Stress und AngstDramatisch veränderter Alltag in den Oberbergischen Altenheimen
Bergneustadt – Es gibt nicht viel, das Georg Huber in den 40 Jahren, in denen er in der Altenpflege arbeitet, noch nicht erlebt hat. Aber Corona setzt alldem sprichwörtlich die Krone auf: Nur streng begrenzt können die alten Menschen, für die der Geschäftsführer der beiden evangelischen Altenheime in Bergneustadt verantwortlich ist, derzeit Besuch von Angehörigen empfangen: Immer nur einer ist pro Tag und Senior ist erlaubt.
Und wer von den Senioren nur ein einziges Mal das Grundstück verlässt, muss danach 14 Tage in seinem Zimmer in Quarantäne bleiben. Das gilt selbst für unaufschiebbare Arztbesuche: Einmal runter vom Gelände, das bedeutet in Coronazeiten zwei Wochen „Stubenarrest“. Deswegen werde alles, was nicht unbedingt außerhalb erledigt werden muss, tunlichst verschoben, erzählt Huber beim Treffen mit dieser Zeitung, das in diesen Zeiten nicht in seinem Büro stattfindet, sondern draußen im Park von „Haus Altstadt“.
„Es herrscht eine unglaubliche Anspannung“
Drinnen hat sich der Alltag stark verändert. Huber: „Es herrscht eine unglaubliche Anspannung“ – wegen der Sorge, sich anzustecken und noch mehr aus Sorge darum, die alten Menschen mit dem sich rasch ausbreitenden Virus zu infizieren. Die ohnehin schon starke Belastung der Mitarbeiter wird jetzt noch größer: „Es dürfen keine Fehler gemacht werden. Die Konzentration ist enorm, das schlaucht die Leute noch zusätzlich.“ Die Senioren sind die am stärksten gefährdete Gruppe, die meisten Toten, die Corona fordert, sind alte Menschen. Erneut unterstrich NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann diese Woche, Alten- und Pflegeheime machten ihm derzeit die größten Sorgen.
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Es gibt Schutzkleidung, aber zu wenig. Das Leitungsteam hat einen Plan aufgestellt, bei welchen Tätigkeiten in der Pflege und bei welchem Zustand der Bewohner Atemschutz zu tragen ist. Es muss gut gewirtschaftet werden mit dem Schutzmaterial. 2800 Schutzmasken braucht Huber für die beiden Heime im Normalbetrieb innerhalb von 14 Tagen, mindestens 3700, wenn es einen bestätigten Coronafall gäbe. Insgesamt 27 000 Masken hat Huber in den vergangenen vier Wochen bei allen möglichen Lieferanten bestellt – für das evangelische Altenheim in Gummersbach gleich mit. Geliefert wurde bisher keine einzige. „In der Woche nach Ostern sollen wir welche bekommen“, hofft Georg Huber.
Große Einschränkungen auch für Bewohner
Auch für die Altenheimbewohner sind die Einschränkungen groß. Praktisch alle Gemeinschaftsaktivitäten sind ausgesetzt, die zahlreichen ehrenamtlichen Helfer, die sonst kommen, um mit den Senioren etwas unternehmen, müssen draußen bleiben. Auch auf externe Fußpflege und den Frisör muss verzichtet werden. Immerhin gibt es noch Bewegungsfreiheit im Park auf dem Gelände.
Bewohner und Belegschaft verstehen sich als eine Hausgemeinschaft. Ein großer Vorteil war immer die Nähe zueinander. Aber einfach mal jemanden in den Arm nehmen, das geht jetzt nicht mehr. Direkten Kontakt gibt es nur noch bei der Pflege. Huber ist deshalb jetzt noch häufiger als sonst im Haus unterwegs, um mit seinen Bewohnern zu sprechen, sie aufzumuntern. Für Karfreitag hatte er eine kurze Andacht vorbereitet, die in alle Zimmer übertragen wurde.
Kreisweites Testen aller Mitarbeiter
Im Haus Altstadt, sagt der Geschäftsführer, hätten die mehr als 80 Bewohner die Lage bislang gut gemeistert: „Sie verstehen, warum die Beschränkungen nötig sind und nehmen sie hin.“ Die bange Frage sei, ob sie das nach zwei weiteren Wochen auch noch tun. Im Haus Bonhoeffer, in dem hauptsächlich demente Senioren leben, ist die Lage schwieriger, Vorgaben wie eine 14-tägige Quarantäne sind nicht einzuhalten. Die Menschen können das nicht mehr verstehen, laufen im Haus herum.
Noch hat Corona Hubers Heime verschont. Es gab drei Verdachtsfälle unter den Mitarbeitern, die sich aber nicht bestätigten. Schon bei ersten Anzeichen einer Erkältung bleiben sie vorsichtshalber zu Hause, die Kollegen fangen das durch Überstunden auf. Nach Ostern kommt das Gesundheitsamt, um – wie kreisweit – auch hier in beiden Einrichtungen alle 190 Mitarbeiter zu testen. Dass die für die zusätzlichen Belastungen wegen Corona eine Prämie von 1500 Euro bekommen sollen, gönnt Georg Huber seinen Leuten, unterstreicht aber, die Pflege lasse sich nicht kaufen. Wirklich nötig seien mehr Stellen in den Pflegeeinrichtungen, „und wer das jetzt immer noch nicht begriffen hat, dem ist nicht zu helfen“.