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Quartier in EngelskirchenErster Cannabis Social Club in Oberberg wartet auf die Anbaulizenz

Lesezeit 6 Minuten
Cannabispflanzen (ca. 4 Wochen alt) in ihrer Wachstumsphase stehen unter künstlicher Beleuchtung in einem Privatraum.

Bis in Oberberg in größerem Stil Cannabis angebaut werden kann, wird es vermutlich noch etwas dauern.

An der Müllensiefer Straße in Engelskirchen entsteht zurzeit der Vereinssitz des ersten Cannabis Social Clubs im Oberbergischen Kreis.

Vor dem Haus liegt Schutt, im Inneren herrscht Baustellenchaos. Erst einer der Räume ist grob eingerichtet – mit einer Couch, einem Tisch und einer kleinen Küchennische. Es wird schnell klar: Hier ist noch viel zu tun. An der Müllensiefer Straße in Engelskirchen entsteht zurzeit der Vereinssitz des ersten Cannabis Social Clubs (CSC) im Oberbergischen Kreis. Bis hier die erste Cannabispflanze angebaut, geschweige denn geerntet werden kann, wird es aber noch eine ganze Weile dauern, berichtet Malik Diestelhorst, der 1. Vorsitzende des Clubs in Oberberg.

Der Cannabis Club Oberberg ist ein eingetragener Verein

Dieser ist bereits ein eingetragener Verein, nun hat der Vorstand auch den Antrag für die Anbaulizenz bei der Bezirksregierung eingereicht. Erst wenn grünes Licht von der Regierung gegeben wird, darf in Müllensiefen in größerem Stil angebaut werden. „Bis dahin muss noch viel vorbereitet werden. Wir planen erstmal mit einem kleineren Raum für den Anbau, denn wir finanzieren das bislang aus eigener Tasche“, berichtet Diestelhorst. Denn der Verein arbeitet nicht gewinnorientiert.

Bislang besteht er aus 22 Mitgliedern. Die einmaligen Beitrittskosten und der monatliche Mitgliedsbeitrag werden mit den Kosten für den Anbau und   bei der Rauschmittelabgabe verrechnet. Pro Monat ist die Abgabe von höchstens 50 Gramm an ein Mitglied erlaubt.   Das Interesse ist groß. „Allein gestern habe ich 60 Anfragen per Mail beantwortet“, erzählt Diestelhorst.

Malik Diestelhost im Porträt

Malik Diestelhost ist der 1. Vorsitzende des Cannabis Social Clubs im Oberbergischen Kreis.

Wenn der Verein eines Tages mehr Mitglieder habe, stehe auch ein 40×4 Meter großer Raum in dem Gebäude in Müllensiefen zur Verfügung, in dem Cannabis angebaut werden könnte. Da seit der Legalisierung jedoch noch viele Vorschriften und Regularien   unklar seien, wollen die Clubmitglieder aus dem Oberbergischen erstmal abwarten und klein anfangen. Auch, wenn theoretisch bis zu 500 Mitglieder in einem Cannabis-Club erlaubt sind, werden es in dem oberbergischen Club höchstens 200 sein. „Mehr können wir mit den uns zur Verfügung stehenden Kapazitäten nicht aufnehmen und bedienen“, sagt der 25-Jährige.

Die Räume in Müllensiefen wurden Malik Diestelhorst und dem Verein von einem Freund zur Verfügung gestellt. „Wir haben auch andere Hallen in Oberberg besichtigt. Aber viele haben schon abgesagt, als sie gehört haben, dass wir dort Cannabis anbauen wollen. In anderen Fällen war die Miete viel zu teuer für uns.“ Umso mehr freue es ihn, nun einen passenden Ort gefunden zu haben, der auch noch nahe an seinem Heimatort liegt. Denn der 25-Jährige ist im nur wenige Kilometer entfernten Schnellenbach aufgewachsen.

In gutem Austausch mit den Nachbarn in Engelskirchen-Müllensiefen

Das Haus ist nach hinten versetzt und von der Straße aus nicht direkt sichtbar. Mit den Nachbarn sei man in gutem Austausch. Bei Beginn des Anbaubetriebs muss der Club auch Sicherheitsvorkehrungen treffen, etwa eine Mauer oder einen Zaun als Sichtschutz sowie Einbruchschutz an Fenster und Türen. Im und zehn Meter rund um den Vereinssitz darf zudem nicht konsumiert werden. Abluft- und Zuluftfilter sollen Geruchsbelästigungen vermeiden. Auch eine Wasserfilteranlage ist geplant. Dass die Vierbeiner des angrenzenden Hundehotels mit ihrer feinen Nase durch die Cannabispflanzen irritiert sein könnten, schließt Malik Diestelhorst somit aus. Die Einhaltung der Auflagen wird halbjährlich durch die Bezirksregierung überprüft.

