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Streit um fünftes DezernatLeverkusener Ratsgruppen klagen über Klüngel

Lesezeit 4 Minuten
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Michael Molitor (links) kann sich gute Chancen ausrechnen, Leverkusens erster Dezernent für Digitalisierung zu werden.

  1. Eine breite Mehrheit im Rat beschließt ein fünftes Dezernat.
  2. Michael Molitor vom Ratsbüro wird sich auf die Stelle bewerben.
  3. Unbeteiligte kleine Ratsgruppen kritisieren Parteibuchwirtschaft.

Leverkusen – Ob es angemessen war, dafür kurzfristig eine Sondersitzung des Rates einzuberufen? Die Antragsteller sagen ja, und die sind in der großen Mehrheit. Es kommt ja nicht alle Tage vor, dass CDU, SPD, Grüne, FDP und Linke im Stadtrat an einem Strang ziehen. Und dass FDP und Linke bei ihren denkbar geringen politischen Schnittmengen einen Handel dreier anderer mit absegnen, an dem sie zunächst nicht beteiligt waren.

Am Ende aber stimmten 39 Ratsmitglieder dafür und zehn dagegen, womit beschlossen ist: Die Spitze der Leverkusener Stadtverwaltung erhält einen fünften Dezernenten, der für Konzernsteuerung und Digitalisierung zuständig sein soll.

Schnelle Ausschreibung

Milanie Kreutz, Vorsitzende der SPD-Fraktion, begründete dies in der Ratssitzung am Montagabend für die informelle ganz große Koalition damit, dass die Verwaltung gesetzlich verpflichtet sei, bis Ende 2022 rund 90 digitale Produkte für die Bürger anzubieten und die digitale Aktenführung sicher zu etablieren. Und für die 250-Punkte-Strategie bei der Gewerbesteuer, die über die Tochterunternehmen des Stadtkonzerns wirksam umzusetzen sei, müsse deren Vorgehen koordiniert werden.

Die neue Führungsposition soll nun zügig ausgeschrieben, Bewerbungen von einer Findungskommission unter Beteiligung des Rates gesichtet werden, die Wahl soll in der Ratssitzung am 22. März erfolgen, so dass der/die Neue das Amt vom 1. April an ausüben kann.

Bewährter Bewerber

Dass ein führender Mitarbeiter im Rathaus sich auf die neu geschaffene Stelle bewerben wird, kann als sicher gelten: Michael Molitor, Abteilungsleiter im Fachbereich Rat und Bezirks im Dezernat des Oberbürgermeisters. Besuchern von politischen Sitzungen ist er vor allem bekannt als der Mann, der zur Rechten des Oberbürgermeisters sitzend dafür sorgt, dass politische Beschlüsse rechtssicher gefällt werden, und der im Grunde die indirekte Sitzungsleitung in den Bezirksvertretungen I und II innehat, für deren unfallfreie Sitzungsabläufe er unentbehrlich ist. Ein Verwaltungsprofi durch und durch, dem sein CDU-Parteibuch nie im Weg war, um über Parteigrenzen hinweg Respekt und Anerkennung zu erwerben.

Dass der am Montag dem Rat vorgelegte Haushaltsplanentwurf für 2021 mehr seine Handschrift als die des Kämmerers tragen soll, trägt darüber hinaus zu den Mutmaßungen bei, dass Molitor das neu geschaffene Dezernat nur vorübergehend leiten und noch in diesem Jahr den Job von Stadtkämmerer Markus Märtens hinzubekommen könne. Der würde dann als Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Leverkusen beschäftigt werden.

Baudezernentin bleibt

Lange haben CDU, SPD und Grüne über eine Neuordnung an der Verwaltungsspitze verhandelt. Dass die nicht unumstrittene Baudezernentin Andrea Deppe – von den Grünen protegiert und mit dem CDU-Kreisvorsitzenden privat verbunden – wiedergewählt werden soll, gilt inzwischen als sicher. Die SPD soll später bei der Neubesetzung von Geschäftsführerpositionen im Stadtkonzern entsprechend berücksichtigt werden.

Während sich die an diesem Personaldeal Beteiligten in Diskretion üben, fanden die daran Unbeteiligten im Rat durchaus harte Worte. „Wir stehen Köln kaum noch was nach in Sachen Klüngel“, ordnete Markus Beisicht (Aufbruch) das Postenpaket ein und attackierte vor allem die FDP für deren Beteiligung. Die habe immer eine schlanke Verwaltung gefordert und haue jetzt mal eben 300 000 Euro an zusätzlichen Personalkosten im Jahr heraus.

Vetternwirtschaft angeprangert

Von „unmoralischer Vetternwirtschaft“ sprach Erhard Schoofs (Bürgerliste). Seit Jahrzehnten werde mit wichtigen Positionen gekungelt statt für eine Bestenauslese zu sorgen. Da jetzt auch die Grünen in diese Runde aufgenommen worden seien, seien diese auf einmal ja auch „seltsam ruhig“. Die mangelnde Transparenz solcher Absprachen hinter verschlossenen Türen sei erwiesenermaßen demokratieschädlich, frustriere die Bürger und führe zu Zuständen wie in den USA unter Präsident Trump.

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Das Etikett „Konzernsteuerung und Digitalisierung“ sei reiner Schwindel und habe mit den Inhalten nichts zu tun, wetterte Markus Pott (Opladen plus) im Rat. Und an die benachbart sitzende Fraktion gewandt: „Wo seid ihr jungen Grünen jetzt, wo sind eure Ideale?“ So spiele man den Populisten von links und rechts nur in die Karten.

So sah auch Yannik Noé (AfD) einen nachgewiesenen Fall von Parteibuchwirtschaft vor sich. Die etablierten Parteien hätten sich den Staat zur Beute gemacht und teilten den Kuchen untereinander auf. Und wenn der Kuchen nicht ausreiche, werde er einfach vergrößert. In Düsseldorf sei Digitalisierung eine Aufgabe des Oberbürgermeisters. Ob der Leverkusener OB damit überfordert sei?

Und Benedikt Rees (Klimaliste) wollte nicht nachvollziehen, warum eine Querschnittsaufgabe wie Digitalisierung ein eigenes Dezernat erfordern sollte, wenn dies doch in jedem einzelnen Amt zu leisten sei. Das alles hinterlasse nur einen fatalen Eindruck.