Köln – Für den Corona-Impfstoff von Astrazeneca gelten seit Ende letzter Woche einige Neuerungen: So können sich seitdem alle Menschen unabhängig von ihrem Alter, von Vorerkrankungen oder ihrer Berufsgruppe, mit dem Vakzin impfen lassen. Zusätzlich hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angekündigt, dass der Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung künftig flexibler gehandhabt werden soll. Bislang mussten zwölf Wochen zwischen beiden Impfterminen vergehen. Nun wird es den Hausärzten freigestellt, in Absprache mit ihren Patienten den Abstand zwischen der Erst- und Zweitimpfung innerhalb eines Zeitraums von vier bis zwölf Wochen festzulegen. Es gibt jedoch Bedenken, dass die Verkürzung die Wirksamkeit des Vakzins einschränken könnte.
In der Raffung des Zeitabstandes zwischen beiden Impfungen sehen einige vor allen Dingen den Versuch, dem in der Öffentlichkeit umstrittenen Vektorimpfstoff mehr Attraktivität zu verleihen. Besonders seit vollständig Geimpfte von Corona-Maßnahmen wie Kontakt- oder Ausgangsbeschränkungen ausgenommen wurden, scheinen die Impfstoffe von Biontech oder Moderna schneller zurück in die Freiheit zu führen. Bei beiden liegt das Intervall zwischen Erst- und Zweitimpfung bei sechs Wochen. Es sei menschlich nachvollziehbar, dass viele sich offenbar derzeit nicht mit Astrazeneca impfen lassen wollen, weil sie dann erst im August den vollen Impfschutz bekommen, sagte Spahn am Freitag in Berlin. Gleichzeitig betonte er: „Ich werde im Zweifel sagen: Je länger das Intervall desto wirksamer.“
Ständige Impfkommission empfiehlt Zeitabstand von zwölf Wochen
Dem Robert-Koch-Institut (RKI) zufolge liegt die Wirksamkeit von Astrazeneca nach derzeitigem Kenntnisstand bei bis zu 80 Prozent in allen Altersgruppen – unter Einhaltung des empfohlenen Abstands von zwölf Wochen zwischen beiden Impfungen. Auch die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) ist eindeutig: Zum einen sei der Vektorimpfstoff primär für Menschen über 60 Jahren geeignet. Und zum anderen werde grundsätzlich ein zeitlicher Abstand von zwölf Wochen zwischen beiden Impfungen empfohlen.
Eine Analyse der Oxford Universität hatte im Februar 2021 ergeben, dass die Schutzwirkung von Astrazeneca variiert, je nachdem zu welchem Zeitpunkt die zweite Dosis verimpft wird. Grundlage der Analyse waren Daten aus den Astrazeneca-Zulassungsstudien aus Großbritannien, Brasilien und Südafrika, die verschiedene Impfintervalle untersucht hatten.
Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass die Schutzwirkung mit 81,3 Prozent am höchsten ausfällt, wenn zwölf Wochen zwischen der Erst- und Zweitimpfung liegen. Beträgt die Zeitspanne dagegen sechs Wochen oder weniger, erreicht der Immunschutz nur 55,1 Prozent. Werden sechs bis acht Wochen zwischen beiden Impfdosen eingehalten, erhöht sich der Schutz auf 59,9 Prozent. Nach neun bis elf Wochen steigt er weiter auf 63,7 Prozent.
Studie aus den USA kommt zu anderem Ergebnis
Noch vorläufige Daten einer Phase-III-Studie aus den USA legen dagegen nahe, dass die Schutzwirkung nach einer Impfung mit Astrazeneca 76 Prozent betrage – ob die zweite Impfung nach vier oder nach zwölf Wochen gegeben werde, ist der Studie nach beinahe unerheblich. Allerdings sind die Daten seit März noch nicht von unabhängigen Experten begutachtet worden.
Die Zweitimpfung schon nach vier Wochen zu verabreichen sei durch die Zulassung durch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA abgedeckt, sagt auch Oliver Funken, Vorsitzender des Hausärzteverbands Nordrhein dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Die Ärzte werden individuell prüfen, ob eine verkürzte Zeitspanne zwischen Erst- und Zweitimpfung für den Patienten sinnvoll ist.“ Mit der Verkürzung könne der Impfschutz sinken, gibt auch der Allgemeinmediziner zu bedenken. „Dennoch werden intensivpflichtige Krankenhausaufenthalte verhindert.“
Schon erste Astrazeneca-Impfung bietet guten Schutz
Denn bei Astrazeneca ist der Immunschutz schon nach der ersten Impfung relativ hoch. Jedoch: Wenn mehr Menschen früher ihre Zweitimpfung erhalten, können im Umkehrschluss weniger Menschen erstmals geimpft und damit bereits vor einem schweren oder tödlichen Covid-19-Verlauf geschützt werden.
„Für die Impfstrategie ist die Verkürzung der Impfabstände der falsche Schritt. Damit bekommen weniger Personen einen frühen Immunschutz durch die erste Impfung“, sagt deshalb Professor Carsten Watzl, Leiter des Forschungsbereichs Immunologie am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund. „Im Sommer haben wir genügend Zeit, uns um die Zweitimpfungen zu kümmern, die natürlich absolut notwendig sind. Dann sind hoffentlich die Inzidenzen wieder so niedrig, dass alle in den Genuss von Lockerungen kommen und nicht nur die 15 bis 20 Prozent, die wir jetzt mit einer Verkürzung des Impfabstandes schnell vollständig impfen würden.“
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Ein anderes Problem ergibt sich bei Personen, die jünger als 60 Jahre alt sind und zuerst mit Astrazeneca geimpft wurden, ihre zweite Impfdosis aber in Form eines mRNA-Impfstoffs erhalten. Auch ihnen empfiehlt die Stiko, einen Zeitabstand von zwölf Wochen einzuhalten. In ihrem epidemiologischen Bulletin (16/2021) von Ende April räumt die Kommission allerdings ein, dass bisher noch „keine wissenschaftliche Evidenz zur Sicherheit und Wirksamkeit einer heterologen Impfserie“ vorliege – also der Impfung einer Person mit zwei unterschiedlichen Impfstoffen.
Es laufen derzeit Studien, die untersuchen, wie sich die Gabe von zunächst einem Vektor- und anschließend einem mRNA-Impfstoff auf den Immunschutz auswirkt. Erste Ergebnisse werden noch im Mai erwartet.