Köln ist bei den Kurzfilmtagen Oberhausen stets gut vertreten. Dieses Mal sogar mit Gerhard Richter, der von seinem Glück aber wohl nichts weiß.
Kurzfilmtage OberhausenGerhard Richter gibt ein Gastspiel aus der KI

Der Film „Gerhard“ von Ulu Braun läuft bei den 71. Kurzfilmtagen Oberhausen
Copyright: Ulu Braun
Nachdem vergangenes Jahr in Oberhausen vor allem über den Krieg in Gaza, Antisemitismus, Meinungsfreiheit und Boykotte geredet wurde, wird es dieses Jahr bei den Kurzfilmtagen möglicherweise wieder um die Filmkunst gehen. Die 71. Ausgabe des einzigen Filmfestivals in NRW mit internationalem Renommee ist zugleich die erste ohne den langjährigen, nach Stuttgart abgewanderten Direktor Lars Henrik Gass. Seine Nachfolgerin Madeleine Bernstorff soll das Festival wieder in ruhigeres Fahrwasser führen. Auftakt der Kurzfilmtage ist am 29. April.
Angesichts der erregten Debatten des letzten Jahres wirkt das aktuelle Themenprogramm wie der Rückzug ins Schneckenhaus der eigenen Geschichte: Unter dem Titel „Umwege zum Nachbarn“ erforscht das Festival die Präsenz des DDR-Films auf den eigenen Leinwänden; immerhin wurden hier bis 1990 rund 150 ostdeutsche Filme gezeigt. Auch die Sonderreihe zum Omnibus- oder Episodenfilm ist im Wesentlichen selbstbezüglich, stellt dieses „Genre“ doch die einzige Möglichkeit dar, Kurzfilme als Bündel abendfüllend ins Kino zu bringen und dort kommerziell auszuwerten. Die drei Werkschauen des Festivals sind der ungarischen Künstlerin Dóra Maurer, dem Eifler Regiepaar Dietrich und Katharina Schubert und der Filmemacherin Susanna Wallin gewidmet.
In diesem Jahr laufen fünf Beiträge der KHM im NRW-Programm
Traditionell ist die Kölner Kunsthochschule für Medien in den Oberhausener Wettbewerben gut vertreten. In diesem Jahr laufen fünf Beiträge im NRW-Programm, unter denen vor allem „Nuestra sombra“ von Agustina Sánchez Gavier preiswürdig erscheint. Gaviers Film wurde bereits beim letztjährigen Festival von Cannes gezeigt und handelt von einer Sonnenfinsternis in einer entlegenen Provinz im Nordosten Argentiniens. Ein archaisches Gefühl von Verdammnis hängt über der von industrieller Abholzung geschundenen Landschaft, dem sich auch die modernen Menschen, die in und von ihr leben, nicht entziehen können. Der Titel dieses stimmungsvollen Abschlussfilms sagt es bereits: In der Finsternis erkennen wir unseren eigenen Schatten. So sieht man mit banger Erwartung dem wiederkehrenden Licht entgegen.
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„Nuestra sombra“ von Agustina Sánchez Gavier läuft im NRW-Wettbewerb der Kurzfilmtage
Copyright: Agustina Sánchez Gavier
Ansonsten ist das Kölner Aufgebot durchwachsen. Felix Bartke hat immerhin eine schöne Entdeckung vorzuweisen: Er besucht in „Shawano“ den gut versteckten Saloon eines rheinischen Cowboy-Clubs und dehnt die Regeln des Dokumentarfilms in Richtung Western-Genre. Bernard Mescherowsky verfremdet in „Ghosting Mother“ privates Foto- und Filmmaterial bis zur Unkenntlichkeit, um dem Gefühl, die verstorbene Mutter nicht gekannt zu haben, ein avantgardistisches Aussehen zu verleihen. Formal ist das ansprechend, steht aber unter dem Diktat eines aufdringlichen Bekenntniszwangs. Jingyuan Luo wiederum begräbt das Schicksal einer chinesischen „Selbstmordspringerin“ eher unter den verschiedenen erzählerischen Übermalungen ihres Animationsfilms, als dass sie uns dieses dadurch nahebringt.
Als Schauplatz ist Köln in Oberhausen kaum präsent, was selbstredend nur an der internationalen Ausrichtung des Festivals liegt. In diesem Jahr ist immerhin Christos Dassios für „Capriccio“ in den ländlichen Teil des Kölner Südens gereist, um zwischen Rhein und Wiesen einen Film über die berühmte Bolex-Kamera im Stil einer Naturdokumentation zu drehen. Nach langer Suche stößt der ergriffen flüsternde Regisseur tatsächlich auf ein gerade geborenes Exemplar des scheuen und vom Aussterben bedrohten technischen Geräts - mitsamt Muttertier. Diese liebevolle und vor allem angemessen kauzige Feier des analogen Filmemachens ist ebenfalls im NRW-Wettbewerb zu sehen.
Außerdem gibt der Kölner Ehrenbürger Gerhard Richter in Ulu Brauns „Gerhard“ ein vermutlich unfreiwilliges Gastspiel. Mithilfe von KI lässt Braun den Maler in einer Satire auf den Kunstmarkt auftreten, die Richter als Vorstandsvorsitzenden seiner eigenen Legende zeigt. Auf dem Weg ins Büro, einer Mischung aus Deutsche-Bank-Turm und eckig-bunt verglaster Kathedrale, wird Richter sogar von der Tierwelt gegrüßt, während ein gelacktes Management-Team jede Eingebung des „Meisters“ wie eine unschlagbare Geschäftsidee begrüßt. Der Parforceritt durch Richters Werk („Nimm den größeren Rakel!“) führt bald in seine Meisterklasse, in der junge Influencer-Typen die angeblich unverwechselbare Handschrift des Künstlers ins nächste Jahrtausend tragen. Die Behauptung, analoge Kunst werde die Künstliche Intelligenz überleben, straft sich hier selbst Lügen.
Trotz des famosen Aufwands wirkt Gerhard Richters schrill-bunter Auftritt im Rahmen des Deutschen Wettbewerbs etwas beliebig. Die Frage, ob ein erfolgreicher Künstler stets Gefahr läuft, seine Seele an den Markt zu verkaufen, könnte man auch am Beispiel Michelangelos oder jedes Künstlers seit den Höhlenmalereien stellen.
71. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen, 29. April bis 4. Mai 2025