Leverkusen – Thekla Zell klingt vollkommen überzeugt, wenn sie sagt: „Ein Museum ist ohne Besucher nichts.“ Gleichwohl befindet sich in genau dieser Lage aufgrund des Corona-Lockdowns leider jenes Haus, an dem sie seit einigen Wochen arbeitet: Thekla Zell ist die neue Kuratorin des Museums Morsbroich und steckt – um das Wortspiel weiterzuspielen – irgendwie in der Zwickmühle zwischen alles oder nichts. Denn: Das Programm für 2021 ist ein hehres. Ein maximal spannendes und ambitioniertes. Nur weiß derzeit noch niemand, ob und wie es umgesetzt werden kann. Und ob Zuschauer daran werden teilhaben dürfen.
Blick in die Sammlung
Was 2021 so besonders macht: In diesem Jahr feiert das Museum den 70. Tag seiner Eröffnung. Und das soll begangen werden mit zwei herausragenden Ausstellungen. Die eine umfasst Werke Joseph Beuys’. Die andere wartet mit Arbeiten aus der Sammlung Morsbroichs auf, also mit Kunstschätzen und -schätzchen, die normalerweise im Depot des Museums schlummern. Irgendwann waren sie angekauft worden oder als Schenkung nach Leverkusen gekommen. Und jedes einzelne von ihnen steht gewissermaßen für den hervorragenden Ruf, den das Haus ob seines Status’ als erstes, nach dem Krieg eröffnetes Museum für zeitgenössische Kunst im Land innehat.
Thekla Zell sagt, dass sie sich schon entsprechend freut auf diese Ausstellungen, die viele Besucher verdient hätten und zweifelsohne in normalen Zeiten auch anziehen würden. Und dass sie überhaupt immer wieder gerne im Depot ihrer neuen Wirkungststätte sei, um sich umzuschauen. „Ich liebe es, dort zu sein. Es gibt eben nichts Schöneres als vor Originalen zu stehen.“ Gerade sie als Expertin für die Kunst der 1960er Jahre könne inmitten von gut 400 Bildern, Skulpturen und Objekten sowie über 5000 Grafiken immer wieder etwas finden, was sie begeistere, denn: In dieser Zeit wurden in Morsbroich viele Werke gesammelt von mitunter seinerzeit noch unbekannten, heute weltberühmten Künstlern. Gerhard Richter ist nur einer von ihnen. „Hier existierte offensichtlich immer schon ein gutes Gespür für relevante Kunst“, sagt Thekla Zell und man hört ihr die Zufriedenheit über die Entscheidung an, im vergangenen Herbst als Nachfolgerin von Stefanie Kreuzer nach Leverkusen zu gehen.
Was sie und das übrige Team des Museums um den kommissarischen Direktor Fritz Emslander derzeit – ohne Besucherschaft im Hause – zeitlich fordert, sei die Arbeit hinter den Kulissen. Etwa das Ausleihen von im eigenen Besitz befindlichen Kunstwerken an andere Museen, das aufgrund des exquisiten Depot-Inhalts in Morsbroich recht häufig vorkomme und entsprechend aufwendig organisiert werden müsse. Thekla Zell kontrolliert die Anfragen sowie den Transport der Werke. Und ist meist an der Aufhängung oder Installation der Leihgaben in den jeweiligen Institutionen vor Ort beteiligt. Allein in der vergangenen Woche seien ein halbes Dutzend Anfragen bei ihr auf dem Tisch gelandet.
„Normalerweise würde ich sogar gemeinsam mit den Leihgaben durchs Land reisen und den entsprechenden Museen beim Einbinden unserer Werke in die jeweiligen Ausstellungen behilflich sein“, sagt Thekla Zell. Das geschehe derzeit natürlich alles rein virtuell.
Digitalisierung des Depots
Zugute komme ihr dabei, dass die Digitalisierung der gesamten Sammlung Morsbroich – begonnen vor knapp zwei Jahren und auch während der Lockdowns weiter vorangetrieben – nun so gut wie abgeschlossen sei. Sprich: Demnächst sind alle Kunstwerke, die sich im Besitz des Leverkusener Hauses befinden, digital in einer Datenbank gespeichert und sollen als virtuelle Dauerschau im Internet einsehbar sein.
Verschiebungen und Verlängerungen
Das tröstet auch Fritz Emslander zumindest so ein bisschen darüber hinweg, dass derzeit alles so unplanbar und unvorhersehbar ist: Die Beuys-Ausstellung – kuratiert von der frei tätigen und häufig mit der bekannten Kunstsammlerin Julia Stoschek zusammenarbeitenden VercAnia Czerlitzki – wurde bereits vom März in den Mai (2.5.) verschoben. Und die aktuelle, im November 2020 eröffnete Schau „From A To B“ haben sie in Morsbroich bis in den April (11.4.) verlängert, „weil eben bis heute noch niemand ins Haus konnte, um sich das anzusehen“, wie Fritz Emslander sagt.
Mit anderen Worten: Der Lockdown macht die Lage auch für das Museum suboptimal. Gleichwohl gebe es „für alles auch alternative Pläne“, sodass das Programm 2021 auf alle Fälle ein – durchweg positiv – in Erinnerung bleibendes werde. Auch dank der Tatsache, dass sämtliche zum Kunstbetrieb notwendigen Mittel aus Landestöpfen und Sponsorenpaketen bereits sicher seien. Sie ermöglichen somit auch das Tüpfelchen auf dem Ausstellungs-“i“. Das soll - neben Beuys und dem Richter, Kuball und Co. umfassenden Blick in die Sammlung - die Ausstellung von Arbeiten Franz Erhardt Walters in der Grafiketage später im Jahr sein.
Wunsch nach einem Direktor
Übrigens: Nicht zu unterschlagen ist bei allem Vorausblicken aufs neue Jahr in Kunst-Hinsicht auch der personelle Aspekt. Der treibt Fritz Emslander und seine Kolleginnen und Kollegen schon seit 2018 um. Und damit derart lange, dass bald auch gerne mal Schluss sein und ein neuer Museumsdirektor gefunden werden könnte. „Dieser Bereich, der über das Tagesgeschäft hinausgeht, liegt imer noch brach“, betont Fritz Emslander, der sich – das ist kein Geheimnis – am liebsten wieder gänzlich der Wissenschaft, dem Kuratieren als seiner geliebten und gelebten Hauptaufgabe widmen würde. „Ist schon gut so, wie es ist“ – das kann man nicht sagen“, sagt er. Und hofft auf baldige Neuigkeiten aus der Verwaltungsspitze zur Stelle des Museumschefs, die bis Ende des Jahres öffentlich ausgeschrieben war.