Natürlich sei man seit der Legalisierung von Cannabis auch vermehrt mit Kritik konfrontiert. Der 25-Jährige betont: „Nur, weil Cannabis nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft wird, darf es keinesfalls verharmlost werden. Der Konsum kann Psychosen auslösen, antriebslos machen und birgt weitere Gefahren, wenn man nicht selbstreflektiert konsumiert.“

Cannabis Social Club Oberberg ist auch mit Kritik konfrontiert

Teile der Kritik an der Cannabislegalisierung, insbesondere von Psychiatern, empfindet er aber – auch wegen seiner eigenen Krankengeschichte – als schwierig. „Nicht immer müssen psychische Probleme durch Cannabis ausgelöst oder bei bestehender Krankheit verstärkt werden. Es gibt auch die andere Seite. Manchen hilft Cannabis auch“, so Diestelhorst. So sei es auch bei ihm.

In frühester Kindheit sei bei ihm ADHS diagnostiziert worden. „Mir wurde schon im Alter von sieben Jahren Ritalin verschrieben.“ Das habe jedoch nicht geholfen und sein Leben sei immer mehr aus den Fugen geraten. Als Jugendlicher habe er dann heimlich seinen ersten Joint geraucht. „Plötzlich war ich viel ruhiger und konnte mich auf den Unterricht konzentrieren.“ Heute wird ihm medizinisches Cannabis verschrieben. 2,5 Gramm raucht er am Tag: „Mein Leben ist   besser geworden, emotional und strukturell.“

Der eigene Anbau sei für ihn wichtig, um dem gewinnorientierten und teils unsauberen Schwarzmarkt zu entgegen und sich selbst zu schützen. Die Samen erhalte der Verein über bewährte und vertrauensvolle Kontakte. Er nehme seine Verantwortung als Vereinsvorsitzender ernst. „Wir haben entschieden, dass wir niemanden unter 21 Jahren im Verein aufnehmen. Und wir schauen genau hin, ob und inwiefern jemand Konsumerfahrung hat, bevor er bei uns Mitglied wird.“ Wer sich nicht an die Regeln hält, wird ausgeschlossen. Zudem sind Präventionsangebote geplant. Auch eine Hotline für weitergehende Informationen zum Thema soll eingerichtet werden.

Was die Arbeit des oberbergischen Clubs immer schwer machen wird: Werbung für Cannabis ist verboten. „Das ist auch für unsere Öffentlichkeitsarbeit als Verein, der mit Cannabis zu tun hat, herausfordernd“, so Diestelhorst.


Sachspende der Gummersbacher Firma Gizeh

Unterstützung erhält der Cannabis Social Club Oberberg von der Firma Gizeh Raucherbedarf mit Hauptsitz in Gummersbach. Wie Dominic Tabor, Community-Manager bei Gizeh, berichtet, habe man den Vereinsmitgliedern unter anderem Blättchen und Filter für das Drehen von Zigaretten zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig sei die Kooperation eine gute Werbung für die Produkte von Gizeh.

„Wir sind ein Gummersbacher Unternehmen und streben eine gute Partnerschaft zu lokalen Clubs an“, sagt Tabor, der bei Gizeh auch Ansprechpartner für die cannabisrelevanten Themen ist. Das Unternehmen biete viele Produkte an, die beim Cannabiskonsum zum Einsatz kommen. Mit den Vereinsmitgliedern des Cannabis Social Clubs spreche man somit genau die richtigen Adressaten an, die diese Produkte auch nutzen. Auf einer Veranstaltung sei der Kontakt zu Malik Diestelhorst entstanden.

Mit Kritik zur Schädlichkeit des Rauchens habe man sich schon immer auseinandersetzen müssen. Die Cannabislegalisierung habe das nicht verschärft. „Unsere Wurzeln liegen nun mal in der Zigarettenindustrie“, sagt Tabor. Aktuell ist Gizeh Raucherbedarf im Bereich der „King Size“-Produkte Marktführer.   Die extra langen Blättchen brennen sehr langsam ab und gehen aus, wenn nicht an der Selbstgedrehten gezogen wird.