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„Spamalot“ im ForumEin paar noch verrücktere Ritter der Kokosnuss für Leverkusen

Lesezeit 3 Minuten

Tafelrunde des Irrsinns (v.l.): Sir Galahad (Florian Soyka), Lancelot (John Wesley Zielmann) und König Artus (Rainer Zaun).

Leverkusen – Wer den Film „Die Ritter der Kokosnuss“ kennt – und es sind viele, die das tun und davon wiederum zahlreiche, die ihn auswendig mitsprechen können –, der denkt: Mehr geht nicht. Diese Offensive des maximalen Klamauks und tiefschwarzen Humors, diese umfassende Absonderlichkeit, die von der Satiretruppe Monty Python in die sehr eigene Version der Artus-Sage gelegt wurde, kann nicht gesteigert werden.

Dann aber kommt der Moment des zur Seite gehenden Bühnenvorhanges im Forum. „Spamalot“ beginnt – die Musical-Variante des Filmes. Und 150 Minuten später ist Revision angesagt. Meinungswechsel. Denn: Es geht sehr wohl mehr. Der Film ist nicht das Ende der Fahnenstange.

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Spitze des Qualitätshumors

Natürlich bleibt „Die Ritter der Kokosnuss“ einzigartig. Natürlich ist dieser Streifen bis in alle Ewigkeit die Spitze des Qualitätshumors nicht nur britischer Machart, sondern jeder Art von Witz. Eine Blaupause sozusagen, die nur aus den eigenen Reihen noch erreicht werden kann: Wenn es nämlich um Monty Pythons“ Das Leben des Brian“ oder „Die wunderbare Welt der Schwerkraft“ geht. Aber: „Spamalot“ rauscht dennoch in diese Phalanx der Satirekultur hinein – weil es noch überkandidelter als die Vorlage ist.

Das Regieduo Eric Idle – seines Zeichens höchstselbst Mitglied Monty Pythons – und John Du Prez hat der Handlung um die Ritter der Tafelrunde, die auf der Suche nach dem Heiligen Gral sind, gleich noch ein irres Broadway-Korsett auf den Leib übergestülpt. Zu den sattsam bekannten Szenen des Filmes – der vulgäre Streit mit den Franzosen, der Kampf gegen den immer mehr Gliedmaße verlierenden Ritter, das Wüten des Killerkaninchens, der Disput mit den stets „Ni“ sagenden Rittern – gesellen sich plötzlich gänzlich neue hinzu.

Cheerleader und Regenbogenfarben

Cheerleader der LA Lakers etwa huldigen Artus. Eine Parade von in Regenbogenfarbenklamotten gehüllten Tanzenden demonstriert für Homosexualität. Figuren aus „Der König der Löwen“. „Das Phantom der Oper“ und „Wicked“ wirbeln übers Parkett. Helge Schneider hat einen Videoauftritt als Gott. Die Burg aus dem Film ist mehr eine Mischung aus Plüsch-Theater und Treppengebilde mit Opernbalkon denn Ritterheim. Nebenbei bekommen auch noch der auf Kultur pfeifende Staat sowie das nur auf Broadway-Glamour abfahrende Publikum ihr Fett weg.

Und das Drehbuch von „Spamalot“ wird vor dem inneren Auge des Zuschauenden zu einem explodierenden und Seitenkonfetti umherschleudernden Dramaturgie-Etwas. Der Begriff der Reizüberflutung wird zum zentralen Baustein dieser Darbietung des Theaters Hagen.

Früher Pest, heute Corona

Am Ende, wenn der Gral unterm ersten Sitz der zweiten Reihe vor der Bühne gefunden und dem dort sitzenden, sich auf der Bühne vorstellenden Zuschauer Stefan Reichenbach gehuldigt wurde und der herrlich trottelige Artus (Rainer Zaun) diese seltsame Fee aus dem See mit dem Eishörnchen auf de Haupt ehelicht, schieben zwei Mitglieder der Bühnencrew auch noch eine Plexiglasscheibe zwischen die beiden: In Zeiten der Pandemie – im Mittelalter war es die Pest, heute ist es das Coronavirus – ist Knutschen nur ohne Berührung möglich. Auch in „Spamalot“, das einen ohnehin herrlich zeitlosen Film auch noch ins wahnwitzig anmutende heute überführt.