Ukrainer aus Gummersbach äußern sich kritisch über Donald Trumps Aussagen über Wolodymyr Selenskyj.
Wegen Äußerungen TrumpsUkrainer aus Gummersbach blicken verärgert in die USA
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Ist Donald Trump (r.) wirklich bereit, der Ukraine zu helfen?
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Der Blick der oberbergischen Ukrainer richtet sich heute umso gespannter nach Washington: Nachdem US-Präsident Donald Trump den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj als „Diktator“ bezeichnet und über seinen Kopf hinweg Verhandlungen mit den Russen über die Zukunft seines Landes eingeleitet hat, sollen sich beide am Freitag im Weißen Haus treffen – offenbar, um sich auf einen Rohstoff-Deal zu einigen. Was da gerade auf der Weltbühne geschieht und wie mit ihrem Land umgegangen wird, verfolgen die Mitglieder der ukrainischen Kirchengemeinschaft in Gummersbach genau.
Andrij Maljutin ist Pastor der Kirche „Almaz“, er kam 2022 als Flüchtling aus der Region Donezk ins Oberbergische: „Trumps ,Diktator'-Aussage über Selenskyj hat mich überrascht. Ich hätte nicht erwartet, dass sich die Dinge so entwickeln. Man darf nicht vergessen, dass dieser Mann vom amerikanischen Volk gewählt wurde. Mehr als 70 Prozent der Menschen haben bei der Wahl freiwillig für ihn gestimmt.“
Trumps Äußerungen über Selenskyj: Was sind die wahren Absichten?
Dass über die Zukunft der Ukraine verhandelt wird, ohne sie an diesen Gesprächen zu beteiligen, hält Maljutin für falsch: „Weder die Interessen unseres Landes noch die territoriale Integrität der Ukraine werden gewahrt. Dann hat Russland im schlimmsten Fall seine ursprünglichen Ziele erreicht.“ Die Welt werde mitansehen, wie ein Land heutzutage unter Druck dazu gezwungen werden könne, eine Diktatur und deren Entscheidungen akzeptieren zu müssen, meint Maljutin.
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Ist Trump wirklich bereit, der Ukraine zu helfen? Er kenne seine wahren Absichten nicht, sagt Maljutin: „Wenn Trump wirklich helfen will, dann würde er sich auf die Ukraine zubewegen, statt nur große Worte in den Mund zu nehmen, an schlecht organisierten Verhandlungen teilzunehmen und die US-Hilfe in einen Kredit zu verwandeln, den die Ukraine nun zurückzahlen soll.“
Ähnlich sieht das auch Viktoria Sokolowa. Sie ist ebenfalls Mitglied der ukrainischen Kirche in Gummersbach und kam mit ihrem Mann und ihren drei Kindern nach Kriegsbeginn ins Oberbergische. Zu Trumps Behauptung über Selenskyjs angebliche „Diktatur“ und der Verweigerung einer Wahl in der Ukraine in Zeiten des Krieges sagt sie: „Trump liebt es, mit Worten zu manipulieren und zu übertreiben. Seine Aussage, er könne den Krieg an einem Tag beenden, erscheint heute in einem ganz anderen Licht. Interessant ist, dass er nicht davor zurückschreckt, Selenskyj als Diktator zu bezeichnen, während er gleichzeitig mit Putin verhandelt – der zweifellos die Eigenschaften eines Diktators besitzt.“
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Viktoria Sokolowa ist Mitglied der ukrainischen Kirche in Gummersbach und sieht Trumps Äußerungen sehr kritisch.
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Dass Trump ihrem Land wirklich helfen will, bezweifelt sie: „Ich denke, dass der US-Präsident eigene Pläne für unser Land hat. Und so lange wir uns in einer hilflosen und abhängigen Lage befinden, wird das ausgenutzt.“
Zu den Verhandlungen zwischen Trump und Putin sagt sie: „Wir Ukrainer wissen, dass wir auf externe Hilfe angewiesen sind. Aber das ist kein Grund, unser Volk so zu missachten. Wenn über das Schicksal eines Landes entschieden wird, ohne dass ein Vertreter dieses Landes beim Gespräch anwesend ist, ist das ein Bruch grundlegender Prinzipien der Fairness.“
Sokolowa hat Angst, dass das ukrainische Territorium unter fremde Kontrolle gerät, dass ihnen Frieden aufgezwungen wird und sie sich mit etwas zufriedengeben müssen, das sie gar nicht wollen. Sie zitiert ein Sprichwort: „Frieden ist die Zeit, in der Waffen nachgeladen werden.“ Deshalb befürchtet sie: „Wenn wir ein Friedensabkommen zu russischen Bedingungen ohne klare Sicherheitsgarantien akzeptieren, wird der Konflikt später noch heftiger aufflammen.“
Auch Serhij Matuschkin von der ukrainischen Kirche in Gummersbach, ist der Meinung, dass Donald Trump oft große Versprechen äußere, die keine Grundlage haben, und er später die Bedeutung oder den Kontext seiner Worte ändere, um sich selbst Spielraum für Entscheidungen zu verschaffen. Diejenigen, die stärker sind, würden am Ende immer im Recht bleiben, fürchtet Matuschkin.
Er betont jedoch, dass man nicht die gesamte Verantwortung auf eine einzige Person abwälzen sollte. Entscheidungen würden nicht vom Präsidenten alleine getroffen, sondern mit dessen Beratern. „Alle Entscheidungen, die derzeit getroffen werden, sind das Ergebnis einer kollektiven Arbeit.“ (asr)