AboAbonnieren

Unterricht trotz LockdownDie Leverkusener Musikschule beschreitet mit App neue Wege

Lesezeit 5 Minuten
Neuer Inhalt

Die Corona-Krise macht es unabdingbar: Jürgen Ohrem, Leiter der Musikschule Leverkusen, und seine Kolleginnen und Kollegen bieten Musikunterricht online mittels einer Musikschul-App an.

Leverkusen – Kein Zweifel: Jürgen Ohrem hatte sich das mit dem nahenden Ruhestand ganz anders vorgestellt. Im kommenden Jahr, im Mai 2022, wird er aufhören als Leiter der Leverkusener Musikschule. Bis dahin wollte er noch ein bisschen sein Berufsleben inmitten von jungen, miteinander musizierenden Kindern und Jugendlichen und großen wie kleinen Talenten feiern. Nur dass sich das mit dem Feiern erledigt hat. Seit Frühjahr 2020 ist Jürgen Ohrem auf seine letzten Tage als Chef im Hause an der Friedrich-Ebert-Straße nämlich als Bewältiger einer der größten Krisen gefragt, die diese Institution unter seiner Ägide durchmachen musste: Er muss den Betrieb trotz der Corona-Pandemie aufrechterhalten.

90. Geburtstag fiel aus

„Im vergangenen Jahr“, sagt er, „hätte ich beispielsweise so gerne den 90. Gründungstag der Musikschule gefeiert.“ 90 Jahre: Das sei ja quasi der Beleg in Zahlenform dafür, dass die Einrichtung in Leverkusen bei ihrer Eröffnung im Jahre 1930 eine der ersten ihrer Art in Deutschland gewesen sei. Mehr noch: „Sie war schon damals ihrer Zeit weit voraus.“

Geprägt von der Grundidee der reformpädagogischen Bewegung um Pestalozzi, Montessori und Co. habe im Unterricht von Beginn an die Kreativität und die unbedingte Konzentration auf künstlerische Fantasie im Mittelpunkt gestanden. Und zwar für alle. „In Köln gab es damals nur ein Konservatorium, das den Hochbegabten vorbehalten war.“ In Leverkusen habe jeder kommen dürfen. Sei jeder gefördert worden, ehe sich die besten Talente irgendwann an die Hochschulen verabschiedeten, um Karriere zu machen.

Hohes Ansehen überall

Es war ein Faustpfand, das bis heute nachwirkt. Das der im roten Backsteinbau an der Friedrich-Ebert-Straße geleisteten Arbeit überall hohes Ansehen beschert. Und das 2020 eigentlich mit einer Klangmeile aus drei Open-Air-Bühnen in der City, mit Besuchen befreundeter Chöre aus Schwedt und Israel sowie mit Aufführungen im Forum gefeiert werden sollte. Dann kam der Lockdown. Und alle Pläne waren passé. Indes: Ausgerechnet – oder gerade – in dieser einmaligen Krise zeigte sich wieder einmal die Stärke der Handelnden der Musikschule: Der Wille zur Progressivität, zum Beschreiten neuer Wege mit dem Ziel, die Musik klingen zu lassen für die Kinder und Jugendlichen. Frei nach dem Motto: Was auch geschieht - alles erträglich. Es muss nur immer Musik da sein.

Besserer Datenschutz als Zoom

Die Lösung sei die Musikschul-App einer Softwarefirma gewesen, mit der die Leverkusener Institution schon länger zusammenarbeite. Über diese App könne man Stundenpläne erstellen, Unterrichtseinheiten per Internet-Session anmelden und Zugänge zu diesen versenden. „Und das alles sicher im Hinblick auf den Datenschutz“, wie Jürgen Ohrem betont. „Die Server stehen nämlich allesamt in Deutschland.“ Und sie tun dies im Gegensatz zu jenen seit dem ersten Lockdown beliebten aber auch umstrittenen Plattformen wie Skype, Zoom oder Whatsapp, deren Rechner weltweit verteilt sind.

80 Prozent Abdeckung

Mittlerweile, sagt Jürgen Ohrem, haben sich 2029 von 2500 Schülerinnen und Schülern sowie das gesamte Kollegium für die App registriert. „Und wir können 80 Prozent unseres Unterrichtes abdecken.“ Noch nicht möglich sei der sonderpädagogische Unterricht sowie der Unterricht in Orchestern, Ensembles und Bands. „Aber wir arbeiten daran, auch dafür Lösungen zu finden.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Kosten der App belaufen sich nach Aussage des Schulleiters auf gut 17 000 Euro pro Jahr. Hinzu kämen die Kosten, die man aufwendete, um die Musikschule in den vergangenen Sommerferien entsprechend Wlan-fähig zu machen. „700 Meter Kabel haben wir verlegt. Und alle haben mitgeholfen. Ich wurde mitunter sogar im Urlaub angerufen, wenn Fragen aufkamen.“ Es sei eine Investition gewesen, die sich gelohnt habe. Und die jährlichen Kosten seien allemal zu verschmerzen, wenn man bedenke, dass pro Jahr eben auch gut eine Million Euro an Gebühren für den Unterricht in die Schulkasse kämen.

Neue Regelungen beschlossen

Überhaupt „Gebühren“: Sie könne man mittlerweile wieder erheben. „Im ersten Lockdown ging das noch nicht, da wir ja keinen den Statuten angemessenen Unterricht anbieten konnten“, erklärt Jürgen Ohrem. Seinerzeit habe die Schule auf dieses Geld verzichtet. Ein Verlust von gut 200 000 Euro. „Aber so zu handeln, war absolut richtig.“ Schulen in anderen Städten hätten dies nicht getan – und als Konsequenz zahlreiche Abmeldungen erhalten. Nach den Sommerferien wiederum positionierten sich die politischen Gremien Leverkusens eindeutig und recht schnell bezüglich einer Anpassung der Statuten, sodass nun trotz Lockdown wieder Geld in die Kassen der Musikschule fließt und eben auch der Unterricht im Netz als regelkonform angesehen wird.

Ernste Lage, gute Arbeit

Das Fazit des Chefs: Die Situation der Leverkusener Musikschule sei zwar ernst. „Denn keiner will, dass diese Situation noch lange andauert.“ Der richtige Musikunterricht, das Miteinander könne nicht ewig aufgefangen werden. Aber: „Wir machen das den Umständen entsprechend gut.“ Sogar den Tag der offenen Türe, der im Herbst ausgefallen sei und an dem zig interessierte Kinder traditionell alle Instrumente anschauen und ausprobieren und für sich entdecken können, wurde irgendwie kompensiert: Für die Internetseite der Musikschule haben die Lehrkräfte Kennenlernvideos zu jedem Instrument gedreht (siehe Infokasten).

Vorreiterrolle

Und das spricht dann wieder für dieses Vorreiter-Ding der Leverkusener Musikschule, welches ihr diesen hervorragenden Ruf eingebracht hat. Mehr noch: „Schulen aus anderen Kommunen haben sich zuletzt sogar bei uns erkundigt, wie man sich in Corona-Zeiten aufstellen kann“, sagt Jürgen Ohrem – und klingt dabei schon nicht mehr ganz so angegriffen wie beim Thema der abgesagten 90-Jahr-Feier. Es gibt eben immer einen Weg. Man muss ihn nur finden und beschreiten.

http://www.kulturstadtlev.de/musikschule/home/