Der Sozialdezernent hat der Behörde auf die Finger geschaut. Fazit aus Sicht der Stadt: Es wurde nichts falsch gemacht.
SozialbetrugWelche Akten das Leverkusener Jobcenter dem Landgericht Köln gab
Auf 1729 Seiten ist festgehalten, wie und wann ein Paar mit vier Kindern aus der Leverkusener Roma-Großfamilie Sozialleistungen bezog zwischen März 2014 und April 2019. Insgesamt flossen rund 168.000 Euro, bewilligt wurde das Geld meist für ein halbes Jahr. Am Freitag reagierte Leverkusens Stadtverwaltung auf die Aussagen der 16. Großen Strafkammer im laufenden Prozess. Die Richter hatten am Mittwoch beklagt, es sei seit Oktober nicht gelungen, weitere Akten vom Jobcenter in Leverkusen zu bekommen. Erst für Donnerstag, also den 11. April, sollte ein Mitarbeiter der „Arbeitsgemeinschaft Leverkusen“ (AGL) greifbar sein, der den Überblick über den fünf Jahre währenden Großbetrug durch diesen Teil der Großfamilie habe.
Die Vorsitzende Richterin Sabine Grobecker hatte sehr deutlich gemacht, dass die Zusammenarbeit mit der AGL sehr zu wünschen übrig lasse. Als Reaktion auf den Bericht im „Leverkusener Anzeiger“ begab sich am Donnerstag Sozialdezernent Alexander Lünenbach zur AGL, die am Wiesdorfer Bahnhof untergebracht ist. Er wollte wissen, was da eigentlich los ist.
Warum Akten nicht zur Verfügung stehen, „ist nicht erklärbar“
Am Freitagnachmittag kam von Britta Meyer, Sprecherin bei der Stadtverwaltung, diese Darstellung: Das Basismaterial im Umfang von 1729 Seiten sei der Kölner Staatsanwaltschaft am 19. März 2019 „vollumfassend“ zugegangen. Dabei sei es nicht geblieben: Im Laufe des Prozesses, der Mitte März vor dem Kölner Landgericht begann, hätten „Staatsanwaltschaft und Jobcenter AGL im für den Prozess erforderlichen Austausch“ gestanden. Warum weitere für den Verlauf des Strafverfahrens erforderliche Unterlagen nicht zur Verfügung standen, „ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht erklärbar“, so Meyer.
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Um in der Sache nun voranzukommen, habe das Jobcenter „nochmals die aus Sicht der 16. Strafkammer fehlenden Unterlagen zusammengestellt“. Sie seien am Freitag „per Boten dem Gericht erneut zugestellt“ worden – „mit dem gemeinsamen Ziel beider Behörden, den Prozess zum Abschluss zu bringen“, unterstreicht die Sprecherin der Stadtverwaltung.
Tatsächlich hätten die AGL in den vergangenen drei Monaten diverse Anfragen von Staatsanwaltschaft und Gericht erreicht, ergänzte Meyer. Sie seien „allesamt nachweislich“ von Beschäftigten der AGL „zeitnah beantwortet“ worden. Fazit aus dem Leverkusener Rathaus: „Das offensichtliche Missverständnis konnte glücklicherweise ausgeräumt und so hoffentlich ein Diskredit der Leverkusener Behörde behoben werden.“ Der Fortgang des Prozesses wird zeigen, ob das Material nunmehr reicht. Die beiden Anwälte des Paars hatten zum Auftakt deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht Akten des Jobcenters fehlen.