxis frequentiert wird. „Wir haben uns deswegen entschieden, dass die Kinder eine Haltestelle früher in Hüscheid aussteigen und durch die Hüscheider Gärten gehen“, sagt Lülsdorff. Das ist zwar ein netter Weg, aber da gibt es auch viel zu entdecken. „Ich muss schon immer schauen, dass niemand stehenbleibt, weil er einen Käfer beobachten will“, sagt Klapper. Dass die Kinder den Weg bald alleine gehen, sieht sie noch nicht kommen. „Zumal, wenn es im Winter morgens noch dunkel ist.“
So geht es nur mit viel Elternengagement. „Alle helfen mit, das ist toll, aber doch nicht Sinn der Sache“, sagt Klapper. Sie findet es traurig, dass das Geld für den Schulbus gestrichen wurde „auf dem Rücken der Kinder.“ Wobei die das Busfahren eigentlich ziemlich toll finden, sagt Lülsdorff: „Die würden am liebsten morgens schon alleine losziehen.“
In Sachen Selbstständigkeit und Selbstbewusstsein ist die eigenständige Bewältigung des Schulweges ohne Elterntaxi eine wichtige Erfahrung. Nur sicher ist der Weg für ihre Kinder noch nicht, sagt Lülsdorff. Zumindest an der Zuverlässigkeit der Busse müsse dringend noch etwas getan werden.
Jetzt mitmachen – „Achtung Schulweg!“
Wir möchten eine möglichst umfassende Dokumentation der Gefahrenstellen auf Schulwegen in Köln und der Region erstellen und rufen daher mit dem Automobil-Club Verkehr dazu auf, Gefahrenstellen zu melden und zu dokumentieren. So wollen wir konstruktiv dazu beitragen, Gefährdungen von Schülerinnen und Schülern zu erkennen und zu reduzieren. Das geschieht über den CrowdNewsroom, eine Online-Plattform des investigativen Recherchenetzwerks Correctiv. Hier geht es zum Formular: ksta.de/sicher
Grundschulen können sich bei den regionalen Radiosendern wie Radio Leverkusen an einer Verlosung beteiligen, um Sicherheitswesten zu gewinnen. Mehr Infos dazu gibt es auf radioleverkusen.de. Ein vergleichbares Projekt hatte erstmals die Schweizer Zeitschrift „Beobachter“ gemeinsam mit Correctiv organisiert. Alle Infos zur Aktion unter: ksta.de/schulweg