100 Tage im AmtBergneustadts Bürgermeister konnte sich vielen noch nicht vorstellen
Bergneustadt – Zwei, drei Wochen habe es schon gedauert, ehe er sich „in allen Facetten“ daran gewöhnt hatte, Bergneustadts Bürgermeister zu sein, sagt Matthias Thul. Am Montag war er 100 Tage im Amt. Den 1. November kann man getrost dazurechnen. Der war zwar ein Feiertag, aber offiziell Thuls erster Arbeitstag. Und da war er im Rathaus. Seitdem ist viel passiert.
Dabei war der Einstieg in das höchste Amt der Stadt gerade wegen Corona eigentlich entspannt. Präsenztermine gibt es nur wenige, vieles wurde und wird in Videokonferenzen besprochen. Das spart viel Zeit, das Hin- und Herfahren fällt weg. Und es ist egal, ob er Thul die digitalen Besprechungen vom Dienstzimmer aus führt oder aus dem Büro, das sich der alleinerziehende Vater daheim eingerichtet hat.
Pandemie verhindert persönliches Kennenlernen
Auf der anderen Seite verhindert die Pandemie, im persönlichen Aufeinandertreffen Kontakte zu knüpfen und sich denen vorzustellen, die den Rathauschef noch nicht kennen. „Eigentlich hätte ich längst alle Bergneustädter Firmen besuchen wollen, doch vorerst müssen Telefonate genügen.“
Zwischen seinem Arbeitsplatz als Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters und seinem neuem Eckbüro im dritten Stock des Rathauses liegen nur ein paar Meter. Aber die Umstellung ist doch groß. Und die Arbeit reichlich: Das Regionale-Projekt Altstadt-Innenstadt, die neue Mitte, der Jägerhof, die Pläne des Moscheevereins – und über allem das Coronavirus, das Bergneustadt zeitweise mit den höchsten Infektionszahlen kreisweit heimsuchte.
Persönliche Meinung ist vom Amt zu trennen
War er bislang für viele Kollegen und Bürger „der Matthias“, überlegen die sich heute, ob „Herr Bürgermeister“ nicht passender ist. Das erinnert den 40-Jährigen viel öfter als bisher daran, über seine Rolle nachzudenken. Und seine persönliche Meinung von der der Amtsperson zu trennen. Beispiel: „Als Matthias Thul habe ich meine Meinung zu Geschäftsschließungen, Versammlungsverboten und zu den Corona-Beschränkungen, als Amtsperson muss ich Gesetze und Vorgaben umsetzen.“ Diese Trennung hilft auch bei manchen Bürgeranrufen. „Kannste nicht mal ...?“ läuft nicht, die Rechtslage ist maßgeblich – und nicht, wie gut man kann mit dem neuen Rathauschef.
Die meisten Aufgaben des Bürgermeisters kannte der neue Amtsinhaber schon aus seiner zweijährigen Stellvertreterzeit. Personalführung hat er während der Studiums gelernt. Sie gehörte während seiner Zeit bei der Kreisverwaltung schon zu seinen Aufgaben und als Ausbilder, als der er immer noch tätig ist, ist sie Teil des Lehrplans. Neu, sagt er, waren Wirtschaftsförderung und Raumplanung der künftigen Gewerbe- und Siedlungspolitik. In die habe er sich aber erfreulich rasch eingearbeitet, sagt er – auch ein Nebeneffekt der nun wenigen offiziellen Termine.
Thul will Verfahren beschleunigen
Obwohl die Stadtverwaltung nach wie vor deutlich unterbesetzt und es noch nicht gelungen ist, genug qualifizierte neue Leute anzuwerben, will Thul Schwerpunkte setzen und Verfahren beschleunigen. Bau- und Investitionswillige sollen nicht jahrelang warten müssen, ehe sie ihre Vorhaben umsetzen können. Denn die Nachfrage vor allem aus den Großstädten nach Baumöglichkeiten wächst.
Diese Chance will Thul nutzen. Sein Plan: Arbeit auslagern. Planungsbüros und Anwälte sollen etwa Bauverfahren so vorbereiten, dass die Stadt nur noch prüfen und entscheiden muss: „Das geht schneller und belastet uns finanziell nicht, weil der Bauherr die Kosten trägt.“ Ein Musterverfahren läuft gerade.
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Auch die Ratsarbeit soll effizienter werden. Anträge der Politik will er vor der Debatte in den Gremien schon mit einer Stellungnahme der Verwaltung versehen, um die Entscheidungen zu beschleunigen. Das Angebot hat er der Politik gemacht, ob sie es annimmt, ist ihre Entscheidung. Dass Thul gleich in seiner ersten Ratssitzung als Bürgermeister vom Rat einen drübergezogen bekam wegen des Beratervertrags, mit dem er sich die Hilfe seines Vorgängers Wilfried Holberg beim Regionale-Projekt Altstadt sichern wollte, sei ausgestanden, sagt Thul.
Die Arbeit muss er jetzt selbst machen. Es gab danach eine Reihe von Gesprächen, „das hat gutgetan, wir sind schnell auf eine sachliche Ebene zurückgekehrt.“ Im Übrigen sei der Stadtrat der Souverän. Er entscheide – und trage die Verantwortung. „Im Rat bin auch ich nur einer von 35.“