BilanzCorona-Pandemie hat Entwicklung in Reichshof gebremst – aber nicht gestoppt
Reichshof – Reichshof ist anders als die anderen oberbergischen Kommunen. Überall in Oberberg beschäftigen sich die Stadt- und Gemeindeverwaltungen derzeit mit der Umsetzung von vom Land geförderten, städtebaulichen Entwicklungskonzepten. Und überall wird die Erneuerung vom jeweiligen Zentrum her gedacht, ganz gleich, ob es sich tatsächlich um eine Stadt oder doch nur um eine Gemeinde handelt. Der Reichshof hat aber kein Zentrum. Oder eben nicht nur ein einziges.
Das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (Isek) muss dort darum mehrfach integrativ sein, nämlich alle vier Siedlungsschwerpunkte gleichermaßen berücksichtigen – Eckenhagen, Denklingen/Brüchermühle, Hunsheim/Berghausen und Wildbergerhütte – was die Aufgabe nicht eben erleichtert. Die Quadratur des Reichshofs hat aber 2021 funktioniert.
In Eckenhagen wurde ein Gelände am Heimatmuseum als Nachbarschaftstreff neu gestaltet. Die Phase I des Reichshofer Isek ist damit weitgehend erledigt. Zum Abschluss der Eckenhagener Ortsverschönerung wird in diesem Frühjahr noch an Wegen, Treppen und Hinweistafeln gearbeitet, im Kurpark lässt die Gemeinde neue Sinneselemente installieren.
Corona hat Beteiligung der Bürger eingeschränkt
In Phase II des Isek sind nun die anderen Hauptorte der Gemeinde an der Reihe. Nachdem im vergangenen Jahr die Reichshofer Gemeindeentwicklung darunter litt, dass Corona die Beteiligung von Bürgern und Vereinen drastisch eingeschränkt hat, soll sie nun wieder Fahrt aufnehmen. Weil das Hof- und Fassadenprogramm, mit dem die Gemeinde private Investitionen fördert, noch nicht überall so gut wie in Denklingen angenommen wurde, gibt es nun einen erneuten Aufruf an die Reichshofer, sich daran zu beteiligen.
Bürgermeister Gennies sieht auch die Digitalisierung auf der Habenseite der Gemeindeentwicklung im Jahr 2021, dazu gehört der Glasfaserausbau und die Ausstattung der Gesamtschule. Weiterhin auf einem guten Weg ist Reichshof zudem bei der Industrieentwicklung, zumindest soweit es der restriktive Regionalplan zulässt. Die Fahrradreifenfirma Bohle hat in Wehnrath ein modernes Gebäude in Betrieb genommen.
Auch wenn mancher Wanderer im vergangenen Jahr die oberbergische Landschaft neu entdeckt haben mag, hat die Pandemie dem Reichshofer Gastgewerbe natürlich nicht geholfen. Wir erinnern uns: Anfang 2021 sperrte die Gemeinde bei schönstem Winterwetter die Parkplätze am Blockhaus, um ein unhygienisches Gedränge zu vermeiden. Ein Wochenende lang galt sogar ein Einreiseverbot für Nicht-Oberberger. „Tränen an der Straßensperre“ titelte diese Zeitung im Januar. Im November wurde dann auch für diese Saison aller Wintersportbetrieb abgesagt. Bisher fehlte es aber ohnehin wieder einmal meist an ausreichend Schnee fürs Rodeln und Skifahren.
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Vielleicht liegt es gerade an der dezentralen Struktur der Gemeinde, dass sich die Reichshofer Bürger für ihre Dorfgemeinschaften besonders verantwortlich fühlen. Die Isek-Maßnahmen der Stadtverwaltung wurden jedenfalls allerorten von bürgerschaftlichen Initiativen begleitet. So ist im Februar zum neuen Veranstaltungszentrum „Eckenhääner Huus“ der Unverpackt-Markt namens „Eckenhääner Lädchen“ gekommen. Das „Brüchermühlchen“ folgt seit November einem ähnlichen Ansatz: lokale Versorgung mit regionalen Produkten. Und in Brüchermühle kommt noch der „Naturschaugarten“ dazu.
In Wildberg hat der Dorf- und Heimatverein das historische Christuskreuz aufgestellt und gleich noch auf der gegenüber liegenden Straßenseite einen offenen Bücherschrank eingerichtet. Die Ortsgemeinschaft Oberagger feierte Richtfest am erweiterten Dorfhaus. Der Schützenverein „Einigkeit Wildberg“ sanierte die Glück-Auf-Halle. Ob Vereinsbus in Mittelagger oder Waldsofa-Wanderweg in Wildbergerhütte: Das alles sind nur einige Beispiele dafür, dass die nervige Corona-Pandemie nicht zwangsläufig zu gesellschaftlicher Spaltung und Lähmung führen muss. Im Reichshof beweisen einige Bürger das Gegenteil.
