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Im Podcast von Gerhard SchröderBergneustädter Politiker und Sportpräsident wird 75

Lesezeit 4 Minuten

Friedhelm Julius Beucher fühlt sich „fit und gesund“, und er ist zuversichtlich, „das geht noch eine Weile“.

Bergneustadt – Auf dem großen Schreibtisch und auf zwei Stühlen an der Seite stapeln sich Unterlagen, Zeitungen und Zettel. Mittendrin eine Box-Zeitschrift, und irgendwo müsste auch die neueste Ausgabe der „Granma“ liegen, das ist die Zeitung der Kommunistischen Partei Kubas. Ist aber gerade nicht zu finden.

„Macht nichts“, sagt Friedhelm Julius Beucher, der heute seinen 75. Geburtstag feiert. Sein wichtigstes Utensil ist ohnehin der Terminkalender, ein grünes Buch, dessen Einband sich vor Eintragungen und eingelegten Notizen nach oben biegt.

Im Podcast mit Gerhard Schröder

Gestern war er mit der Paralympics-Teilnehmerin Denise Schindler bei Altkanzler Gerhard Schröder zu Aufnahmen für dessen Podcast. Anschließend lud „der Gerd“ zum Mittagessen ein. Am nächsten Tag soll Oberbergs SPD-Ehrenvorsitzender auf Bitten der Wipperfürther Genossen die Trauerrede für den verstorbenen SPD-Fraktionschef Ralf Wurth halten. Die Rede muss er noch schreiben, das liegt ihm auf dem Magen. Stunden wird er später noch darauf verwenden.

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Tags drauf trifft sich Beucher als Vorsitzender des Vereins für soziale Dienste (VfsD) mit dem Kreisbaudezernenten. Und täglich Temperaturmessen muss er ab Montag auch noch und alle Werte aufschreiben – das verlangen die japanischen Behörden für die Einreise des Präsidenten des Deutschen Behindertensportverbands, der Beucher seit 2009 ebenfalls ist, wenn er mit dem deutschen Team Mitte August zu den Paralympischen Spielen in Tokio einreist. Am Flughafen wird Bundespräsident Steinmeier sie verabschieden, das hat „der Frank-Walter“ zugesagt.

Ein Mann mit zahllosen Ämtern

Zwischen Bürgersprechstunde im SPD-Ortsverein, dessen Vorsitzender Beucher ist, über die große Politik bis hin zur Weltbühne des Behindertensports reicht Beuchers Leben. Heute wird er also 75, und er ist so agil und umtriebig wie eh und je.

Lehrer, Grundschulrektor, zwölf Jahre Bundestagsabgeordneter, Mitbegründer und bis heute Vorsitzender des erfolgreichsten Arbeitslosenhilfeprojekts Oberbergs, SPD-Ehrenvorsitzender, Kreistags- und früher auch Stadtratsmitglied: Wie blickt er aus so vielen Perspektiven auf sein Leben zurück? Die Frage ist ihm zu philosophisch: „Ich bin überzeugt, dass ich mich nicht verändert habe. Ich gehe gerne auf Menschen zu.“

Der rote Faden in seinem Leben? „Der Wunsch, Menschen zu helfen und in der Gesellschaft etwas zum Besseren zu verändern, sie gerechter machen.“Zu den vielen Menschen, denen er in seinem Leben geholfen hat, gehört ein Gutteil der 6000 Arbeitslosen, die im VfsD seit dessen Gründung vor mehr als 35 Jahren eine Chance zur Rückkehr in die Arbeitswelt bekommen haben.

Aber auch der Arzt, den er vor mehr als 40 Jahren als Grundschullehrer unterrichtete und der „dem besten Lehrer, wo gibt“ in Beuchers Stammkneipe „Jägerhof“ deshalb ein Kölsch ausgibt.

Ideengeber und Stratege

Bei all seinen Aktivitäten weiß Friedhelm Julius Beucher, dass er ohne ein starkes Team nicht weit käme. Das gilt für den VsfD wie für den Behindertensportverband. Er sieht sich in der Rolle des Ideengebers und Strategen. Dabei kommt ihm ein riesiges Netzwerk zugute. Beucher weiß, wo und wann er wen angehen muss: „Ich kenne tatsächlich sehr viele Leute. Und viele kennen mich.“

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Mit seinen jetzt 75 Jahren ist er ein Füllhorn an Anekdoten. Es gibt nur wenige Menschen in seinem großen Bekannten- und Freundeskreis, zu denen ihm nicht aus dem Stand eine Geschichte einfällt. Die beginnen sehr oft mit „Dolle Nummer! Muss ich Dir erzählen ...“.

„Das Nachdenken über den Rückzug nimmt zu“

Aber Beucher kann auch ernst. Etwa, wenn er sich an die Begegnung mit Boxlegende Muhammad Ali erinnert. Die Beerdigung seines Idols Willy Brandt war auch so ein beeindruckendes Erlebnis. Und als der erste freigewählte gesamtdeutsche Bundestag sich in seiner ersten Sitzung 1990 erhob und die Nationalhymne anstimmte und der frisch gebackene Bergneustädter Abgeordnete mitsang.

Ob er seine Erlebnisse eines Tages aufschreibt? Beucher guckt auf die Papierberge vor sich: „Bis ich dazu Zeit habe, hab’ ich alles vergessen.“ Und falls er wider Erwarten tatsächlich Zeit hätte, „hat die Hanne mindestens zehn Jahre Arbeit hier für mich“. Bis dahin, ist er sich sicher, wird ihm seine Frau weiterhin den Rücken freihalten, wie sie es immer getan hat. Sie kann ihn sowieso nicht ändern, und er weiß, was er ihr verdankt: „Ohne sie hätte ich das nie geschafft.“

Wie lange er dieses rastlose Leben noch führen kann, weiß er nicht: „Ich bin fit und gesund, das geht noch eine Weile.“ Über Rückzug reden mag er nicht. „Das Nachdenken darüber nimmt zu, aber ich sag’ nicht, wann, sonst werden die letzten Monate zu schlimm.“