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Alte Bücherfabrik JaegerJetzt kommt's in Engelskirchen zum Bürgerentscheid

Lesezeit 4 Minuten
In der Sitzung des Engelskirchener Gemeinderates sitzt der Bürgermeister neben seinem allgemeinen Vertreter und dem Gemeindekämmerer.

Bürgermeister Dr. Gero Karthaus (M.) in der Ratssitzung vom 15. Februar, neben seinem allgemeinen Vertreter Norbert Hamm (l.) und Kämmerer Laszlo Kotnyek (r.).

Der Engelskirchener Gemeinderat hat dem erfolgreichen Bürgerbegehren zur Zukunft der Alten Bücherfabrik Jaeger in Ründeroth nicht entsprochen. Jetzt kommt es zu einem Bürgerentscheid.

Der Engelskirchener Gemeinderat hat dem Bürgerbegehren zur Zukunft der Alten Bücherfabrik Jaeger in Ründeroth mit 16 zu 14 Stimmen nicht entsprochen. In der Konsequenz werden jetzt die Menschen direkt befragt, es kommt zum Bürgerentscheid, der bis spätestens Mitte Mai, möglicherweise aber auch schon früher über die Bühne geht.

Die Abstimmung fand am Mittwochabend in der Gemeinderatssitzung vor erneut voll besetzten Zuschauerreihen statt, in einer Atmosphäre, in der die zunehmende Genervtheit auf allen Seiten greifbar war. Auf Antrag der SPD-Fraktion wurde geheim abgestimmt, aber wer annimmt, dass die 14 Ja-Stimmen von der 13-köpfigen SPD-Fraktion und Bürgermeister Dr. Gero Karthaus (SPD) stammen, dürfte richtig liegen. Zumal eine Jamaika-Opposition aus CDU, Grünen und FDP die Sanierungspläne in der Form, wie Verwaltung und Bürgermeister sie seit sechs Jahren vorantreiben, schon länger nicht mehr mitträgt.

Mit Christoph Gissinger, Annemarie Nusch-Schneider und Klaus Noss hatten die drei Initiatoren des (erfolgreichen) Bürgerbegehrens im Rat am Mittwoch nochmals Gelegenheit, um die Politik mehrheitlich um Zustimmung zum – wie sie betonten – lediglich nächsten Schritt zu bitten. Vergebens.

Tischtuch scheint zerschnitten

Darum geht es: Aus der großen Industriebrache an der Ründerother Oststraße soll ein Bürgerzentrum mit Veranstaltungshalle und ein Zentrum für innovative Gesundheitsdienstleistungen werden. Das kostet. Um die vielen Fragen der Finanzierung dieses Leuchtturmprojektes ist ein Streit entbrannt, der sich zuletzt immer weiter zugespitzt hat.

Inzwischen scheint das Tischtuch zwischen Befürwortern und Gegnern des Projektes zerschnitten, und zwar nachhaltig. Die Projektgegner werfen der Verwaltung und dem Bürgermeister vor, mit einer „extrem kreativen Kalkulation“ (Karl Lüdenbach, Grüne) bzw. „viel zu schönfärberischen Zahlen“ (Marcus Dräger, CDU) zu arbeiten. Dräger betonte zudem, dass bei der seines Erachtens ohnehin riskanten Finanzarchitektur mögliche Risiken in Höhe von zusätzlichen zehn Millionen Euro in der Diskussion bisher kaum Beachtung gefunden hätten.

Unterstützung vom Geschäftsführer der Regionale 2025

Auf der anderen Seite machte sich auch Bürgermeister Karthaus Luft, der seinen Kritikern unter anderem vorwarf, sie würden Informationen und Zahlen, die die Verwaltung liefert, „oft grundsätzlich als nicht glaubwürdig und unseriös“ abtun. In einem Fall habe er eine Liste mit Mietinteressenten für das Gesundheitszentrum vertraulich an Ratsmitglieder weitergegeben – und einer habe trotz Vertraulichkeit diese Mietinteressenten angerufen und gefragt, ob die Informationen, die er vom Bürgermeister hat, stimmen.

Karthaus warb erneut für das Projekt: „Auch wir wollen keine unbeherrschbaren finanziellen Abenteuer! Aber es wäre doch geradezu verrückt, wenn wir jetzt nicht die letzte Tür aufmachen, um zu sehen: Ist das Projekt möglich oder nicht?“

Als eindeutiger Unterstützer der Pläne des Bürgermeisters positionierte sich Dr. Reimar Molitor, der Geschäftsführer der Regionale 2025 Agentur, in der Ratssitzung. Er nannte das aktuelle Zahlenwerk, das Gemeindekämmerer Laszlo Kotnyek zuvor noch einmal ausführlich vorgestellt hatte, „extrem belastbar“ und sprach von einer „extrem ausgefeilten Vorlage“. Molitor betonte, dass es bei der Regionale durchaus sehr geschätzt werde, wenn bei Vorhaben, die sich um Förderung bewerben, der privatwirtschaftliche Teil direkt mitgedacht werde – und das ist beim Projekt Bücherfabrik der Fall.

In der von Kämmerer Kotnyek vorgestellten aktualisierten Fassung der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung – vorgelegt von der Beratungsgesellschaft für Behörden (VBD) – liegen die Gesamtkosten bei 42,24 Millionen Euro und zu erwartende Fördergelder bei 12,55 Millionen Euro (wir berichteten). Dieses Zahlenwerk wurde allen Parteien und den Initiatoren des Bürgerbegehrens an einem „Runden Tisch“ vorgestellt. CDU, Grünen und FDP überzeugte das nicht. Sie gehen weiter davon aus, dass die Finanzierung mit oder ohne Regionale-Förderung zu hohe Risiken birgt.

Zu Beginn der Ratssitzung wurde aus Reihen der CDU-Fraktion zudem Bedenken geäußert, dass die geplante Live-Übertragung mit Bild und Ton ins Internet möglicherweise nicht rechtens sein könnte; sie unterschrieben eine entsprechende Erklärung deshalb nicht. Die Übertragung fiel somit aus.


Jetzt sind die Engelskirchener direkt gefragt, ob die Gemeinde sich um den A-Stempel für das Projekt Alte Bücherfabrik in Ründeroth bewerben soll oder nicht. In den nächsten Wochen können die Parteien in eine Art Wahlkampf einsteigen und versuchen, die Bürger von ihren Vorstellungen zu überzeugen. Das Bürgerbegehren selbst ähnelt dann einer Briefwahl.

Alle wahlberechtigten Bürger bekommen die Unterlagen zur Teilnahme am Bürgerentscheid direkt zugesandt und können diese dann ausgefüllt zurückschicken. Abstimmungsberechtigt sind Engelskirchenerinnen und Engelskirchener, die am Tag des Bürgerentscheids mindestens 16 Jahre alt. Der Bürgerentscheid muss Mitte Mai abgeschlossen sein, kann aber auch früher stattfinden.