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Thomas Kutschaty in LeverkusenNur ein Sockenverkäufer will nicht mit ihm sprechen

Lesezeit 4 Minuten
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Thomas Kutschaty, SPD-Spitzenkandidat bei der NRW-Wahl, auf dem Markt in Opladen

Leverkusen – Donnerstagvormittag, die Sonne scheint, es ist Markttag – und Wahlkampf in der Opladener Fußgängerzone: AfD-Kandidat Andreas Keith steht vor einem blauen Zelt, quer gegenüber haben sich die Grünen platziert, daneben die FDP mit zitronengelbem Sonnenschirm, auch die Querdenker-Partei Die Basis hat einen Stand. Und mittendrin der Spitzenkandidat der SPD, der Bewerber um das Amt des Ministerpräsidenten in NRW, Thomas Kutschaty.

Wenig überraschend ist es da, dass die Sozialdemokraten das Bild dominieren. Sie ziehen, angeführt vom NRW-Chefgenossen Kutschaty und mit der Leverkusener Kandidatin Ariane Koepke durch Opladen und trommeln ordentlich für den Regierungswechsel im Land.

Freundlich zu FDP und Grünen, nichts übrig für AfD und Basis

Mit den Freidemokraten scherzt Kutschaty, lächelt auch den Grünen zu, AfD und Die Basis lässt er in diesem Fall links liegen. Der Bewerber ums höchste politische Amt im Land trifft überwiegend auf ältere Menschen – und wenig Widerspruch: „Ich wähl' sowieso SPD“, „Sie habe ich schon längst gewählt“, „Solange ich wählen gehe, immer SPD“, sagen die Seniorinnen und Senioren, denen Kutschaty Zettel mit Informationen über Koepke und Kugelschreiber in die Hand drückt.

Kutschaty stellt sich den Menschen auf dem Weg zum Marktplatz in den Weg, stellt sich stets mit vollem Namen vor, präsentiert die Leverkusener Kandidatin Koepke, die von vielen erkannt wird, als beste Wahl, er kommt den Menschen nah und hört immer wieder zu. Der Erste, dem er zuhören muss, ist ein religiöser Eiferer, der Kutschatys Flyer gerne entgegennimmt – aber auch selbst einen aus dem Einkaufsbeutel kramt. „Leben – und dann?“, steht drauf, „Was passiert mit uns nach dem Tod“, fragt der Mann. Kutschaty weiß es auch nicht, er lächelt einfach. Bevor es um die Frage Himmel oder Hölle („Da ist es warm“, sagt der Eiferer) geht, will der SPD-Politiker erst einmal Nordrhein-Westfalen regieren.

Eine Metzgerin macht ihrem Ärger Luft

„Rote Tulpen hätte er kaufen sollen“, sagt eine Leverkusener Genossin, die Koepke und Kutschaty immer wieder mit neuem Verteilmaterial versorgt, als sie einen Blumenstand passiert haben. Da ist der Spitzenkandidat aber schon wieder im Gespräch. „Ich habe drei Kinder, aber noch keine Enkel“, erzählt er einer Großmutter von sechs Enkeln, die einen davon im Kinderwagen schiebt. „Respekt!“, versichert Kutschaty der Frau – und drückt dem Jungen ein rotes Plastik-Windrädchen in die Hand.

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Thomas Kutschaty unterstützte die Leverkusener SPD-Kandidatin Ariane Koepke.

„Man lernt den Staat kennen, wenn man nicht mehr arbeiten kann“, erzählt ihm eine Frau Anfang 60. Keiner wolle einen dann noch, nicht die Krankenkassen, nicht die Arbeitsagentur. Kutschaty sagt der Frau, sie solle ihm die Details mal schreiben und gibt ihr die Visitenkarte seines Pressesprechers.

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Vorbei an Marktständen, auf deren Verkaufstischen sich mal Socken und Unterwäsche stapeln, mal grünes, gelbes und rotes Gemüse, landet der SPD-Spitzenkandidat am Stand der Leverkusen-Leichlinger Metzgerei Hilgemeier. Gulasch 12,90 Euro pro Kilo, Nackenkotelett 11,90 Euro pro Kilo, wird in grellen Zeichen geworben.

Barbara Hilgemeier steht mit Kutschaty neben dem Verkaufswagen ihrer Familie und macht ihrem Ärger Luft: „Wir finden einfach keine Verkäuferinnen“, sagt sie. „Ich bin 68, ich bin jetzt über 50 Jahre im Beruf. Ich möchte ein bisschen kürzertreten, aber ich kann es nicht. Weil wir keine Leute haben.“ „Wir müssen an den Schulen mehr für Ausbildungen werben“, entgegnet Kutschaty. „Es gibt den Irrglauben, wer kein Abitur hat, hat schon verloren. Das ist falsch. Es gibt viele tolle Berufe, bei denen man mit einer Ausbildung ein gutes Auskommen hat.“

Kutschaty war jahrelang als Rechtsanwalt tätig

Irgendwann, sagt Barbara Hilgemeier, seien ja auch die ganzen Abiturienten nichts wert: „Da zahlen sie nachher für einen Handwerker mehr als für einen Arzt. Darauf läuft es hinaus. Weil sie keine Handwerker mehr kriegen.“ Ja, das kenne er, bekennt Kutschaty, aus 13 Jahren als Anwalt. „Da hatte mancher Elektriker einen höheren Stundenlohn als ich.“

Auf dem Rückweg in die Fußgängerzone, am Sockenstand, fragt Kutschaty den Sockenverkäufer: „Darf ich Sie ansprechen?“ Und erntet ein entschlossenes: „Nein. Nicht die unsozialste Partei Deutschlands. Ihr habt schon genug Mist gebaut.“

In der Fußgängerzone sind die Grünen inzwischen schon abgezogen, die blaue, die gelbe und die rote Partei sind noch da. Die Sonne scheint – und Kutschaty sagt: „Leverkusen ist schön. Die Leute sind sehr freundlich.“ Aber doch nicht alle, Herr Kutschaty, sagt der Reporter. „Das war doch nur einer, der mich nicht wollte.“