Interview mit Rüdiger Gennies
„Wir setzen wieder auf die Beteiligung der Ortsvereine“
Rüdiger Gennies ist seit 2009 Bürgermeister der Gemeinde Reichshof. Im neuen Jahr geht er in die zweite Phase der Umsetzung des Stadtentwicklungskonzepts.
Was sind Ihre vorrangigen Aufgaben im Jahr 2022?
Rüdiger Gennies: Wir bereiten aktuell die Erweiterung der Grundschulen in Denklingen und Hunsheim vor, um die erhöhten Raumbedarfe u.a. für die Nachmittagsbetreuung abdecken zu können. Die Bauaufträge werden möglichst zeitnah realisiert und in den Jahren 2022 und 2023 umgesetzt. Als erstes Projekt der Phase II des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes (Isek) wird der Jugendpark Hunsheim/Berghausen gestartet. Für die Aufwertung und funktionale Erweiterung des Schul- und Freizeitzentrums Hunsheim wendet die Gemeinde mit der Bauumsetzung in diesem Jahr rund 1,25 Millionen Euro auf, von denen 60 Prozent über die Städtebauförderung finanziert werden.
Was steht außerdem an?
Als weiteres Isek-Förderprojekt haben wir rund 4,1 Millionen Euro im Finanzplan für den „Treffpunkt Wildbergerhütte“ eingeplant, also die Erweiterung von Turnhalle und Sängerheim zum Begegnungszentrum, sowie die energetische Gebäudesanierung und die Aufwertung des Außengeländes. Nach der Planungs- und Genehmigungsphase soll diese Maßnahme im Jahr 2023 konkret begonnen werden. Wir setzen auch dort auf eine Beteiligung der Ortsvereine, die schon beim Eckenhääner Huus so gut funktioniert hat. Wenn der neue Aldi-Markt auf den früheren Tennisplätzen gebaut ist, wird dieser Bereich in Wildbergerhütte ansprechend aufgewertet sein. In den Folgejahren werden wir im Rahmen des Isek-Förderungsprogramms den „Denklinger Dreiklang“ in den Fokus nehmen. Hier geht es um die Aufwertung der Wasserburg mit dem Mühlenteich der „Klus“ und dem angrenzenden Rathausareal. Die Gesamtkosten betragen etwa 4,5 Millionen Euro. Zum laufenden, aber dennoch arbeitsaufwendigen Geschäft unserer kleinen Gemeindeverwaltung gehören weitere Infrastrukturmaßnahmen und nicht zuletzt die Planung und der weitere Ausbau der flächendeckenden Breitbandversorgung mit Glasfaseranschlüssen für Gewerbebetriebe und Wohnhäuser in den zahlreichen Ortschaften.
Wie begegnen Sie auf lokaler Ebene der Herausforderung des Klimawandels?
Das Juli-Hochwasser hat gezeigt, wie dringlich ein Katastrophenschutzmanagement ist. Vor diesem Hintergrund werden wir die Informationen für unsere Bevölkerung verbessern und Evakuierungspläne für Katastrophenszenarien erarbeiten. Zum Hochwasserschutz stehen wir im engen Austausch mit dem für unsere Gewässer zuständigen Aggerverband. Als Reichshofer Beitrag für den Klimaschutz möchten wir unter anderem die erfolgreiche Förderung von privaten Photovoltaikanlagen fortsetzen. Der Gemeinderat entscheidet über weitere Fördermittel in Höhe von 125 000 Euro im Rahmen der Haushaltsplanberatungen. Im vergangenen Jahr haben wir mit dieser Summe 92 Bewilligungen für Anlagen mit rund 900 kw/p gewähren können, die mit Privatinvestitionen von 1,6 Millionen Euro verbunden waren.
Welche Bedeutung hat die Tourismusförderung für die Gemeinde Reichshof?
Die Förderung der Tourismus- und Freizeitaktivitäten für unsere Bevölkerung und unsere Gäste hat für uns eine große Bedeutung, als sogenannter „weicher Standortfaktor“. Daher beteiligen wir uns an verschiedenen Projektentwicklungen im Rahmen der Regionale 2025 wie der sanften Weiterentwicklung der Infrastruktur an der besonders geschützten Wiehltalsperre mit Wanderwegeschlüssen, Aussichtspunkten und Informationsangeboten. Darüber hinaus spielt der Gesundheitstourismus mit der Weiterentwicklung des „Erlebnisbergs Blockhaus“ und die Konzipierung von örtlichen und überörtlichen Radewegenetzen eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang hoffen wir nach einer Qualifizierung über die Regionale 2025 perspektivisch auf Fördermittel von Bund und Land für diese Maßnahmen in der Region.