„Man wundert sich schon“Kölner Hausärzte berichten über Impfdrängler
Köln – Zusätzlich zum normalen Praxis-Betrieb kümmern sich die Hausärzte um die notwendigen Corona-Hygienemaßnahmen, um die Tests und ums Impfen – viel Arbeit also für die Mediziner und ihre Mitarbeiter, und jetzt kommen auch noch die Impfdrängler dazu, deren Verhalten viel Kritik und Empörung auslöst.
Wie häufig das Drängeln allerdings in den Impfzentren tatsächlich vorkommt, „können wir aus der Distanz ad hoc nicht verifizieren“, sagt Christopher Schneider von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Mit Blick auf den Gesamtumfang mit über drei Millionen Impfungen alleine in den Impfzentren des Rheinlands sowie über eine Million in den Praxen handele es sich bisher jedenfalls um „vergleichsweise wenig Fälle“, sagt Schneider.
Hartnäckige Anrufe
Monika Baaken vom Hausärztebund Nordrhein berichtet: „In den vergangenen Wochen gab es in den Hausarztpraxen schon auch mal Leute, sie müssten vorgezogen werden. Und es gab Gespräche oder Anrufe, die – um es mal positiv zu bezeichnen – auf einem sehr hartnäckigen Niveau waren. Aber davon lassen sich die Ärzte nicht schockieren. Das hat man auch in anderen Zusammenhängen schon mal“, sagt Baaken. Ihr Fazit: „Das ist lästig, aber kein Drama.“
Es gebe Berichte über Drängler, sagt Sabine Schindler-Marlow von der Ärztekammer Nordrhein, „aber dass es gehäuft solche Fälle gibt, das kann ich nicht sagen.“ Oft entstünden Diskussionen in den Praxen „auch aus Unwissenheit, weil die Leute wirklich nicht wissen, dass sie noch nicht dran sind“. Das ärztliche Personal habe dann viel zu tun, um die Sachlage zu erläutern. „Aber die haben das eigentlich gut im Griff“, so Schindler-Marlow.
Wir haben in den Praxen nachgefragt:
Bruno Seinfeld, Frauenarzt, Köln Ehrenfeld:
Wir bedauern sehr, dass wir nicht ebenso viel Impfstoff wie Impfwillige haben. Inzwischen gibt es kaum noch Patienten, die einen Impfstoff kategorisch ausschließen. Die Leute wollen einfach nur ihr Leben zurück. Hätten wir Sputnik 5, könnten wir auch den verimpfen. Als erstes haben wir unsere Krebs- und Risikopatienten kontaktiert. Dann konnten wir den Kreis erweitern. Ja, es gibt viele Anrufer, die dringend geimpft werden wollen. Wir bitten sie dann um eine Mail mit ihren Gründen. Selbst aus der Eifel haben wir Anfragen bekommen, weil dort angeblich keine Impftermine mehr zu erhalten seien.
Vor allem Schwangere versuchen, mich auf Teufel komm raus davon zu überzeugen, dass sie geimpft werden müssen. Und sie drängen dann auch: Ärzte dürften ja auch aus eigenem Ermessen impfen. Aber selbst wenn ich das für unproblematisch ansehen würde, darf ich nicht impfen, weil kein Impfstoff für Schwangere und Stillende zugelassen ist. Solange unser Fachverband keinen Impfstoff freigibt, darf ich es schlicht nicht. Das hat ja auch rechtliche und versicherungstechnische Gründe. Da muss ich dann sagen, selbst wenn Sie mir hier einen Koffer mit Geld hinstellen, würde ich Sie nicht impfen!“
Mathias Schumacher, Hausarzt in Kall in der Eifel:
Wir verabreichen zwischen 100 und 250 Impfdosen pro Woche. Das Impfen findet zusätzlich zum normalen Praxisbetrieb statt. Es melden sich zahlreiche ältere Menschen, die Astrazeneca nicht möchten – wodurch dann andere Impfstoffe für die Jüngeren fehlten. Dabei ist und bleibt Astrazeneca ein hervorragender Impfstoff, durch die Politik und die Berichterstattung ist da viel verbrannt worden.
Viele von den Jüngeren wiederum würden sich gerne mit Astrazeneca impfen lassen. Für uns stellt sich da die Frage, wie vorgeschriebene Aufklärung juristisch wasserdicht sein soll – damit hat uns die Politik keinen Gefallen getan. Grundsätzlich ist es schön, aktiv werden zu können und zu sehen, wie sich die Impflinge über ihren Termin freuen. Eine ehemalige Arzthelferin im Ruhestand hat uns wertvolle Hilfe in der Schulung im Umgang mit den Vakzinen geleistet. Und für die Terminvergabe haben wir einen Studenten auf 450-Euro-Basis eingestellt.
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Die meisten Patienten sind höflich, sie weisen per E-Mail darauf hin, dass sie gerne geimpft werden möchten, sich aber nicht vordrängeln wollen und man sie doch bitte auf eine Liste setzen solle. Aber es gibt auch Drängler, man wundert sich schon, wer plötzlich angeblich gebrechliche Leute pflegt und daher eine Priorisierung bekommen will. Es gibt auch Unverschämtheiten. Aber wer meint, mit Schimpfen, Pöbeln und Beleidigen weiterzukommen, der hat schlechte Karten. Die werden rausgeschmissen.
