Kotthausen – Auch nach dem Hochwasser wird das Telefon klingeln. Und wieder klingeln. Aber nicht etwa, weil dann neue Einsätze die Kräfte des Technischen Hilfswerks (THW) rufen. Vielmehr erwartet der Gummersbacher Ortsverband viele Buchungsanfragen. Denn üben wollen – und müssen – sie nun alle, die gegen Starkregen, Überflutungen und Hochwasser antreten. Und noch immer ist der Verband in Oberberg der einzige bundesweit, der einen eigenen Übungsdeich vorzeigen kann.
Als die Gummersbacher 2007 mit der Idee um die Ecke kamen, sich einen gut 150 Meter langen und drei Meter hohen Deich aufs Gelände an der Hückeswagener Straße und damit ausgerechnet auf der Kotthauser Höhe, einer der höchsten Stellen Oberbergs, bauen zu wollen, wurden sie – freundlich gesagt – belächelt. „Heute kommt das nicht mehr vor“, sagt Ortsbeauftragter Torsten Simon mit Blick auf die jüngsten Ereignisse. Im Juli 2016 war der Übungsdamm fertig, im vergangenen Jahr wurde er saniert. Gebaut worden ist daran stets mit ganz wenig Geld, unschätzbarer Eigenleistung und unerschöpflichem Enthusiasmus. Simon: „Wir wollten hier eben etwas Besonderes schaffen, das sonst niemand hat.“
Einmal pro Quartal wird der Ernstfall geprobt
Einmal pro Quartal bietet der Gummersbacher Verband Schulungen an. Simon: „Die Nachfrage ist bereits deutlich höher, aber wir wollen unsere Kameraden nicht verschleißen.“ Das ist in erster Linie der Deichgraf unter den Männern und Frauen in Blau: Christian Groth heißt er, 47 Jahre alt, im Alltag Ingenieur bei einer Versicherung. Beim THW ist Groth Technischer Berater in Sachen Hochwasserschutz, Starkregen und Deichverteidigung – das ist, wenn Wassermassen zum Beispiel gegen Sperrmauern drücken und die zu brechen drohen. Vier Einsätze in der Region in acht Tagen hat Groth gerade hinter sich.
Aber nicht nur in Zeiten wie diesen ist der Gummersbacher ein gefragter (Fach-)Mann. Ist er nicht unterwegs, erklärt er auf dem THW-Gelände, wie eine Quell-Kade geht: „Sickert Wasser aus dem Deich, legen wir mit Sandsäcken ein großes U unter diese Stelle.“ Oder wie es sein Chef Simon ausdrückt: „Wie eine Wunde: Man klebt ein Pflaster drauf.“ Zuletzt haben die Einsatzkräfte das am Beverdamm gemacht: 4500 Sandsäcke, 45 Tonnen Sand, verlegt von 50 Kräften in zehn Lagen. „Gegendruck“, sagt Groth knapp. Einfacher geht die Deichfußsicherung: Droht das Bauwerk zu brechen, stapeln die Fachleute Sandsäcke von unten nach oben, lassen zwischen den Reihen einen Stiefel breit Platz. Die Stiefelbreite muss sein, damit das Wasser abfließen kann: „Denn etwas schwappt immer über.“
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Auf dem THW-Gelände sprudelt aus drei Quellen Grundwasser, Leitungen führen es dann in den massiven Damm und pumpen es an dessen Außenseite. Dieser hat eine Lücke. „Damit können wir einen Deichbruch simulieren“, sagt Torsten Simon und nennt als Beispiel den Hochwasserschutz großer Städte wie Köln etwa. Kommt das Wasser, werden Durchgänge mit Balken dichtgemacht. Haben die Gummersbacher die aufgetürmt, können sie den Hohlraum fluten. „Da gehen bestimmt 10 000 Liter rein“, meint Christian Groth. Übrigens: Ist das Hochwasser abgeflossen, muss der Sand aus jedem zehn bis zwölf Kilogramm schweren Sack als Sondermüll entsorgt werden, denn er gilt als kontaminiert. Groth: „Das Wasser fließt ja durch Omas Hühnerstall ebenso wie durch Opas Gartenlaube.“