Jürgen Zastrow, HNO-Arzt aus Köln und Leiter des Kölner Impfzentrums:
Natürlich kriegen wir nicht alle, die sich durchpfuschen wollen Wir erwischen nur die schlechten Betrüger – wir hatten zum Beispiel einen Koch, der priorisiert werden wollte, weil er den Koch eines Altenheimes kannte. Oder es kommen Leute, die sagen, sie würden einmal pro Woche einer Oma in der Nachbarschaft den Müll runtertragen. Lässt sich ein Frau beispielsweise von mehreren Gynäkologen eine Schwangerschaftsbescheinigung ausstellen, dann kann sie jeweils zwei Kontaktpersonen benennen, die bevorzugt geimpft werden. Wer das tut, macht sich zwar strafbar, ist aber schwer zu enttarnen.
Im Kölner Impfzentrum gibt es nur wenige Vordrängler, ich schätze mal, deutlich unter einem Prozent. Das Dumme ist halt, dass der Hausarzt aus Gründen des Datenschutzes – der je längst zur Geißel der Menschheit geworden ist – keine Diagnose in seiner Bescheinigung zur vorgezogenen Impfung nennen darf. Da steht dann nur »Priorisierung gemäß Paragraf drei oder Paragraf vier der Coronavirus-Impfverordnung«.“ Wir sind aber gehalten, diese Angaben vor Ort zu überprüfen. Wenn Zweifel aufkommen, werden die Leute dann von einem Impfarzt gebeten, den Grund für die Priorisierung zu erklären. Das sollten die Betroffenen auch können, denn die kommen ja zu uns, weil sie etwas von uns wollen – dann sollten sie auch kooperieren. Wenn sie das nicht tun, dann wird es keine Impfung geben. Im Zweifelsfall rufen wir zuvor aber noch einmal den Hausarzt an, der die Bescheinigung ausgestellt hat. In jedem Fall kann man sagen, dass der Druck der Patienten, bevorzugt geimpft zu werden, groß ist. Und die Standhaftigkeit der Ärzte, eine Bescheinigung auszustellen, ist vielleicht unterschiedlich stark.
Was mich aber beinahe noch mehr ärgert, sind Patientinnen und Patienten, die sich gleichzeitig bei mehreren Impfstellen anmelden. Das ist zwar nicht strafbar, aber es ist gewissenlos. Die nehmen anderen Menschen dann die Termine weg.
Matthias Schlochtermeier, Hausarzt in Hürth-Efferen:
Wir testen, wir impfen, wir halten Infektionssprechstunden – alles zusätzlich zu unseren normalen Tätigkeiten. Es gibt Berufsgruppen, die in dieser Pandemie einen sensationellen, unfassbaren Job gemacht haben, und die haben alle das Bundesverdienstkreuz verdient, weil sie Übermenschliches leisten. Das sind die Medizinischen Fachangestellten, in der Regel Frauen in den Arztpraxen, aber auch die Angestellten der Pflegedienste und die ambulanten Palliativteams, die sich vor jedem Patientenbesuch umziehen und andere Zusatzdienste leisten müssen. Die Praxen waren auch ohne Corona schon ausgelastet und voll, Corona kommt noch obendrauf – die Arbeit in den Praxen ist mit dem Impfen um bestimmt noch mal 50 Prozent gestiegen.
Wir sind mit dem Impfen nicht überfordert. Wir impfen hier jedes Jahr über 1000 Menschen mit dem Grippeimpfstoff. Wir können impfen. Und wir wollen impfen. Aber es stimmt, dass Patienten massiv Druck aufbauen, um an die Impfung zu gelangen. Es herrscht sehr viel Aggressivität, die Menschen sind sehr fordernd. Ich verstehe das auch, die Leute haben ja auch niemanden mehr, mit dem sie reden können. Und in der Arztpraxis kann man immer anrufen.
Wir bekommen da viel von dem Corona-Frust mit, der in der Bevölkerung herrscht. Das kriegen alles meine Damen vorne ab. Wir haben jetzt gerade einen Patienten verloren, der uns schriftlich und unter Absingen schmutziger Lieder mitgeteilt hat, er habe jetzt einen anderen Arzt in Köln gefunden, der ihn geimpft habe. Der hat sich jetzt woanders reingedrängelt und voller Aggression von uns abgewandt, obwohl wir alles richtig gemacht haben.
Johannes Nolte, Hausarzt Köln Porz:
Da die Priorisierung bei Astrazeneca aufgehoben wurde und es jetzt schneller geht, sehe ich da eigentlich keine Probleme – da kann man sich ja gar nicht vordrängeln. Bei Biontech aber, wo es eine Warteliste gibt, da passiert es auch schon mal, dass man uns anlügt bei der Frage, zu welcher Priorisierungsgruppe man gehört. Meistens ist das aber leicht zu durchschauen.
Biontech kriegen bei uns nur praxiseigene Patienten – und da kennen wir natürlich deren Verhältnisse, Jobs und Erkrankungen. Was wirklich auffällig ist: Dass plötzlich jeder seine alte Oma ständig besucht oder pflegt, obwohl die komischerweise 500 Kilometer entfernt wohnt. Aber da sehen wir noch keinen Grund, die Leute in der Priorisierung hoch zu stufen. Wir raten dann stattdessen lediglich dazu, dass die Oma doch bei ihrem Hausarzt in Sachsen – oder wo auch immer – zwei Kontaktpersonen benennen kann, die dann dort geimpft werden können.